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Schraube aus Glas

Metallisches Glas: Neue Legierung für die Knochenchirurgie
Schraube aus Glas

Chirurgen sollen künftig Knochenbrüche mit Schrauben und Platten aus Metall fixieren, die der Körper während der Heilung biologisch abbaut. Mit der Entwicklung eines metallischen Glases sind Wissenschaftler der ETH Zürich diesem Ziel einen Schritt näher gekommen.

Bis heute fixieren Chirurgen gebrochene Knochen meist mit Schrauben und Platten aus rostfreiem Stahl oder Titan. Diese müssen sie dann in einer weiteren Operation entfernen, da der menschliche Körper diese Werkstoffe nicht abbauen kann. Materialforscher suchen deshalb nach metallischen Legierungen, die den Knochen eine Zeit lang stabilisieren, sich danach aber auflösen und vom Körper resorbiert werden.

Besonders interessante Materialien sind Legierungen auf der Basis von Magnesium. Dieses Leichtmetall ist mechanisch stabil und baut sich vollständig unter Freisetzung von körperverträglichen Ionen ab. Magnesium hat aber einen schwerwiegenden Nachteil: Beim Abbau bildet sich Wasserstoff, der dem Körper schaden kann. Um die Stellen, an denen die Magnesiumteile eingepflanzt wurden, entstehen Gasblasen, die das Knochenwachstum und damit die Heilung behindern und zu Entzündungen führen können.
Diese unerwünschte Nebenwirkung haben die Materialforscher um Jörg Löffler, Professor für Metallphysik und -technologie am Departement Materialwissenschaft der ETH Zürich, beseitigen können. Sie haben nicht nur eine neue, körperverträgliche Legierung aus Magnesium, Zink und Kalzium entwickelt, sondern diese auch mit einem speziellen Verfahren gegossen und so ein metallisches Glas produziert.
Metallische Gläser werden durch schnelles Abkühlen aus der Schmelze hergestellt. Dadurch können sich die Atome nicht in einer Gitterstruktur anordnen und bilden eine ungeordnete, das heißt amorphe Struktur, ähnlich wie die von Fensterglas – daher auch der Name „metallisches Glas“. Mit dieser Methode gelang es den Wissenschaftlern, der Magnesiumschmelze mehr Zink beizumengen als dies bei herkömmlichen Legierungen möglich ist.
Die von den ETH-Forschern Bruno Zberg, Peter Uggowitzer und Jörg Löffler entwickelte Legierung enthält bis zu 35 % Zink- und 5 % Kalzium-Atome, und der Rest entfällt auf Magnesium. Eine herkömmliche, kristalline Magnesium-Legierung kann dagegen höchstens 2,4 % Zink-Atome enthalten. Ist deren Anteil höher, bildet sich eine unerwünschte kristalline Phase innerhalb des Magnesiums aus. Der Vorteil des hohen Zinkgehalts ist das grundlegend veränderte Korrosions- und Abbauverhalten. Klinische Tests mit kleinen Plättchen aus der neuartigen Magnesium-Zink-Kalzium-Legierung zeigten keine Wasserstoffentwicklung während des Abbaus.
„Die neuartige Legierung in Form des metallischen Glases hat großes Potenzial für die Knochenchirurgie“, ist ETH-Professor Jörg Löffler überzeugt. Die Legierung und ihre Anwendungen als Implantatwerkstoff wurden deshalb von ihm bereits zum Patent angemeldet.
Mit weiteren Forschungsarbeiten und klinischen Tests soll das neue metallische Glas in den nächsten Jahren bis zur Marktreife gebracht werden. Chirurginnen und Chirurgen können die neue Legierung dann bei Operationen einsetzen. „Es wäre schön, wenn wir mit unserer Forschung etwas zum Wohle von Patienten beitragen könnten“, so Löffler. Denkbar sind nicht nur Fixierungen zur Behandlung von Knochenbrüchen, sondern auch Stent-Implantate für Eingriffe im Gefäßsystem. su
Weitere Informationen www.ethz.ch

Metallisches Glas
Metallisches Glas ist in der Materialwissenschaft ein vielbeachtetes Thema. Erst Anfang der 90er Jahre entdeckte man, dass metallische Gläser in größeren Dimensionen hergestellt und somit in Form von Massivgläsern als Ingenieur-Werkstoff verwendet werden können. Seither wird in vielen Labors intensiv nach deren Anwendungen gesucht. Dabei kämpfen die Wissenschaftler mit ein paar handfesten Nachteilen. So ist metallisches Glas weniger duktil (weniger plastisch verformbar) als herkömmliches Metall, und die Bauteile dürfen je nach Zusammensetzung der Legierung nur einige Millimeter bis Zentimeter dick sein, da sie sonst nicht schnell genug abkühlen können und sich eine Kristallstruktur bildet. Andererseits sind metallische Gläser erheblich elastischer als kristalline Materialien und zeigen eine zwei- bis dreimal höhere Festigkeit. Diese Eigenschaften würden sich bei Knochenimplantaten bezahlt machen, da diese um einiges kleiner sein könnten als bei herkömmlichen kristallinen Legierungen, aber dennoch dieselbe Funktion bieten.

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