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PUR in der Praxis

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PUR in der Praxis

Da ausreagierende Polyurethane eine hohe Haftungsneigung zu metallischen Oberflächen entwickeln, werden in der diskontinuierlichen Verarbeitung Trennmittel eingesetzt, um einen prozesssicheren Verfahrensablauf zu gewährleisten. In der industriellen Praxis werden interne und externe Trennmittel verwendet. Allerdings lässt sich ein Trennmittelübertrag auf die Werkzeug- oder auch Bauteiloberfläche nicht vermeiden. Diese Mittel wieder zu entfernen, verursacht zusätzliche Arbeitsschritte und Kosten. So müssen die PUR-Bauteile zum Beispiel aufwendig von Trennmittelrückständen gereinigt werden, um ein anschließendes Lackieren oder Verkleben zu ermöglichen. Darüber hinaus reichern sich die Trennmittel im Laufe mehrerer Entformungszyklen auf der Werkzeugoberfläche an und bilden Ablagerungen, was zu einer schlechteren Abformgenauigkeit führt.


Ihr Stichwort
  • Trennmittelfreie Entformung
  • Release-Plas-System
  • Einsatz für die PUR-Fertigung
  • Additive und Formtemperatur beeinflussen Entformungskräfte

  • Mit dem richtigen Rezept entfallen die Ablagerungen

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    Entformung: Nur Beschichtung, aber keine Trennmittel mehr – in Zukunft auch für Polyurethane

    Durch das Anpassen der PUR-Rezeptur lassen sich deutlich niedrigere Entformungskräfte erzielen. Das ebnet den Weg zu einer sauberen und trennmittelfreien PUR-Produktion, wie ein Forschungsprojekt am Bremer Fraunhofer IFAM gezeigt hat.
    Das so genannte Release-Plas-Trennschichtsystem, mit dem die Forscher am Bremer Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM arbeiten, wurde für die Kunststoffverarbeitung entwickelt und lässt sich an unterschiedliche Anforderungen der Materialien, Verarbeitungsmethoden und Bauteilgeometrien anpassen. Die trennmittelfreie Fertigung von Polyurethan-Kunststoffen – kurz PUR – war bislang aber eine große Herausforderung. In einem industriellen Gemeinschaftsprojekt konnte nun gezeigt werden, wie sich die PUR-Rezeptur so anpassen lässt, dass die Entformungskräfte deutlich niederiger ausfallen. Die Ergebnisse sind für die Automobilbranche, die Medizintechnik, den Maschinen- und Anlagenbau oder die optische Industrie interessant.
    Bei dem vom IFAM entwickelten Release-Plas-Trennschichtsystem wird die Beschichtung direkt auf die Form aufgetragen. Sie bildet Oberflächenstrukturen sehr gut ab und kann in ihren Eigenschaften den Anforderungen angepasst werden. Die stark hydrophob und abweisend wirkende plasmapolymere Schicht besteht aus einem siliziumorganischen Netzwerk und hat sich für viele Kunststoffarten und Fertigungstechniken bewährt.
    In der Polyurethan-Verarbeitung bieten permanente Trennschichten bisher nicht die gewünschten Vorteile gegenüber konventionellen Trennmitteln. In der Regel ist die Trennwirkung nicht über längere Zeiten stabil, sodass auch hier kostenintensive Reinigungen und Wiederbeschichtungen notwendig sind. Auch wurde nachgewiesen, dass die Entformungseigenschaften reaktiver Polyurethane auf Trennschichten stark variieren, und zwar in Abhängigkeit vom PUR-System. Ablagerungen auf der Trennschichtoberfläche, die im Laufe weniger Entformungszyklen entstehen, steigern die Haftkräfte und beeinträchtigen die Trennwirkung.
    Durch aufwendige chemische und physikalische Analysen sowie oberflächentechnische Untersuchungen haben die Fraunhofer-IFAM-Forscher nun die Ursache für das Versagen des Trennmechanismus gefunden: Neben dem angestrebten Adhäsionsbruch zwischen Bauteil und Werkzeugoberfläche tritt ein weiterer Effekt auf, nämlich ein Kohäsionsbruch in der oberflächennahen Grenzschicht des Bauteils – der so genannten Interphase. Zum Zeitpunkt der Entformung ist diese Interphase des PUR nicht ausreichend stabil, sodass nanofeine Ablagerungen auf der Oberfläche des Werkzeugs verbleiben.
    Um Materialrückstände und somit einen vollständigen Adhäsionsbruch zur Trennschicht zu erzeugen, wurden alle Parameter untersucht, die die Stabilität der Interphase beeinflussen. Des Weiteren sollten Stabilisatoren wie oberflächenaktive Additive ausfindig gemacht werden.
    Um die Zusammenhänge bei der Interphasenbildung zu verstehen und diese zu beeinflussen, wurden zwei verschiedene, sich ergänzende Strategien verfolgt. Zum einen wurde der Einfluss der PUR-Rezeptur auf die Interphase analysiert. Verschiedene Inhaltsstoffe, wie Polyol, Isocyanat und der Katalysator, wurden verändert. Zum anderen wurde die Interphase des entstehenden PUR-Bauteils durch grenzflächenaktive Additive modifiziert und untersucht, wie Masse- und Formtemperatur die Fertigungsrandbedingungen beeinflussen.
    Unter praxisnahen Verarbeitungsbedingungen ergaben sich PUR-Modellrezepturen, die beim Entformen keine Ablagerungen auf der permanenten Trennschicht hinterlassen. Die Projektergebnisse zeigen, dass insbesondere das Polyol und der verwendete Katalysator einen deutlichen Einfluss auf das Entformungsverhalten haben. Darüber hinaus verbesserte ein Additiv die Entformbarkeit der getesteten PUR-Rezepturen in Kombination mit der Release-Plas-Trennschicht deutlich. Es wirkt nicht wie ein herkömmliches internes Trennmittel, da es nach aktuellem Kenntnisstand nicht aus dem Bauteil migriert. Das Additiv wird vielmehr in die molekulare Struktur des PUR eingebunden, sodass mit ihm deutlich höhere Werkzeugstandzeiten erzielt wurden. Dass ein geringer Unterschied der Formtemperatur die Trennkräfte erheblich senkt, muss ebenfalls in der Fertigung berücksichtigt werden.
    Neben den genannten Vorteilen ermöglicht die trennmittelfreie Produktion, auch unterschiedliche Oberflächeneigenschaften einzustellen. Insgesamt bietet das System daher eine einfache und wirtschaftliche Möglichkeit, zu nano- und mikrostrukturierten Oberflächen zu kommen. op
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