Startseite » Allgemein »

Normkonform, aber flexibel

Softwareentwicklung: Wie der Dienstleister mit dem Hersteller zusammenarbeitet
Normkonform, aber flexibel

Wer seine Entwicklung den Medtech-Regeln entsprechend dokumentieren muss, beschränkt sich am besten auf wenige Möglichkeiten. Trotzdem müssen Vorgaben nicht zu Fesseln werden, wie das Beispiel des auf Software und Elektronik spezialisierten Dienstleisters Ferchau zeigt.

Ohne Software läuft in den meisten Lebensbereichen nichts mehr – so auch im Gesundheitsbereich. Immer komplexer werden die Systeme, sie arbeiten vernetzt und werden schon längst nicht mehr an nur einer Stelle entwickelt. Nicht nur beim Entstehen eines Medizinproduktes selbst, sondern auch beim Entwickeln der Software haben häufig externe Dienstleister ihre Hände mit im Spiel.

Damit dabei die Zusammenarbeit mit dem Hersteller reibungslos funktioniert, müssen viele Details geregelt sein. Über die allgemein üblichen Regeln der Teamarbeit hinaus müssen beim Entwickeln von Medizinprodukten natürlich noch die gesetzlichen Vorgaben berücksichtig werden, damit das Produkt am Ende weder für die Patienten noch für die Bediener Risiken birgt. Unter diesen Voraussetzungen besteht jedoch schnell die Gefahr, dass durch zahlreiche Vorgaben jegliche Flexibilität im Projekt unterbunden ist.
Dass das nicht so ein muss, zeigt das Beispiel der Ferchau Engineering GmbH. Deren Technisches Büro ESM in Mannheim ist auf die Entwicklung von Elektronik und Software spezialisiert und arbeitet vor allem mit Medizintechnikfirmen der Region Rhein-Neckar zusammen.
Um flexibel zu bleiben, haben die Mannheimer in ihren Verfahren des Qualitätsmanagements nicht nur ein Szenario für einen Werkvertrag mit einem Medizinproduktehersteller beschrieben. Dieser hat vielmehr die Möglichkeit, zwischen vier Stufen der Integration zu wählen. Das Spektrum reicht von der vollständigen Übernahme der Softwareentwicklung durch den Dienstleister bis zu einer Variante, in der sich die Externen den Kundenprozessen anpassen.
Folgende Möglichkeiten sind derzeit denkbar:
  • Der Dienstleister führt die gesamte Entwicklung durch und übernimmt auch die Verifizierung der Software.
  • Der Auftraggeber übernimmt die Projektleitung sowie die Software-Entwicklung. Der Dienstleister verifiziert das Ergebnis.
  • Der Auftraggeber übernimmt die Projektleitung. Der Dienstleister entwickelt die Software. Die Software-Verifizierung liegt dann wieder beim Auftraggeber.
  • Der Auftraggeber übernimmt die Projektleitung und arbeitet mit zwei Dienstleistern zusammen. Der eine entwickelt die Software, der andere verifiziert sie.
Varianten zwischen diesen Szenarien sind ebenfalls realisierbar. Unabhängig davon, welches Szenario die Zusammenarbeit bestimmt, müssen beide Vertragsparteien die Aufgaben und Verantwortlichkeiten verteilen und in jeweils eigenen Plänen festschreiben. Für den Auftraggeber reicht es, in seinem Software-Entwicklungsplan (SEP) und dem Software-Verifizierungsplan (SVP) zu definieren, was „der Dienstleister“ alles zu tun hat. Das Software-Team des Dienstleisters geht dann in seinem SEP weit mehr ins Detail und benennt Rollen und Verantwortlichkeiten einzelner Mitarbeiter.
Im regulierten Umfeld für Medizinprodukte muss jedoch weit mehr festgelegt und dokumentiert werden. Welche Softwarewerkzeuge wurden verwendet? Wann? Bei Ferchau ist daher in SEP und SVP benannt, welche Infrastruktur genutzt wurde und welche Komponenten zur Tool Chain gehören. Da die Eigenschaften der Tools die Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten über Firmengrenzen hinweg beeinflussen, darf diese Information nicht vernachlässigt werden.
Auf den Einsatz von Open Source Tools muss ein Hersteller nicht verzichten, wenn er sich einen Dienstleister ins Boot holt. Als Source Code Datenbank kommt zum Beispiel das Tool „Subversion“ in Frage, als Collaboration-Tool zur Fehlerverfolgung und Beseitigung ist „Trac“ zu nennen, und „Alfresco“ wird häufig als Dokumenten-Datenbank verwendet. Da diese Tools zunehmend internetfähig sind, lassen sie sich teamübergreifend zu vertretbaren Kosten in eine Entwicklungslandschaft einbringen. Der Medizinproduktehersteller kann sich dabei auf ihre Nutzung beschränken – Pflege und Administration übernehmen Spezialisten des Dienstleisters projektübergreifend.
Werden solche Tools bei der Entwicklung von Medizinprodukten eingesetzt, muss auch diese Tatsache dokumentiert und geregelt werden. Gleiches gilt für die Rollen der Beteiligten.
Dass es für die Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Entwicklungsdienstleistern klare Regeln in Form der Normen 13485 und 62304 gibt, hat der Branche geholfen und zu einem erheblichen Strukturaufbau beigetragen: Die Entwicklungskapazitäten für Medizinprodukte-Software sind in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen.
Thomas Huber Leiter Technisches Büro für Elektronik, Software und Medizintechnik, Ferchau Engineering, Mannheim

Der Dienstleister
Die Ferchau Engineering GmbH hat sich mit ihrem Technischen Büro ESM in Mannheim auf die Entwicklung von Elektronik und Software spezialisiert. Erfahrung mit der Arbeit nach EN 13485 und EN 62304 haben die Mitarbeiter seit mehreren Jahren gesammelt. Das Unternehmen ist EN 9001 zertifiziert. Um die EN 13485, EN 62304 und 14971 umzusetzen und zu erfüllen, wurde ein zusätzlicher Satz an Verfahrens- und Arbeitsanweisungen sowie Formularen und Templates erstellt oder modifiziert. Werkverträge können alternativ nach EN 13485 oder nach EN 9001 bearbeitet werden.

Normen und Software- Entwicklung
Ingenieurs- und Softwaredienstleistungen sind zu unverzichtbaren tragenden Säulen geworden, wenn Medizingeräte entwickelt und hergestellt werden. Die Richtlinie 2007/47/EG der Europäischen Union geht direkt auf diesen Umstand ein. Wer als Hersteller Aufgaben an externe Entwicklungspartner vergibt, muss die Qualitätssicherungssysteme seiner Zulieferer angemessen kontrollieren.
Die 4. Novelle des Medizinproduktegesetzes, die im vergangenen Jahr in Kraft trat und für Hersteller und Lieferanten in Deutschland bindend ist, berücksichtigt dies ebenfalls. Drei Normen sind demnach die Basis einer richtlinienkonformen Softwareentwicklung für Medizinprodukte:
DIN EN ISO 13485 – Medizinprodukte – Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen für regulatorische Zwecke
DIN EN 62304 – Medizingeräte-Software – Software-Lebenszyklus-Prozesse
DIN EN ISO 14791 – Anwendung des Risikomanagements auf Medizinprodukte
Zusätzlich ist die ISO/TR 14969 als technischer Bericht eine hilfreiche Anleitung, wie die EN 13485 anzuwenden ist. Die Basis der EN 13485 ist übrigens die EN 9001, aus der Inhalte zum Teile unverändert übernommen wurden.

Ihr Stichwort
  • Entwicklungsdienstleister
  • Qualitätsmanagement
  • Open Source Software
  • Dokumentation der Tool Chain
  • Zertifizierung
  • Unsere Webinar-Empfehlung
Aktuelle Ausgabe
Titelbild medizin technik 2
Ausgabe
2.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Titelthema: PFAS

Medizintechnik ohne PFAS: Suche nach sinnvollem Ersatz

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten

Aktuelles Webinar

Multiphysik-Simulation

Medizintechnik: Multiphysik-Simulation

Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de