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Produkte müssen auch unter Stress sicher zu bedienen sein

Katastrophen- und Militärmedizin: Wachsendes Marktsegment mit besonderen Anforderungen
Produkte müssen auch unter Stress sicher zu bedienen sein

Produkte müssen auch unter Stress sicher zu bedienen sein
Timothy Boulton leitet bei Fritz Stephan Medizintechnik die Abteilung Sauerstoff-Versorgungs-Systeme
Das Unternehmen Fritz Stephan Medizintechnik erzielt einen Teil seiner Umsätze mit Aufträgen aus dem militärischen Bereich. Abteilungsleiter Timothy Boulton berichtet über die besonderen Anforderungen, die hier zu erfüllen sind.

Herr Boulton, wie kam Ihr Unternehmen zum Kontakt mit der Militärmedizin?

Es gab eine Anfrage der deutschen Marine, die sich 1999 an uns wandte. Damals sollten auf Schiffen der Bundesmarine Sauerstoff-Versorgungs-Systeme installiert werden, auf den so genannten Einsatzgruppenversorgern. Diese Schiffe haben unter anderem ein verlegbares, in Containern integriertes Krankenhaus an Bord. Die Anforderung war, unsere Anlagen in diese begrenzten Platzverhältnisse zu integrieren. Das haben wir erfolgreich bewältigt, und die guten Erfahrungen beim Einsatz der Anlagen führten zu weiteren Aufträgen – für den Einsatz auf Schiffen und in stationären Lazaretten, zum Beispiel in Afghanistan.
War der Einstieg für das Unternehmen eine heikle Entscheidung?
Wir sehen unsere ethische Verantwortung und unsere Aufgabe darin, zur Versorgung von Verletzten beizutragen, egal, woher deren Verletzung rührt. So gesehen war der Einstieg in dieses Marktsegment nicht heikel. Auf rechtlicher Seite gibt es allerdings Besonderheiten, die wir beachten müssen. Unsere Anlagen benötigen zum Teil sauerstoffbeständige Dichtungen. Ein Einsatz dieser Dichtungen ist auch beim Bau von Raketen möglich, und so müssen wir teilweise gesonderte Bestimmungen prüfen und gegebenenfalls Genehmigungen einholen, um unsere Anlagen zu exportieren. Wegen der technischen Eigenschaften dieser Dichtungen ist faktisch kaum eine Zweckentfremdung unserer Bauteile möglich. Trotzdem stellen wir natürlich sicher, dass alle Richtlinien eingehalten werden.
Welche technischen Anforderungen stellt das Segment des militärischen Einsatzes?
Unsere Sauerstoff-Versorgungs-Systeme sind multi-modular strukturiert: Um die Patientenversorgung zu sichern und den Service zu vereinfachen, sind sie immer mit mehrfacher Redundanz ausgestattet. Sauerstoff wird also dem Bedarf entsprechend produziert. Damit kamen wir den Anforderungen der Militärs sehr entgegen. Auch die Möglichkeit, Ersatzteile mitzuführen und Austauschteile einfach integrieren zu können, entsprach den Anforderungen für Krisengebiete. Selbst bei Einschüssen und teilweisen Ausfällen lässt sich die Anlage weiterbetreiben. Für den Einsatz bei Streitkräften gelten darüber hinaus militärische Standards, die wir erfüllen mussten. Beispielsweise müssen Anlagen, die in Containern oder auf Schiffen integriert werden, festgelegte Quer- und Längsbeschleunigungen aushalten. Die Bauweise im Container brachte es auch mit sich, extrem platzsparend vorzugehen und die Stromversorgung und die Klimatisierung optimal zu planen.
Welche Verpflichtungen haben Sie für Wartung und Reparatur im Ausland?
Die Standard-Gewährleistungsdauer ist wie überall auf zwei Jahre festgelegt. Diesen Bereich decken wir zumeist mit Technikern aus Deutschland ab. Allerdings haben wir die Vorgabe, keine Mitarbeiter in Gegenden zu schicken, in denen die Sicherheitsrisiken nicht einschätzbar sind. Für mobile Systeme, die in solchen Gebieten eingesetzt werden, gibt es natürlich die Möglichkeit, sie zur Wartung nach Deutschland zu holen. Wenn die Anlage stationär eingebaut ist, übernehmen Techniker der jeweiligen Streitkräfte die Wartung und Reparaturen. Geschult werden sie von uns in ihrem Heimatland. Das ist eine umfangreiche Aufgabe, da gerade in Krisengebieten die Teams alle etwa drei bis vier Monate wechseln. Aber zur Wartung der Anlagen in den afghanischen Lazaretten zum Beispiel sind unsere Mitarbeiter in das Land gereist.
Welche Erfahrungen haben Sie mit dem medizinischen Personal gemacht?
Da wir bisher Sauerstoff-Versorgungs-Systeme – also Anlagen – geliefert haben, hatten wir meistens mit den verantwortlichen Technikern und Apothekenpersonal zu tun. Wir werden künftig aber mehr Kontakt mit den Ärzten selbst haben, da wir unser Angebot im Bereich Beatmungsgeräte ausbauen. Bisher hatten wir ausschließlich Produkte für Früh- und Neugeborene. Nun kommt ein Notfallbeatmungsgerät hinzu, das sich für Erwachsene und auch im militärischen Einsatz nutzen lässt. Die besonderen Situationen, in denen Ärzte damit umgehen, müssen sich natürlich in unseren Gebrauchstauglichkeitsuntersuchungen widerspiegeln. Das Gerät muss eben auch in einem Panzer oder Hubschrauber unter Beschuss und damit unter extremen Stressbedingungen sicher bedienbar sein.
Welchen Anteil am Umsatz generieren Sie über militärische Anwendungen?
Wir haben drei Segmente im Unternehmen: Beatmungsgeräte, Anästhesiegeräte und Sauerstoff-Versorgungs-Systeme. Bei letzteren kommen mittlerweile mehr als 50 Prozent des Umsatzes aus dem militärischen Bereich, Tendenz steigend.
Der Medizintechnik-Markt ist international. Auch im militärischen Umfeld?
Lieferanten aus dem eigenen Land stehen für Streitkräfte – auch aus kommunikationstechnischen Gründen – meist im Vordergrund. Es sei denn, es geht um technische Besonderheiten, die wenige Unternehmen bedienen. Das ist bei unseren Anlagen zum Teil der Fall. Ab einem gewissen Projektumfang müssen Aufträge aber auch europaweit ausgeschrieben werden. Wir beliefern heute nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die NATO, und haben Anlagen im Einsatz für militärische Auftraggeber unter anderem aus Frankreich, Spanien, Großbritannien, aber auch aus Indien und Australien.
Was erhoffen Sie sich von der Dimimed-Konferenz während der Medica?
Wir wollen eine Neuheit bekannt machen: ein System zur Versorgung von Lazaretten und mobilen Krankenhäusern, aber auch zum Befüllen von Druckgasflaschen mit medizinischem Sauerstoff im Feldeinsatz. Es ist so kompakt, dass es von vier Mann getragen werden kann. Dieses robuste Systeme ist mittels Hubschrauber, Jeep oder Pick-up verlegbar, was die Logistik vereinfacht. Das ist enorm wichtig, sowohl in der Notfall- und Katastrophen-Medizin, als auch für die Streitkräfte im Feldeinsatz. In dieser Nische haben wir kaum Wettbewerber. Und wir werden das schon erwähnte Notfallbeatmungsgerät präsentieren, das Anfang 2014 auf den Markt kommen soll.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen Die Fritz Stephan Medizintechnik GmbH, Gackenbach, stellt neben den Sauerstoff-Versorgungs-Systemen auch Beatmungssysteme und Anästhesiegeräte für Medizin und Veterinärmedizin her. www.stephan-gmbh.com Auf der Medica: Halle 11, Stand E21

Erste Konferenz zur Militärmedizin
Im Rahmen der diesjährigen Medica in Düsseldorf findet erstmals die „International Conference on Disaster and Military Medicine – Dimimed“ (Konferenz für Katastrophen- und Militärmedizin) statt. Militärmediziner aus aller Welt erläutern am 21. und 22. November im Congress Center Düsseldorf (CCD Süd) ihre Strukturen und die Formen der internationalen Zusammenarbeit. Sie beschreiben die Aufgaben sowie die speziellen Arbeitsbedingungen.
„Die Militärmedizin bietet ein beachtenswertes, oft unterschätztes Potenzial, sagt Heike Lange, Geschäftsführerin des Veranstalters, der Beta Verlag und Marketinggesellschaft mbH in Bonn. Gleichzeitig biete die Medizintechnik-Industrie geeignete Geräte und Lösungen für die individuelle Situation der Militär- und Katastrophenmedizin. Eine Fortsetzung der englischsprachigen Dimimed-Konferenz im nächsten Jahr ist geplant.

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