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Schräglage ist das Optimum

CNC-Fertigung: Mit fünf Achsen in einer Aufspannung zum komplexen Portgehäuse
Schräglage ist das Optimum

Offen für Innovationen und flexibel – mit diesen Eigenschaften trug ein mittelständischer Fertigungsbetrieb zu einer neuen Port-Generation bei. Selbst knifflige Aufgaben bei der Entwicklung und Fertigung ließen sich so lösen.

Wenn sich ein Chirurg mit Fertigungsspezialisten zusammentut, sind erfolgreiche neue Produkte das Ergebnis. Das zeigt das Beispiel der Essener Pakumed Medical Products GmbH und der Beutter Präzisions-Komponenten GmbH & Co. KG in Rosenfeld, die gemeinsam eine neue Generation von Klasse-III-Implantaten, nämlich Ports, entwickelten.

Pakumed hat sich auf Ports spezialisiert, also Implantate, die für die Infusion von Medikamenten oder auch für die Dialyse eine Pforte zum Körper bilden. Sie bestehen aus einer Infusionskammer, die mit einem Katheter verbunden wird. Verschlossen ist die Kammer mit einer Membran aus Silikonelastomer, dem so genannten Septum. Das gesamte Portsystem wird unmittelbar unter der Haut implantiert, so dass sich über eine Portkanüle eine Verbindung zu einem Flüssigkeitssystem außerhalb des Körpers herstellen lässt. Sobald die Portkanüle das Septum punktiert, kann man ein flüssiges Medikament einbringen, oder es wird Blut entnommen beziehungsweise ausgetauscht. Nach Entfernen der Kanüle dichtet sich das Septum selbstständig ab.
Üblicherweise lagen die Septen im Port bisher parallel zur Hautoberfläche, mussten also senkrecht dazu punktiert werden. So eine abstehende Nadel kann aber hinderlich sein, wenn eine längere Behandlung mit einem Medikament oder auch eine Dialyse ansteht. Die Nadel könnte sogar durch Unachtsamkeit herausgerissen werden. Abgewinkelte Injektionsnadeln waren bislang die einzige Alternative, sind in der Handhabung aber nicht unbedingt einfacher. Darüber hinaus stehen solche Sonderausführungen nicht für jede Anwendung zur Verfügung.
Hier sah der technische Leiter von Pakumed – selbst Chirurg – großes Potenzial für Verbesserungen. Seine Idee: Ein Port sollte entstehen, dessen Septum in einem günstigeren Winkel zur Hautoberfläche des Patienten liegt und der mit einer Nadel besser zu erreichen ist.
Was so einleuchtend klingt, war in der Konstruktion und für die geplante Serienfertigung aber eine Herausforderung. Das zeigte sich schon in den ersten Gesprächen, die der Chirurg mit den Fachleuten von Beutter führte. Das Thema war den Rosenfeldern grundsätzlich bekannt, da sie als Dienstleister bereits Standardports aus Titan für Pakumed hergestellt und erste kleinere Entwicklungsaufgaben übernommen hatten.
Ein wichtiges Thema im neuen Projekt waren nun, unter anderem, die einzuhaltenden Größen der Implantate. Zum Beispiel hängt die Höhe eines Standardports vor allem davon ab, wie dick das Septum ist und wieviel Platz für den seitlichen Katheteranschluss gebraucht wird. Der Durchmesser des Septums konnte also beinahe beliebig groß gewählt werden, da er für die Porthöhe keine Rolle spielt. Für die Dialyse ist dieses Detail von Vorteil: Um einen ausreichenden Volumenstrom an Blut zu erreichen, werden hier größere Katheterquerschnitte eingesetzt als zum Beispiel bei einer Infusion. Die Kanüle für die Punktierung ist auch erheblich dicker. Diese Faktoren bestimmen die Mindestdicke des Septums, das nach Zurückziehen der großen Kanüle wieder sicher schließen muss – und vereinfacht gesagt, ist der Standardport um so höher, je dicker das Septum ausfällt.
Wer aber, wie die Entwicklungspartner in diesem Fall, die Lage des Septums im Port verändern will, muss alle diese Faktoren berücksichtigen. Und um die zuverlässige Abdichtung des Ports nicht zu gefährden, sollte die zylindrische Form von Portkammer und Septum beibehalten werden. Um dem gerecht zu werden und die erforderlichen Teile in Serien von einigen hundert Ports pro Jahr herstellen zu können, entschieden die Partner, dass alle Komponenten zerspanend hergestellt werden sollten.
Für die ersten Portvarianten war vorgesehen, die Septum-Ebene im Vergleich zum Standardport um 90° zu drehen. Das wäre auch möglich gewesen und hätte sich durch das Fertigen rotationssymmetrischer Teile erreichen lassen. Allerdings hatten Versuche außerhalb des klinischen Bereiches inzwischen ergeben, dass eine weitere Modifikation den Einsatz im klinischen Alltag wesentlich verbessern würde: Liegt die Septumebene um 15° in Richtung Hautoberfläche geneigt, lässt sich die Injektionskanüle am besten beim implantierten Portsystem applizieren. Für diesen Ansatz sprach auch, dass damit Portvolumen und -gewicht verringert werden konnten.
Die zylindrische Form des Septums wurde dabei, wie geplant, beibehalten. Die Fertigung gestaltete sich allerdings wegen der komplexeren Geometrie, die nun deutlich von einer rotationssymmetrischen Version abwich, erheblich aufwendiger. Schließlich musste auch der neu zu entwickelnde Port Befestigungselemente für das Gehäuse besitzen. An diesen wird der Port im Körper fixiert, damit er für die Dauer der Implantation seine Position beibehält. Diese Befestigungselemente müssen wiederum parallel zur Hautoberfläche liegen.
In einem weiteren Entwicklungsschritt wurde die Geometrie aus fertigungstechnischer Sicht verfeinert. Schließlich gelang es den Rosenfeldern, eine effiziente und wirtschaftliche Fertigung des Portgehäuses in nur einer Spannung zu planen – mit Hilfe der fünfachsigen CNC-Fertigung. Der so entwickelte Dialyseport mit leicht abgeschrägtem Septum war nun sowohl aus medizinischer Sicht als auch hinsichtlich der Fertigung optimiert. Er trifft inzwischen in klinischen Anwendungen auf sehr gute Akzeptanz und wird in Serie produziert. Die Zusammenarbeit zwischen Medizinern und Fertigungsexperten ist mit der Herstellung des neuen Dialyseports aber noch nicht beendet. Neben Modifizierungen von Standardports entstanden ein Unterarmport mit senkrecht zur Hautfläche liegendem Septum, ein Kinderport mit miniaturisierter Geometrie, ein Peritonealport für die Bauchfelldialyse und Peritonealchemotherapie sowie ein Fetalport für die Nabelschnurvene. Das zeigt, dass gerade auf dem Gebiet von Sonderanwendungen und Nischenprodukten kleine Partnerunternehmen leistungsfähig und in der Lage sind, neue Produkte schnell zur Marktreife zu bringen.
Die besonders hohen Anforderungen an Medizinprodukte, die durch Gesetze und Zulassungsverfahren vorgegeben sind, können solche Unternehmen sachgerecht und effizient umsetzen. Das reicht vom engen Kontakt mit der benannten Stelle während der Entwicklung über die Dokumentation aller Entwicklungsschritte, wie sie für die Risikoanalyse gebraucht wird, bis hin zum Nachweis aller Produktionsschritte. Damit werden jeder Kühlschmierstoff und jedes Reinigungsmittel erfasst, mit dem das Produkt in Kontakt kommen kann. Für die Experten von Beutter Präzisions-Komponenten sind solche Projekte Beispiele, die auch für andere Anwendungsfälle wegweisend sind.
Dr.-Ing. Wolf-Dieter Kiessling Beutter, Rosenfeld

Ihr Stichwort
  • Klasse-III-Implantate
  • Entwicklung und Fertigung
  • Fünf-Achsen-Fräsen
  • Partnerschaft mit zertifiziertem Spezialisten

  • Fertigungsexperten
    Beutter Präzisions-Komponenten in Rosenfeld ist ein Zulieferunternehmen, das sich auf die zerspanende Fertigung bei Kleinserienprodukten spezialisiert hat. Beliefert werden, neben dem klassischen Maschinenbau, Unternehmen der Medizintechnik, Messgerätetechnik, Luftfahrt und Wehrtechnik. Die maschinelle Ausstattung und die Organisation wie auch die Qualifikation der Mitarbeiter eignen sich für die Herstellung sensibler Produkte, aber auch für deren Weiterentwicklung und Fertigungsreifmachung in Zusammenarbeit mit Endanwendern. Neben Zertifizierungen des Qualitätsmanagementsystems für den allgemeinen Maschinenbau verfügt das Unternehmen über Zulassungen für Luftfahrtgeräte und medizintechnische Produkte, einschließlich Klasse-III-Implantate.
    Weitere Informationen: www.beutter.de
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