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Kunststoff statt Bohrer

Schnellspritzgießen: Interdentalkeil aus Kunststoff unterstützt die bohrerlose Kariesbehandlung
Kunststoff statt Bohrer

Eine Innovation von DMG ermöglicht die bohrerlose Behandlung von Karies. Wichtige Komponente ist ein Interdentalkeil aus Kunststoff. Den Prototypen entwickelte und fertigt das Unternehmen im Schnellspritzgießverfahren gemeinsam mit Proto Labs.

Karies entsteht besonders gern in den engen Zahnzwischenräumen. Säureausscheidungen von Bakterien entziehen dem Zahnschmelz Mineralien. Nach einiger Zeit entsteht eine Initialkaries, in Form eines offenen Porensystems. In dieser Phase ist es fürs Fluoridieren oftmals schon zu spät und fürs Bohren noch zu früh. Der Zahnarzt hat in diesen Fällen bisher oft abgewartet, bis tatsächlich ein „Loch“ entstand, um dieses dann unter Verlust gesunder Zahnsubstanz zu beseitigen und zu füllen. Mit Icon hat DMG Dental Milestones Guaranteed GmbH aus Hamburg das weltweit erste Produkt zur Kariesinfiltration vorgestellt, das die Behandlung von Karies ohne Bohren zulässt. Die Erfindung sorgte für Aufmerksamkeit: 2010 wurde das Unternehmen mit dem Deutschen Innovationspreis bedacht und erhielt von den deutschen Zahnärzten die Auszeichnung zur innovativsten zahnmedizinischen Neuheit 2009.

Das Icon-Set für die Anwendung im Zahnzwischenraum besteht aus Kunststoff-Interdentalkeilen, einem Spritzenset aus Spezialkunststoff und Folienapplikatoren. Der Interdentalkeil hält die oftmals sehr eng stehenden Zähne auseinander. Der Folienapplikator bringt zunächst ein HCI-Gel auf, um die pseudointakte Oberfläche zu entfernen. Anschließend erfolgt eine Infiltration mittels eines dünnflüssigen Kunststoffes. Durch Kapillarwirkung dringt dieser tief in den Zahnschmelz ein und füllt das krankhafte Porensystem wieder auf. Die Aushärtung erfolgt durch UV-Licht.
„Sie können sich das Infiltrieren mit dem Spezialkunststoff vorstellen wie einen Würfelzucker, den Sie mit einer Ecke in den Kaffee halten“, erläutert Steffen Effenberger, Leiter der Technischen Entwicklung bei DMG, das Prinzip. „Entscheidend ist, dass Sie genügend Platz haben, um die gesamten Behandlungsschritte durchzuführen.“ Dafür sorgt ein recht unscheinbar wirkendes, spitz zulaufendes Kunststoffstäbchen, der sogenannte Interdentalkeil. „Die Zahnärzte verwenden diese Keile bereits bei anderen Behandlungen, allerdings sind diese normalerweise aus weichem Holz.“ Kunststoffkeile hatten bisher keinen guten Ruf. „Wir konnten Holzkeile jedoch nicht verwenden, da sich diese mit den bei der Behandlung eingesetzten Stoffen vollsogen. Also machten wir uns an die Entwicklung eines adäquaten Kunststoffkeils.“ Auch die übliche Dreieckform war ungeeignet, da die obere Ecke der Behandlung zu wenig Platz ließ. Das Team um Effenberger startete die erste Stufe: „Die Herausforderung bestand darin, einen universellen Standardkeil zu bekommen, der alle Arten von Zähnen ausreichend separieren konnte. Wir begannen damit, die Geometrie zu verändern. Zunächst schufen wir eine Trapezform im Querschnitt.“ Im ersten Anlauf hatte das Unternehmen mit dem hauseigenen 3D-Drucker rund zehn verschiedene Prototypen gefertigt. Für den Feldversuch waren diese aber ungeeignet, da sie über völlig andere Materialeigenschaften verfügten. Extra Werkzeugkosten für ein nicht felderprobtes Produkt zu generieren, war zu riskant, ganz abzusehen von der langen Vorlaufzeit. Dann entdeckte ein Mitarbeiter auf einer Messe die Rettung: das Schnellspritzgießverfahren Protomold von Proto Labs mit Aluminiumformen. „Wir brauchten dazu lediglich unsere 3D-SolidWorks-Daten auf die Proto-Labs-Internetplattform zu laden, um am anderen Tag bereits ein Angebot in den Händen zu halten“, so Effenberger.
Der Technische Entwicklungsleiter war überrascht von der Geschwindigkeit und der Zuverlässigkeit des Herstellers von Prototypenteilen und Kleinserien aus dem britischen Shropshire. Hatte das Unternehmen bisher Durchlaufzeiten von mehr als acht Wochen, reduzierte sich dies mit Proto Labs auf zwei bis drei Wochen, vom ersten Kontakt bis zum fertigen Teil. DMG lieferte sogar das eigene Kunststoffgranulat an Proto Labs, um den medizinischen Bestimmungen gerecht zu werden. „Von da an beschleunigte sich die Entwicklung rasant“, erinnert sich Effenberger. „Wir holten uns die Rückmeldung von den Zahnärzten und verbesserten unseren Interdentalkeil.“ Auf einiges konnte ganz verzichtet werden. Ein Bogen im unteren Bereich machte den Keil noch stabiler gegen Verdrehungen und dichtete optimal zu den Zahnfleischtaschen ab. Nach nur vier Wochen Entwicklungszeit präsentierte das Unternehmen Ende August 2011 die aktuelle Version.
Die ersten Lieferungen wurden komplett mit den Chargen von Proto Labs abgedeckt, bis das eigene Werkzeug aus Stahl für die Massenproduktion stand. „Unser angestammter Werkzeuglieferant war ebenfalls froh, dass wir mit Protomold eine Lösung für die Anlaufphase gefunden haben, da er nicht auf häufige Änderungen an Formen, Proto-typen und Kleinserien eingerichtet ist und wir mit unseren Wünschen den Ablauf eher gestört hätten“, so Effenberger.
Auch mit den Designtipps von Proto Labs, die das Unternehmen zur Realisierung des Modells erhalten hat, war der Entwicklungsleiter zufrieden. Aus diesem Grunde wurde das Protomold-Verfahren auch für ein Schraubteil auf der Spritze des Applikators verwendet.
  • Thomas Löffler Match Vertriebsmarketing, Balingen
  • Weitere Informationen Zum Prototypen-Hersteller: www.protolabs.de Zum Hersteller von Dental-Produkten: http://de.dmg-dental.com

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