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Nachrüsten ist nur schwer möglich

Medizinprodukterecht in Nordamerika: Auf dem Weg zu einer stärkeren Harmonisierung
Nachrüsten ist nur schwer möglich

Nachrüsten ist nur schwer möglich
Hans-Werner Zeller ist Manager Electro-Medical & Technology, Europe, bei der CSA Group. Das Unternehmen begleitet Hersteller bei Fragen zum Markteintritt
Auch wenn sich bei der FDA der Trend zur Harmonisierung mit internationalen Anforderungen abzeichnet, müssen Hersteller beim Markteintritt in Nordamerika noch einige Extras bieten. CSA-Experte Hans-Werner Zeller empfiehlt, das schon in der Entwicklung zu berücksichtigen.

Herr Zeller, wie interessant ist der nordamerikanische Markt aktuell für die Medizintechnik-Branche?

Wer mit Hightech-Medizinprodukten in den kanadischen und US-amerikanischen Markt will, trifft dort derzeit auf sehr günstige wirtschaftliche Bedingungen. Die Kombination aus starkem Dollar und schwachem Euro macht Top-Geräte für die Kunden günstiger. Daher muss man Nordamerika als einen sehr interessanten Markt bezeichnen.
Haben die Anwender dort andere Erwartungen als man das aus Europa kennt?
Am meisten schätzen die Ärzte auch dort die neuesten Geräte und wollen gern mit dem arbeiten, was in ihrem jeweiligen Fachgebiet am weitesten entwickelt ist. Die Erwartungen an die Funktionen oder auch die Gebrauchstauglichkeit entsprechen aber im Wesentlichen dem, was man aus Europa oder dem internationalen Umfeld kennt.
Unterscheiden sich die regulatorischen Aspekte vom europäischen oder internationalen Umfeld?
Es gibt in den Vereinigten Staaten und auch in Kanada nationale Vorgaben, die von den internationalen abweichen. Zwar strebt die FDA an, ihre Vorgaben stärker an internationale Normen und Richtlinien anzulehnen und das global anerkannte Sicherheitsniveau zu akzeptieren. Darin sehe ich sehr wohl einen Trend für die Zukunft, und das lässt sich auch anhand von Beispielen aus den vergangenen Jahren belegen, die die Usability der Produkte oder das Risikomanagement betreffen. Dennoch gibt es einige spezielle Regeln für den nordamerikanischen Markt.
Welche sind das im Einzelnen?
Die kanadische Medical Device Regulation entspricht weitgehend der europäischen Medical Device Directive. Die Medizinprodukte werden auch hier Klassen zugeordnet und müssen entsprechend der Zuordnung unterschiedliche Anforderungen erfüllen – wobei aber die Klassen in Kanada und Europa nicht identisch sind. Eine weitere Besonderheit ist, dass das Qualitätsmanagementsystem des Herstellers von einer autorisierten Stelle zertifiziert werden muss. In den USA gibt es zwar keine allgemeingültigen Gesetzesvorlagen für den Vertrieb von Medizinprodukten, aber der Inverkehrbringer muss die FDA Guidance erfüllen. Für risikoarme Produkte können die Formalitäten dafür mit einem schriftlichen Antrag und einer Dokumentation nach dem 510-k-Prozess relativ schnell erledigt sein. Für Produkte höherer Risikoklassen reichen die Vorgaben bis hin zu eigenen klinischen Erprobungen für den US-amerikanischen Markt. In einzelnen Staaten der USA kann es sogar passieren, dass ein lokaler Inspektor die Produkte noch begutachtet, bevor sie in Verkehr gebracht werden dürfen. Da ist es sehr hilfreich, wenn der Hersteller – oder sein lokaler Partner – das Zertifikat eines anerkannten Prüflabors vorweisen kann.
Welche Prüflabors kommen für solche Zertifizierungen in Frage?
Alle diejenigen, die als National Recognized Testing Laboratory, also NRTL, in der Liste der OSHA geführt sind, der Occupational Safety & Health Administration. CSA beispielsweise ist so eine anerkannte Organisation. Wir testen Produkte und stellen auch entsprechende Zertifikate aus, wenn ein Produkt die Sicherheitsvorgaben des jeweiligen Landes erfüllt.
Was ist in Fragen der Sicherheit in Nordamerika gefordert?
Je nachdem, um welches Produkt es sich handelt, können bis zu zehn spezifische Anforderungen eine Rolle spielen, die es sonst im globalen Vergleich nicht gibt. Der National Electric Code NEC oder auch der Canadian Electric Code CEC zum Beispiel gehen über die internationalen Regeln hinaus. Ein fertig entwickeltes Produkt gemäß dieser zusätzlichen Anforderungen umzurüsten, ist meist schwierig. Daher empfiehlt es sich, schon relativ früh in der Entwicklung zu entscheiden, ob das Produkt später auch in Nordamerika eingesetzt werden soll. Wenn das zutrifft, sollte man die Besonderheiten von Anfang an berücksichtigen. Dienstleister wie CSA haben umfassendes Wissen über die für das jeweilige Produkt relevanten Anforderungen – und wir haben schon viele Hersteller auf dem Weg von der Entwicklung bis zum Markteintritt begleitet.
Welche Dienstleistungen bietet CSA an?
Wenn wir eine Entwicklung begleiten, beeinflussen wir nicht das Design für das Produkt. Aber wir lenken schon zu Beginn die Aufmerksamkeit der Entwickler auf die Anforderungen der Länder, in denen das Produkt vermarktet werden soll. Wir unterstützen die Hersteller dabei, eine Dokumentation zu erstellen, die den Anforderungen der FDA genügt, und kooperieren mit Spezialisten in Fragen der Qualitätssicherungssysteme sowie der Normeninterpretation. So lässt sich überprüfen, inwieweit der Hersteller schon konform mit den kanadischen oder US-amerikanischen Vorgaben arbeitet. Wobei man sagen muss, dass rund 80 Prozent der Anforderungen an das Qualitätsmanagement in den USA erfüllt sind, wenn ein Unternehmen gemäß der DIN ISO 13485 arbeitet oder zertifiziert ist. Die von der FDA in der Guidance 21 CFR Part 820 beschriebene Good Manufacturing Practice geht aber doch ein Stück darüber hinaus. CSA betreibt des Weiteren in vielen Ländern Prüflabors, in den Produkte getestet und zertifiziert werden, so dass es beim Markteintritt keine Verzögerungen mehr gibt.
Wie aufwendig ist das Zulassungsverfahren für den nordamerikanischen Markt insgesamt?
Wenn Produkte niedriger Risikoklassen den nationalen Sicherheitsvorgaben entsprechen, ist der Prozess zum Teil in drei Monaten abgeschlossen. Das gilt für Kanada wie auch für die USA. Bei Produkten höherer Risikoklassen müssen mehr Unterlagen und Dokumentationen vorgelegt, gegebenenfalls sogar klinische Tests durchgeführt werden, so dass hier ein Jahr oder länger bis zum Markteintritt vergehen kann.
Was empfehlen Sie für einen erfolgreichen Markteintritt?
Sich so früh wie irgend möglich mit einem Dienstleister zusammenzutun, um die Einzelheiten zu besprechen und sie schon in der Entwicklung umzusetzen. Eine entsprechende Unterstützung in der eigenen Muttersprache ist dabei durchaus üblich, denn ein international arbeitender Dienstleister ist in der Regel in vielen Ländern und an vielen Standorten mit seinen Experten vertreten.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen Über den Zertifizierungsspezialisten: www.csagroup.org
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