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So geschickt wie flinke Finger

Geflechte: Neue Maschinen erweitern die Einsatzbereiche in der Medizin
So geschickt wie flinke Finger

Wechselnde Flechtmuster, Verzweigungen und sogar Geflechte aus feinsten Fäden lassen sich mit modernen Maschinen erzeugen. Das bietet zum Beispiel die Möglichkeit, einen Stent für die Nase automatisiert herzustellen: Schnarchen adé!

Schnarchen stört nicht nur den häuslichen Frieden. Kommen Atemaussetzer hinzu, liegt eine Erkrankung, die so genannte Schlafapnoe vor, mit starker gesundheitlicher Belastung der Betroffenen. Mit so genannten Nasenstents wie dem AlaxoStent oder AlaxoLito-Nasenstent lassen sich solche Beschwerden lindern: Beide halten bei obstruktiver Schlafapnoe die Atemwege mechanisch offen.

Die ersten Stents dieser Art, die über ihre gesamte Länge unterschiedliche Flechtmuster aufweisen, wurden in der Entwicklungsphase aufwendig von Hand geflochten. Das reichte jedoch nicht aus, um die für die Vermarktung erforderlichen Stückzahlen herzustellen. Daher hat der Stenthersteller Alaxo GmbH, Frechen, mit dem Flechtmaschinenhersteller August Herzog Maschinenfabrik GmbH & Co. KG in Oldenburg eine hierfür maßgeschneiderte Flechtanlage entwickelt. Sie verkürzt die Produktionszeiten und hilft vor allen Dingen, durch die Automatisierung auch die Qualitätsanforderungen für das Medizinprodukt Nasenstent zu erfüllen: Konstante Kraftverhältnisse sind in der Maschine wiederholbar und sichern die Produktqualität.
Aus einem Formgedächnismetall (Nitinol) gefertigt, kann der Stent zum Einführen ins Nasenloch stark komprimiert werden und entfaltet sich im Atemgang zu seiner ursprünglichen Form. Um alle Funktionen dieses Stents sicherzustellen, muss der Nitinoldraht während des Flechtens schonend behandelt werden. Wird er überdehnt, kann sich der gewünschte Effekt nicht einstellen oder im schlimmsten Fall der Draht brechen. Daher entwickelten die Spezialisten bei Herzog einen neuartigen Flechtklöppel, und auch der Prozess wurde an die Anforderungen der beiden Produkte angepasst.
So kann die Maschine, anders als normale Flechter, wie sie zum Beispiel in der Schnürsenkelproduktion eingesetzt werden, im Prozess das Flechtmuster variieren. Die unterschiedlichen Geflechtsbindungen führen zu einer gewünschten, bereichsweise unterschiedlichen Steifigkeit im Stent. Dafür wurden in Zusammenarbeit zwischen Maschinenbauer und Anwender nicht nur die mechanischen Komponenten, sondern auch die Software maßgeschneidert. Damit können die Stents nicht nur sicher und reproduzierbar, sondern auch so schnell produziert werden, dass die Stückzahlen für eine erfolgreiche Vermarktung herstellbar sind.
Auch zur Stützung von Adern oder Gängen haben sich Stents – meist einfache „Röhrchen“ aus Draht und Kunststoff – in der Medizin bereits etabliert und können heute schnell und sicher produziert werden. Forscher und Mediziner äußern aber auch den Wunsch nach komplexeren Strukturen wie Verzweigungen, die heute als von Hand gefertigte Einzelstücke auf dem Markt sind. Auch solche Produkte soll eine neue Maschinenreihe – die Herzog Variationsflechter – sicher maschinell fertigen. Während bei einer klassischen Flechtmaschine zwei Gruppen von Flechtfäden nach immer dem gleichen Muster gegeneinander verwunden werden, um eine flexible, aber doch stabile Schlauchstruktur zu erreichen, müssen diese Muster für Verzweigungen kontrolliert aufgebrochen werden. Die Variationsflechter besitzen dazu Schaltweichen, mit denen die Granklöppel aus ihrem Gang ausbrechen können. Gesteuert durch eine SPS können so unterschiedliche Verzweigungen und Schlauchformen erstellt werden.
Die Grundlagen für diese Weichentechnologie wurden von den Oldenburgern schon vor gut zehn Jahren für den Leichtbau entwickelt. Die Grundlagen für die Verwendung in der Medizin werden derzeit in einem Forschungsprojekt mit dem Institut für Textil- und Verfahrenstechnik Denkendorf erarbeitet. Anpassungen sind erforderlich, weil sich die in der Medizintechnik verwendeten Materialen von den Werkstoffen des Leichtbaus unterscheiden. So müssen die Klöppel als Materialträger den meist dünneren Garnen und Drähten angepasst werden. Und während es bei Verbundbauteilen nur auf die Tragkraft ankommt, Öffnungen also erlaubt sind, müssen bei Stents auch in den Übergängen geschlossene Oberflächen vorliegen. Um die Garne zu einer solchen Ablage zu bewegen, sind zusätzliche Manipulatoren notwendig, die in die Maschinensteuerung eingebunden werden müssen. Das ist ein Schwerpunkt der Entwicklungsarbeit.
Auch Leichtbau könnte nützlich sein, zum Beispiel bei Prothesen und medizinischen Hilfsmitteln, Rollstühlen oder künstlichen Gliedern. Durch Flechten lassen sich individuell an Kraftfluss und Konstruktionsbedürfnisse angepasste Bauteile herstellen. Der Schwerpunkt liegt auf längs gestreckten Hohl- oder Flachprofilen, die durch die Technik des Variationsflechters um Teilungen und Öffnungen ergänzt werden können. Hohe Qualität bei niedrigen Stückkosten ist aber auch hier nur durch Automatisierung möglich.
Guido Grave Herzog Maschinenfabrik, Oldenburg
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