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Patienten in der Warteschleife

Modell Private Public Partnership: Staat kann Gesundheitswesen kostengünstig modernisieren
Patienten in der Warteschleife

Krisengebeutelt und zum Sparen gezwungen, verfolgen Spanien und Portugal im Gesundheitsbereich dennoch ehrgeizige Ziele. Es gibt Nachholbedarf. Und trotz Preisdruck gilt die Medizintechnik weiter als interessanter Wachstumsbereich.

Sonne, Strand und Senioren: Spanien zieht deutsche Ruheständler an, mehr als 600 000 von ihnen leben zeitweise oder ständig im Lande. Werden sie krank im Altersparadies, suchen viele einen der zahlreichen deutschen Privatärzte auf. Dabei stehen den Rentnern aus Alemania die Türen zum kostenfreien öffentlichen Gesundheitssystem offen – wie allen Touristen aus der Europäischen Union. Auch im Nachbarland Portugal kommen Kranke in den Genuss der freien Gesundheitsversorgung des Staates.

Lange Wartezeiten sind freilich in der staatlichen Leistung inbegriffen. Nach Angaben der Deutschen Botschaft in Madrid standen zuletzt fast 400 000 Menschen auf einer der Wartelisten für einen Krankenhausplatz. Problem erkannt – zwischen 2003 und 2008 haben sich die staatlichen Ausgaben im Gesundheitssektor mehr als verdoppelt, die Aufwendungen im privaten Sektor stiegen um über 40 %. In Portugal, wo Patienten im Schnitt dreieinhalb Monate auf eine Operation warten müssen, nutzt heute ungefähr jeder Dritte die privaten Einrichtungen.
Der Nachholbedarf ist groß. Bei der Versorgung mit Krankenhausbetten zählen Spanien und Portugal zu Europas Schlusslichtern, und es gibt viel zu tun angesichts der kommenden Herausforderungen. Spanien ist zwar ein recht junges Land – der Anteil der 25- bis 64-Jährigen liegt bei 75 % –, aber es hatte in den vergangenen 20 Jahren wegen der Zuwanderung einen Bevölkerungsanstieg um 17 % auf 46 Mio. Einwohner zu verkraften. Die Geburtenrate ist eine der niedrigsten überhaupt, die Lebenserwartung eine der höchsten.
Um den Gesundheitssektor weiter nach vorne zu bringen, muss der Staat tüchtig Geld in die Hand nehmen. Dabei leiden Spanien wie Portugal unter einer sinkenden Wirtschaftsleistung und hoher Arbeitslosigkeit. Sie müssen den Rotstift ansetzen.
Investieren, modernisieren und gleichzeitig sparen: Wie sich das miteinander vereinbaren lässt, beweisen Private Public Partnerships, wie sie in Spanien seit 1997 möglich sind. In der Region Murcia im Südosten des Landes wurden kürzlich mit deutscher Beteiligung zwei neue staatliche Krankenhäuser in öffentlich-privater Partnerschaft eröffnet. Siemens Healthcare stattet die Krankenhäuser in Cartagena und Mar Menor mit mehr als hundert Bildgebungssystemen wie Computertomographen, Mammographiesystemen oder Ultraschallgeräten aus – ein Großauftrag über 132 Mio. Euro. Der deutsche Hersteller, der in Spanien selbst mobile Röntgengeräte für den internationalen Markt produziert, kümmert sich um die Instandhaltung und gibt eine Innovationsgarantie. Auch in Portugal setzt der Staat auf privates Management in öffentlichen Einrichtungen.
„Mit Public Private Partnerships können wir die Qualität unseres Gesundheitswesens bei einem guten Kosten-Nutzen-Verhältnis verbessern“, lobt Maria Angeles Palacio, die Gesundheitsministerin der Region Murcia, das mit Siemens realisierte Projekt. Anders als im 11 Mio. Einwohner zählenden Portugal, wo Gesundheitseinrichtungen zentral geplant, errichtet, betrieben und verwaltet werden, ist das System in Spanien dezentral organisiert und Sache der 17 Regionen. Die regionalen Unterschiede sind groß.
Bei der Medizintechnik weisen beide Nachbarländer ein starkes Außenhandelsdefizit auf. Rund 80 % der medizinischen Ausstattung wird eingeführt, vor allem Hochtechnologie kommt aus dem Ausland. In Spanien, wo das Marktvolumen 2009 etwa 3,6 Mrd. Euro betrug, bedeutet dies: in erster Linie aus Deutschland und den USA. Spanien ist vor Deutschland das wichtigste Lieferland für den portugiesischen Markt. „Dieser Umstand ist unter anderem durch die Vielzahl von internationalen Unternehmen begründet, die in Spanien eine Niederlassung haben und von dort aus auch Portugal bedienen“, erklärt der aktuelle Branchenbericht von Germany Trade and Invest (GTAI).
„Das spanische und das portugiesische Gesundheitssystem durchlaufen einen sehr starken Kostenreduzierungsprozess, und das Preisniveau ist sehr wettbewerbsorientiert“, beschreibt Manuel Jiménez, der Geschäftsführer von B. Braun Spanien, die aktuelle Lage. Beide Märkte böten jedoch gute Möglichkeiten, wenn die angebotenen Produkte oder Dienstleistungen dazu beitragen, die Gesundheitsressourcen effizienter zu nutzen. Großes Interesse bestehe auch, wenn es darum geht, die Sicherheit von Patienten und Personal zu verbessern. Die B. Braun Melsungen AG erwarb 1992 einen spanischen Zulieferer und etablierte sich in Rubí, nahe Barcelona. Heute zählt das Unternehmen in Spanien rund 2000 Mitarbeiter, die in Forschung und Entwicklung, der Produktion und im Vertrieb tätig sind. Hergestellt werden unter anderem Nahtmaterial, chirurgische Netze und Infusionslösungen.
Rubí ist heute Referenzzentrum der B.-Braun-Gruppe für die strategische Geschäftseinheit Wundverschluss und zudem eines der größten Produktionszentren für Infusionslösungen. 80 Mio. Euro hat das Unternehmen in eine neue Anlage mit dem Namen LIFT (Lean Infusion Factory Technology) in Rubí investiert, die noch im April die Produktion aufnimmt. Die 150 Beschäftigten von B. Braun in Portugal sind hauptsächlich im Handelsbereich tätig.
Trotz der heftigen Krise und trotz des Preisdrucks gelten Spanien wie Portugal weiter als interessante Märkte für Medizintechnik. So sieht dies auch Jürgen Kiesel, Area Manager Südeuropa bei der Sirona Dental GmbH in Salzburg, einer Tochtergesellschaft der Sirona Dental Systems GmbH, Bensheim. Der Hersteller dentaler Ausrüstungsgüter vertreibt seine Produkte in Spanien über das Handelsunternehmen Henry Schein, Inc. sowie regionale und produktspezifische Händler, unterstützt durch drei eigene Mitarbeiter vor Ort; in Portugal arbeitet Sirona mit zwei Händlern zusammen. Zwar sei der Markt aufgrund der Wirtschaftskrise stark geschrumpft, erklärt der Südeuropa-Experte, aber das werde nicht von Dauer sein. Und in Spanien herrsche gerade für deutsche Hersteller ein sehr gutes Klima, sagt Kiesel: „Das wird jetzt noch ein, zwei Jahre Auswirkungen haben und dann wird das wieder ein sehr interessanter Wachstumsmarkt sein: Da habe ich überhaupt keine Zweifel.“
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