Startseite » Allgemein »

Universalübersetzer im OP

Standardisierung: Dicom for Surgery schafft Basis für Chirurgen
Universalübersetzer im OP

Im Bereich der bildgebenden medizintechnischen Systeme hat sich der Dicom-Standard bewährt. Denn so lassen sich digitale Daten geräteunabhängig und damit zukunftssicher nutzen. „Dicom for Surgery“ soll Gleiches nun für den Einsatz computerunterstützter Geräte im Operationssaal leisten.

Den in der Radiologie gebräuchlichen Standard Digital Imaging and Communications in Medicine (Dicom) erweitern Spezialisten derzeit für den digitalen Operationssaal. Diese unter dem Begriff Dicom for Surgery oder S-Dicom zusammengefassten Erweiterungen definierten einen Standard für alle Daten, die der Chirurg benötige, erläutert Thomas Trommer, der am Innovation Center Computer Assisted Surgery (Iccas) an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig mit am S-Dicom arbeitet. „Dabei geht es unter anderem um ein Patientenmodell, das neben dreidimensionalen Bilddaten auch zahlreiche weitere Informationen bereitstellt, etwa das Planungsergebnis für eine Operation.“ So soll der Aufbau modularer Assistenzsysteme für die Chirurgie ermöglicht werden.

Ausgangspunkt für S-Dicom sind die so genannten Chirurgischen Workflows, die Beschreibung von OP-Verläufen. Mit ihnen lässt sich ein Eingriff technisch und formal beschreiben. Chirurgen und Ingenieure können sich so besser verstehen und bekommen eine Art Universalübersetzer an die Hand.
Am Iccas wurde dazu eine Softwarearchitektur zum Protokollieren chirurgischer Eingriffe entwickelt, die Surgical-Workflow-Software. Damit ist es nach Angaben der Forscher erstmals möglich, detaillierte Informationen über den Verlauf von Operationen zu gewinnen und diese nach klinischen und technischen Fragestellungen auszuwerten.
Beim Übertragen der Chirurgischen Workflows auf technische Systeme sehen sich die Wissenschaftler vor allem mit zwei Problemen konfrontiert:
  • Chirurgische Abläufe können äußerst komplex sein, was das Erstellen allgemein gültiger Standards erschwert. Hinzu kommt die hohe Variabilität der Patienten.
  • Häufig fehlen allseits anerkannte Verfahren, so dass sich eine Standardisierung schon allein deswegen schwierig gestaltet. Abhängig von den beteiligten Personen ergeben sich unterschiedliche Verfahren.
Trotzdem beschäftigt sich das Iccas im Rahmen der Dicom-Working-Group-24 – die sich um die Entwicklung von S-Dicom kümmert – damit, diesen Standard so zu erweitern, dass er fit für den Operationssaal wird. Bislang wurde schon ein erster Entwurf zum Speichern von Oberflächennetzen erarbeitet, der in den Standard einfließen wird. Die Arbeiten im Bereich S-Dicom bilden zudem die Grundlage für die Softwareschnittstelle zum Surgical PACS“ (Surgical Picture Archiving and Communication System, S-PACS) als zentraler Datendrehscheibe.
In klinischen Anwendungen realisiert man auf Basis dieser Spezifikationen prototypische Szenarien. So wurden Bildverarbeitungs- und Modellierungsprobleme gelöst. Neben Segmentierungen von Gefäßbäumen in Angiographien bestimmten die Leipziger den Arbeitsraum bei navigierten Nasennebenhöhlenoperationen und entwickelten Methoden, um Gewebetypen aus Bilddaten zu klassifizieren. „Die Modellierungstechniken gehen dann in das Patientenmodell ein, welches dem Chirurgen sämtliche Informationen über den Patienten an die Hand gibt“, so Thomas Trommer weiter.
Wichtig ist ein Standard wie S-Dicom, weil die Informations- und Kommunikationstechnologien die Medizintechnik immer weiter durchdringen. Trotz des technischen Fortschritts sollen die medizinischen Daten aber langfristig verfügbar sein. Nur so ist auch der Anwender bereit, in entsprechende Systeme zu investieren.
Eindeutig definierte Standards sichern nicht nur momentan den Einsatz der Daten auf unterschiedlichen Geräten, sondern vor allem langfristig. Mit einem offenen Standard wie Dicom und zukünftigen Erweiterungen bleiben die Apparate unabhängig von der Systemplattform oder dem Hersteller.
Viele Anbieter bildgebender Systeme, neben dem Röntgen etwa aus dem Bereich der Computertomografie oder Sonografie, implementieren den Dicom-Standard der Radiologie schon seit längerem in ihren Geräten und profitieren von deren Interoperabilität. Die Iccas-Forscher hoffen nun, dass möglichst viele auch S-Dicom unterstützen. Der Vorteil läge auf der Hand, fährt Thomas Trommer fort: „Zukünftig könnte es ein Ausschlusskriterium für den Anwender sein, ob ein Gerät den Standard unterstützt oder nicht.“
Damit kommen die Forscher auch ihrem Ziel näher, den digitalen Operationssaal (DOR – Digital Operating Room) Realität werden zu lassen. Das Marktpotenzial für Hersteller sei extrem hoch, so die Leipziger, wenn man Geräte zur Verfügung stelle, die Dicom- und S-Dicom-konform seien. Nicht zuletzt sollte davon auch der Patient profitieren, denn eine durchgängige Datenkommunikation ermöglicht dem Chirurgen jederzeit – und damit auch in der Hektik – den standardisierten Zugriff auf alle benötigten Informationen. Denn für das Lesen eines Handbuchs bleibt in seinem Alltag keine Zeit.
Michael Corban Fachjournalist in Nufringen
Standard verspricht Vorteile für Hersteller

Dicom-Standard
Als offener Standard ermöglicht Dicom (Digital Imaging and Communications in Medicine) den Austausch digitaler Bilder in der Medizin. Neben den Bilddaten ist auch das Kommunikationsprotokoll zum Austausch der Bilder festgelegt. Denn zusammen mit der digitalen Archivierung von Bildern auf Basis eines Picture Archiving and Communication Systems (PACS) ist es sinnvoll, wenn sich diese Daten auf Geräten verschiedener Hersteller nutzen und untereinander austauschen lassen. Der DICOM-Standard enthält deswegen
  • Formate für Bildinformationen,
  • netzwerkorientierte Daten für die Bildübertragung, die Abfrage eines Bildarchivs oder das Drucken, sowie
  • Informationen zum Patienten wie den Namen und das Geburtsdatum sowie zur Aufnahme selbst, wie etwa Geräteparameter oder die Strahlungsdosis.
Außerdem ist festgelegt, welche Spezifikationen DICOM-konforme Geräte zu erfüllen haben. Über den Standard wacht die amerikanische National Electrical Manufacturers Association (NEMA), die mit am Vorgänger, dem ACR-NEMA-Standard, gearbeitet hat. Dicom wurde 1993 verabschiedet und wird kontinuierlich erweitert. Eine Reihe von Arbeitsgruppen (Working Groups) beschäftigt sich mit verschiedenen Teilbereichen wie etwa Biosignalen, Datenkompression oder Chirurgie.

Innovationszentrum Iccas
Das vom Bundesforschungsministerium geförderte Innovation Center Computer Assisted Surgery (Iccas) ist an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig mit mehreren Forschungsgruppen tätig. Die Mitarbeiter forschen interdisziplinär im Bereich der Chirurgie, Informatik, Natur- und Ingenieurwissenschaften und wollen die wachsende Durchdringung der Chirurgie durch die Informations- und Kommunikationstechnologien begleiten. Die Analyse chirurgischer Workflows, das Erstellen von Patientenmodellen (Bildverarbeitung, Integration von Biosignalen), Visualisierung und Systemsicherheit sind die Hauptentwicklungsgebiete. An einer einheitlichen Sprache, mit der sich Chirurgen und Ingenieure besser verstehen, arbeiten die Leipziger auf dem Weg zur computerassisitierten Chirurgie (CAS, Computer Assisted Surgery).
Weitere Informationen: www.iccas.de

Ihr Stichwort
  • Standardisierung
  • Dicom/ S-Dicom
  • PACS
  • Computer-Assistenz
  • Digitaler Operationssaal
  • Unsere Webinar-Empfehlung
Aktuelle Ausgabe
Titelbild medizin technik 2
Ausgabe
2.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Titelthema: PFAS

Medizintechnik ohne PFAS: Suche nach sinnvollem Ersatz

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten

Aktuelles Webinar

Multiphysik-Simulation

Medizintechnik: Multiphysik-Simulation

Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de