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Und was denkt die Patientin?

Design: Weniger Angst und Anspannung, verbessertes Untersuchungsergebnis
Und was denkt die Patientin?

Untersuchungen zur Diagnose von Brustkrebs können körperlich und emotional stark belasten. Ein Design, das an den Emotionen der Patientinnen orientiert ist, kann hier sinnvoll sein. Wie das aussieht, hat eine Diplomarbeit gezeigt.

Was der Arzt von einem medzintechnischen Gerät erwartet, ist manchmal nicht einfach zu klären, wird aber zumindest thematisiert. Was den Patienten dienlich wäre, ist vielleicht noch schwieriger zu fassen und häufig von starken Gefühlen – wie Angst oder Schmerz – abhängig.

Daher hat die Design-Studentin Bettina Huber nach Möglichkeiten gesucht, wie sich zum Beispiel ein spezielles Brustbiopsie-Gerät verbessern lassen könnte. Huber, inzwischen Diplom-Designerin, hat ihr Studium an der Köln International School of Design abgeschlossen. Ihre Arbeit wurde am Lehrstuhl für Design for Manufacturing von Prof. Hatto Grosse betreut.
Wenn Mediziner und Ingenieure ein Gerät entwickeln, wird der Körper des Patienten zunächst vor allem unter dem Gesichtspunkt betrachtet, wie man an die Daten oder auch Gewebeproben kommt, die für Diagnose und Therapie erforderlich sind. Der Mensch auf dem Tisch oder Stuhl reagiert aber auf sein Umfeld, und seine Angst oder sein Schmerz können die Untersuchung oder Behandlung beeinflussen. Verkrampft sich ein Muskel? Stört innere Unruhe die Untersuchung im engen Kernspintomographen?
Mit diesen Fragen hat sich die Designerin auseinandergesetzt und speziell für die Untersuchung der weiblichen Brust Antworten gefunden. Ihren Schwerpunkt legte sie auf ein neues Verfahren im Forschungsstadium, die automatisiert durchgeführte Biopsie im Kernspintomographen. Hierfür wird die Patientin im MRT untersucht. Das bildgebende Verfahren zeigt, wo eine Gewebeentnahme sinnvoll ist. Diese wird im MRT auf Basis der übermittelten Bilder ausgeführt und soll Gewissheit darüber bringen, ob Krebszellen an der verdächtigen Stelle wachsen. Bisher muss die Patientin das Gerät wieder verlassen, und die Nadel wird an der nach Schätzungen richtigen Stelle gesetzt – wobei immer wieder Korrekturen erforderlich werden.
Im neuen Verfahren soll das anders aussehen. Während die Patientin bäuchlings mit nacktem Oberkörper in der Röhre liegt, sticht die robotergeführte Nadel ins Gewebe und nimmt eine Probe. „Das kann aber in mehrfacher Hinsicht Beklemmungen auslösen: die Enge der Röhre, der invasive Eingriff und die Tatsache, dass eine Maschine den Stich ausführt“, erläutert die Designerin.
Veränderungsvorschläge, die viel Platz brauchen, sind in diesem Umfeld jedoch schwierig umzusetzen. Daher wählte die Designerin als Vorgabe für all ihre Überlegungen eine Röhre mit einem Durchmesser von 60 cm. Dann überarbeitete sie die Einheit, mit der die Brust fixiert wird, und entwickelte ein neues Konzept für eine dazu passende Biopsieeinheit.
Viele herkömmliche Vorrichtungen zur Fixierung der Brust haben für jede Brust einfach ein kreisrundes Loch. Einmal fixiert, wird das Brustgewebe darin für die Untersuchung durch zwei Kompressionsplatten zusammengedrückt. Das ist nachteilig, da die kreisrunde Öffnung nicht zu jeder Brustform passt und „außerdem den Eindruck des Obskuren und Geheimnisvollen“ vermittelt, sagt Huber. Körperteile durch Löcher hindurchzustecken, vermittele vielen Menschen das Gefühl des Kontrollverlustes.
Huber schlägt daher eine längliche Öffnung vor, die noch dazu von Licht erhellt wird. Anstelle von Platten fixieren zwei Kunststoffschalen die Brüste. Lediglich längliche Öffnungen in den Schalen lassen der Bi- opsienadel den Zutritt. Den nötigen Gegendruck für die Nadel will Huber mit einem aufblasbaren Luftkissen erzeugen, das sein Volumen verändern kann. Da sich das System aus Modulen aufbauen lässt und Einsätze unterschiedlicher Größe verwendet werden können, ist es leicht möglich, die Einheit an die Brustgröße der Patientin anzupassen.
Die Biopsienadel wird auf einer halbkreisförmigen Schiene an die richtige Stelle für die Gewebeentnahme geführt – und zwar von unten. Damit befinden sich Nadel sowie Steuerungseinheit außerhalb des Gesichtsfeldes, um die Patientin nicht zu beunruhigen. Mit Hilfe einer Teleskopnadel kann man von hier aus die häufigsten Karzinome, die sich im äußeren, oberen Quadranten der Brust bilden, gut erreichen. Lässt sich dann noch die horizontale Winkelposition der Nadel verändern, können auch Krebszellen in der Nähe der Brustwarze oder am Brustansatz erreicht werden.
Die Überlegungen der Designerin gingen jedoch über diese noch sehr technisch geprägten Punkte hinaus. Die Patientin möchte zu ihrer Beruhigung während der Untersuchung vielleicht Blickkontakt mit dem behandelnden Mediziner herstellen. Das lässt sich mit einem Display unterhalb der Kopfstütze realisieren. Und statt mit nacktem Oberkörper den Weg in die Röhre anzutreten, könnte die Patientin ein Bustier mit eingearbeiteter Folie tragen. Das schützt nicht nur vor Blicken: Eine Folie wird ohnehin schon eingesetzt, damit die Haut beim Einstechen der Biopsie-Nadel nicht aufplatzt. Die Kombination mit dem Einweg-Kleidungsstück schützt hier also sowohl die Intimsphäre als auch die Gesundheit der Erkrankten.
Für ihr Konzept wurde Huber übrigens bereits 2009 mit dem Kölner Design Preis ausgezeichnet. op
Weitere Informationen Bereits zu Beginn des Jahrtausends wurde zur MRT-gestützten und robotergeführten Brustbiopsie an der Charité in Berlin geforscht. http://edoc.hu-berlin.de/dissertationen/wendt-oliver-2004-07-02/HTML/ Über ein aktuelles Forschungsprojekt an der Universität Maryland: http://rams.umd.edu/html/rfa.shtml E-Mail-Kontakt zur Designerin: design@bettinahuber.de

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