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Rauheit von Stahl und Titan schmilzt dahin

Laserpolieren: Glatte Oberflächen bieten keinen Halt für Bakterien
Rauheit von Stahl und Titan schmilzt dahin

Minimal gewellte, mit Laserstrahl polierte Oberflächen sind ideal für Medizintechnik und Lebensmittelproduktion. Keime lassen sich leicht davon abspülen, und das Verfahren ist günstiger und schneller als das Polieren von Hand.

Wer bei polierten Werkzeugen oder Titanteilen allein auf die DIN-Rauheit der Oberfläche schaut, übersieht womöglich die Vorteile eines neuen Verfahrens: Mit dem Laserpolieren haben Forscher vom Aachener Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (ILT) sehr gute Erfahrungen gemacht, auch wenn sie damit keine Bestmarken bei der Rauheit setzen.

Gebündelte Laserstrahlen schmelzen hier die Metalloberfläche gezielt auf. „Weil sich die Oberfläche einer Flüssigkeit immer glatt zieht, sind die Spuren des Fräsens verschwunden, sobald die Schmelze erstarrt“, erläutert ILT-Mitarbeiter Dr. Edgar Willenborg. Für seine Dissertation über das Laserpolieren haben ihn der Düsseldorfer Industrie-Club und das dortige Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen mit dem Wissenschaftspreis 2006 ausgezeichnet.
Ähnlich wie beim Polieren von Hand, gehen die Aachener schrittweise vor: Zunächst schmelzen sie Werkzeugstahl oder Titan bis in eine Tiefe von 50 bis 70 µm auf und reduzieren dann Schritt für Schritt die Tiefe. Im letzten Arbeitsgang, der nur die obersten 1 bis 2 µm betrifft, verschwinden auch kleine Unebenheiten. Danach ist die Oberfläche mindestens um den Faktor 20 glatter als vorher, im Labor ist sogar der Faktor 65 zu erreichen. „Das zeigt, welches Potenzial noch im Verfahren steckt“, sagt der Preisträger.
Mit den Resultaten der „Handwerkskunst“ eines erfahrenen Polierers kann sich der automatisierte Prozess zwar nicht messen. „Es gibt aber viele Anwendungen“, erläutert der Aachener, „in denen nur auf mittlere Qualität poliert werden muss.“ Nicht-Sichtflächen von Spritzgussformen gehören dazu oder Oberflächen, die für den Einsatz in der Medizintechnik oder der Lebensmittelbranche vor allem glatt sein müssen – zu glatt nämlich für Bakterien. „Bei solchen Anwendungen sind wir schneller und damit günstiger als jeder Handpolierer.“ Der veranschlagt pro Quadratzentimeter polierten Titans je nach Geometrie 5 bis 10 min Arbeitszeit. Der Laser glättet diese Fläche in vergleichbarer Qualität hingegen in 3 s.
Derzeit arbeitet die Gruppe mit Industriepartnern an einer Maschine, mit der auch dreidimensionale Werkstücke poliert werden können. Kugelkalotten und einfache Geometrien haben die Partner schon im Griff, und erste Maschinen sollen 2007 verkauft werden.
Das automatisierte Verfahren muss nicht das gesamte Polieren übernehmen. „Schon wenn sich der Handpolierer nur noch um den letzten Schliff kümmern muss, sinken die Arbeitskosten erheblich“, erläutert Willenborg. Natürlich müsse eine Maschine zum Laserpolieren ähnlich präzise positionieren können wie eine Werkzeugmaschine, und auch der Preis sei vergleichbar. Die Anschaffung lohne sich daher nicht, wenn es nur einzelne Teile zu bearbeiten gelte. Wenn das Polieren aber Alltag sei, bringe das Laserpolieren Verbesserungen – und auch für Betriebe, die als Job Shop agieren, sei es interessant. „Man darf nicht vergessen, dass kostspielige Handarbeit ihren Teil dazu beiträgt, dass der Werkzeug- und Formenbau allmählich in Niedriglohnländer abwandert.“
Die Grenzen des Laserpolierens sieht aber auch Willenborg. Sichtflächen von Spritzgussformen mit dem Laser zu polieren, sie die Königsdisziplin. Aus dieser Branche hätten sich bereits viele Interessenten gemeldet. Bis sie das Verfahren nutzen können, sei aber noch einiges an Verbesserungen erforderlich.
Häufig ließen sich die Anwender, die aus alter Gewohnheit nur nach dem angegebenen Rauheitswert fragen, von den Ergebnissen beim Laserpolieren abschrecken. „Wir sind aber stark darin, den Oberflächen auch unerwartete Eigenschaften zu verleihen“, betont ILT-Forscher Willenborg. Daher ist er überzeugt, dass schon im kommenden Jahr die ersten Anwendungen im Bereich der Medizintechnik angesiedelt sein werden.
Abgesehen davon, dass Bakterien an den glatten Oberflächen weniger Halt finden, hat das neue Verfahren auch Vorzüge beim Polieren von Titan. „Dieser Werkstoff ist mit konventionellen Methoden besonders schwierig zu beherrschen“, erläutert Willenborg. Zusammen mit Resten der Schleifpasten setze sich das zum Verschmieren neigende Material in kleinsten Unebenheiten ab. „Der Laser hat mit dem Titan aber gar keine Problem, im Gegenteil: Es schmilzt sogar besser als Stahl, so dass der Vorteil für den Anwender noch größer ist.“
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

Weniger Bakterien
Wie gut sich Bakterien von polierten Oberflächen abwaschen lassen, haben die ILT-Forscher in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Aachen untersucht.
Jeweils 12 etwa 1 cm² große Testflächen wurden von Hand, elektrisch und mit dem Laser poliert. Darauf brachten Wissenschaftler für die Milchverarbeitung relevante Bakterien auf und inkubierten die Versuchsteile für 48 h unter Bedingungen, die ein Bakterienwachstum ermöglichten. Nach dem Abspülen verblieben je nach Bakterienstamm auf den laserpolierten Oberflächen bis zu 60 % weniger Bakterien als auf den elektropolierten Oberflächen. Gegenüber handpolierten Teilen war der Laser sogar um 85 % besser, obwohl die handpolierten Flächen beim Vergleich der Rauheit nach DIN um den Faktor 5 besser abgeschnitten hatten.
Das ist laut Willenborg darauf zurückzuführen, dass beim Handpolieren die Schleifmittel winzige Kratzer zurücklassen, die den Bakterien Halt bieten. Die Mikrorauheit der laserpolierten Oberfläche hingegen sei sehr gut geeignet, die Anforderungen der Medizintechnik zu erfüllen: Die Mikroben gehen beim Abspülen einfach baden.

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