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Medizintechniker brauchen den grünen Daumen

IT und Ökologie: Green IT fordert umweltfreundliche Materialien und Energieeinsparungen
Medizintechniker brauchen den grünen Daumen

Green IT ist auch in der Medizintechnik angekommen. Dies betrifft die Entwicklung energieeffizienter, aber auch umweltfreundlicher Geräte. Zudem lässt sich durch den intelligenten Einsatz von IT Energie im Medizinbereich einsparen.

„Green IT ist noch kein Flächenbrand im medizinischen Umfeld, wird aber zunehmend in der Realität umgesetzt – wenn sich die Lösung wirtschaftlich rechnet“, beobachtet Bernhard Calmer, Leiter Vertrieb bei Siemens Healthcare IT Deutschland. Dabei geht es nicht nur um das Einhalten von Umweltgesetzgebungen wie RoHS, WEE oder REACH. „Der Begriff der grünen IT ist wesentlich weiter gefasst, er meint die Umweltfreundlichkeit von Produkten über deren gesamten Lebenszyklus“, erklärt der Siemens-Manager. Gesetze oder Richtlinien, die festlegen, wann ein Produkt als grün gilt, gibt es bislang noch nicht. Doch ist allen Herstellern in der Wertschöpfungskette angesichts von Energie- und Ressourcenknappheit klar, dass sie handeln müssen.

Dies beginnt bei der Herstellung von Produkten mit dem Einsatz von Materialien und deren Recyclingmöglichkeiten. Greenpeace etwa setzt Elektronikhersteller regelmäßig auf ihre rote Liste, die etwa PVC oder bromierten Flammschutz einsetzen. Sabic beliefert Computerhersteller mit Polybutylentherephthalat-Kunststoffen, die zum Teil aus wiederverwertetem Kunststoffabfall wie PET-Wasserflaschen hergestellt werden. Das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und und Mikrointegration (IZM) hat Leiterplatten entwickelt, bei denen ein Teil des benötigten Erdöls durch Holz ersetzt werden kann.
Und Siemens hat unter anderem den Bleianteil seines Computertomographen Somatom Definition von 110 auf 19 kg gesenkt: Das Schwermetall wird nicht mehr zum Ausbalancieren des Geräts genutzt, sondern nur noch zum Abschirmen der Röntgenstrahlung. „Deshalb können wir natürlich nicht ganz auf Blei verzichten, die Gesundheit ist in dem Fall eindeutig ein höheres Gut als die Ökologie“, weist Calmer auf die Prioritäten in der Medizintechnik hin.
Somatom Definition ist auch ein Beispiel dafür, dass die Hersteller in der Medizintechnik daran arbeiten, den Energiebedarf der Geräte zu optimieren – „und das, obgleich sie immer höhere Auflösungen oder größere Magnetfelder generieren müssen“, so Calmer. So helfen Computeralgorithmen, dass auch bei niedriger Auflösung präzise und scharfe Aufnahmen entstehen. Dies spart Energie. Dass der Somatom Definition 30 % weniger Energie als vergleichbare Geräte benötigt, wurde durch einen neuen technologischen Ansatz für die Röntgenröhre realisiert. Zwei um 90 ° versetzte Röhren und eine Steuerung regeln die Strahlungsdosis abhängig von der untersuchten Körperregion. Dabei zeichnen zwei Detektoren gleichzeitig mehrere Zeilen in einem Arbeitsgang auf. So wird der Röntgenstrahl effektiver genutzt. Dies bringt eine Reduktion der Strahlendosis um 68 % – und deutliche Energieeinsparungen.
Neben der Reduzierung des Energieverbrauchs konzentriert sich die Forschung darauf, Energie aus alternativen oder erneuerbaren Quellen sowie aus der Umgebung zu generieren. Dazu gehören Temperatur, Vibrationen oder Luftströmungen. „Eine Mühle oder ein Fahrraddynamo sind nichts anderes als Energy Harvester“, sagt Dr. Olfa Kanoun, Professorin für Mess- und Sensortechnik der TU Chemnitz. Neu sei jedoch das beträchtliche Anwendungspotenzial, das sich begünstigt durch die Miniaturisierung ergebe. Sie forscht an einem Hörgerät, das keine Batterien mehr benötigt, sondern seine Energie aus der Bewegung des Kiefers beim Ohr erzeugt. Ein anderes Beispiel kommt aus dem belgischen Forschungszentrum IMEC, ein batterieloses Zwei-Kanal-EEG, das Körperwärme und Umgebungslicht zur Stromerzeugung nutzt.
„Doch Green IT heißt auch, durch IT-Technologie Energie für den Transport einzusparen“, sagt Calmer. Dazu zählt er telemedizinische Anwendungen, die dem Patienten die Fahrt zum Arzt ersparen, oder Videokonferenzen für Mediziner. „Und schließlich ist auch jede Verlängerung des Produktlebenszyklusses ökologisch sinnvoll – etwa durch eine professionelle Wiederaufarbeitung von medizinischen Geräten.“
Sabine Koll Journalistin in Böblingen

Grünes Zertifikat
Vielen Krankenhäusern ist mittlerweile bewusst, dass ihre Rechenzentren einen sehr hohen Energiebedarf haben, der sich durch den Einsatz moderner Technologien trotz weiter steigender IT-Leistung deutlich senken lässt. „Vor allem die Virtualisierung von Servern birgt enorme Potenziale“, sagt Bernhard Calmer, Leiter Vertrieb bei Siemens Healthcare IT Deutschland. Doch benötigen die Verantwortlichen klare Handlungsempfehlungen und eine konkrete Roadmap hin zum wirtschaftlichen und grünen IT-Betrieb. Die großen IT-Anbieter sind in diesem Umfeld beratend tätig. Darüber hinaus bieten der TÜV Rheinland und die Dekra ein herstellerunabhängiges Consulting an, an dessen Ende ein Zertifikat erlangt werden kann. Im Fall der Dekra führt das Münchner IT-Beratungshaus Experton Group die Anwender durch Green-IT-Assessments. Hier werden die technische Umsetzung im Rechenzentrum wie auch die dahinter stehenden Managementprozesse und Systeme analysiert und Schwachstellen identifiziert.
Der IT-Branchenverband Bitkom hat in einem Leitfaden die Punkte benannt, die es auf dem Weg zu einem grünen Rechenzentrum zu beachten gilt: Das Messen von Energiebedarf und Temperaturen im Rechenzentrum steht dabei an erster Stelle, bevor es an die Optimierung der IT-Hard- und Software, der Kühlung sowie der Stromversorgung geht.

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