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Mit voller Verdampfung voraus

Neuartiger Antrieb: Ultraschall-Verdampfung bewegt therapeutische Mikromaschinen
Mit voller Verdampfung voraus

Eine Mikromaschine US-amerikanischer Forscher enthält biokompatible Perfluorkohlenstoff-Verbindungen als Treibstoff. Unter Ultraschalleinfluss verdampfen diese schlagartig und schießen die medikamentenbeladene Maschine ins Gewebe.

Mikroskopisch kleine U-Boote, die durch unser Blut schwimmen und verstopfte Arterien wieder frei schaufeln oder bösartige Tumore zerschießen – so utopisch, wie sich dies anhört, ist es gar nicht. Verschiedene Ansätze für Mikro- und Nanomaschinen liegen bereits vor. Amerikanische Forscher stellten in der Zeitschrift Angewandte Chemie einen neuen Maschinen-Typus vor, der genug Antriebskraft haben soll, um in Gewebe einzudringen oder zelluläre Barrieren zu überwinden.

Bisherige Ansätze krankten daran, dass die winzigen Maschinen nicht genug Kraft hatten, oder es mangelte an der Biokompatibilität. Ein Team von der University of California in San Diego hat diese Herausforderung jetzt gemeistert, und die Forscher um Sadik Esener und Joseph Wang haben einen neuen Mikromaschinentyp entwickelt. Der verdankt seine Leistung einem Antrieb durch Ultraschall, der winzige Flüssigkeitströpfchen explosionsartig verdampft und die Maschinen wie ein Geschoss beschleunigt.
Die „Mikrogeschosse“ sind konisch zulaufende, mit Gold beschichtete Röhrchen im Mikrometer-Maßstab. Innen werden sie zudem mit einer speziellen biokompatiblen Substanz beschichtet, die in der Lage ist, winzige Emulsionströpfchen durch elektrostatische Anziehung fest zu binden. Die verwendete Emulsion basiert auf biokompatiblen Perfluorkohlenstoff-Verbindungen. Eine zusätzliche magnetische Komponente (Nickel) sorgt dafür, dass die Röhrchen mit einem externen Magnetfeld im Gewebe am gewünschten Ort in Stellung gebracht und ausgerichtet werden können.
Wird nun Ultraschall auf diese Stelle gerichtet, verdampfen die Tröpfchen schlagartig. Wie die Kugel in einem Gewehrlauf werden die Röhrchen durch die Mikro-Explosion abgeschossen. Je nach Abmessungen der Röhrchen, nach Größe und Zusammensetzung der Emulsionströpfchen und nach Stärke der Beschallung können Geschwindigkeiten um 6,3 m/s erreicht werden. Das ist etwa 100mal schneller als bisherige Mikromaschinen und reicht aus, um die winzigen Geschosse in ein Gewebe hineinzuschießen. Da sich der Treibstoff „an Bord“ befindet, ist der Antrieb von der Umgebung unabhängig.
Die denkbaren Anwendungen sind vielfälftig: Mithilfe der Mikrogeschosse könnte man Wirkstoffe tief in ein erkranktes Gewebe einbringen, Gene im Rahmen einer Gentherapie in Zellkerne schießen, Ablagerungen von Arterienwänden abtragen, Antitumorwirkstoffe gezielt in einen Tumor schießen und vielleicht Mikro-Operationen durchführen.
Ein erstes Einsatzfeld könnte die lokale Immunstimulation bei Blasenkrebs sein. Bei der konventionellen Therapie werden abgeschwächte Tuberkulose-Bakterien in die Harnblase eingebracht, wo sie eine oberflächliche Blasenentzündung auslösen. Das so aktivierte Immunsystem attackiert dann nicht nur die Tuberkuloseerreger, sondern auch die Tumorzellen. Stattdessen könnte man die Mikrogeschosse in die Blasenwand schießen, um die gewünschte Entzündungsreaktion auszulösen – ohne die Risiken und Nebenwirkungen der Bazillen.
Dr. Renate Höhr Gesellschaft Deutscher Chemiker, Frankfurt/Main
Weitere Informationen Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Angewandte Chemie im Juni 2012 veröffentlicht. http://dx.doi.org/10.1002/ ange.201201902

Ihr Stichwort
  • Mikrogeschosse
  • Perfluorkohlenstoff als Treibstoff
  • Geschwindigkeiten um 6,3 m/s
  • Medikamententransport
  • Mikrooperationen
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