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„Kleiner, stark, besser haftend“

Klebstoffe: Modifikationen ermöglichen breiteren Einsatz in der Medizintechnik
„Kleiner, stark, besser haftend“

Als flexibel einsetzbare und gut automatisierbare Fügetechnik ist das Kleben für die Medizintechnik zunehmend interessant. In Zusammenarbeit mit Herstellern und Anwendern entwickelt das IFW spezielle Modifikationen kommerzieller Klebstoffe.

Frau Dr. Basler, an Ihrem Institut nutzen Sie viele Fügeverfahren. Welche Bedeutung haben Klebe-Anwendungen in der Medizintechnik?

Der Anteil der Klebeanwendungen ist etwa so groß wie in anderen Branchen. Das Interesse aus der Medizintechnik steigt aber.
Was macht das Kleben so interessant?
Das Kleben ist kostengünstig und für unterschiedliche Werkstoffkombinationen geeignet, was in der Medizintechnik wichtig ist, da Glas, Kunststoff, Keramik und Metalle eingesetzt werden. Das Kleben kann bei Raumtemperatur erfolgen und gut automatisiert werden. Erwähnt werden muss ebenfalls, dass sich Verbindungsstellen ästhetischer und einfacher gestalten lassen und mehr Freiheiten bei der Kombination von Bauteilen sowie beim Design möglich werden.
Wo bietet das Kleben besondere Vorteile?
In der Medizintechnik geht es oft um Verschlusstechnologien, die sicher dicht sein und Belastungen durch den Kontakt mit Medien überstehen müssen. Mit Klebstoffen lässt sich das erfüllen. Darüber hinaus ist das Kleben dort interessant, wo hohe mechanische Stabilität, Beständigkeit und Leichtbau gefordert sind. Das Kleben hilft auch, Komponenten zu miniaturisieren, und damit ist es für Geräte der minimal- invasiven Chirurgie ebenso wichtig sowie für Sensoren, die für medizinische Anwendungen vorgesehen sind. Wenn es darum geht, solche Sensoren und „Steuergeräte“ im menschlichen Körper zu fixieren, wird ebenfalls geklebt.
Welche Klebstoffe kommen für die Medizintechnik in Frage?
Materialien außerhalb des Körpers können weitgehend mit Klebstoffen verbunden werden, die aus der Industrie bekannt sind. Sie müssen aber biokompatibel sein und beständig gegen alle gängigen Sterilisierungsverfahren, sehr gut auf den Oberflächen von Metallen und Kunststoffen haften und nach ISO 10993 und USP Klasse VI zugelassen sein – also eine höhere Reinheit, geringere Toxizität und bessere Medienbeständigkeit aufweisen als in der Industrie. Für Materialien, die wie Implantate im Körper geklebt werden sollen, sind Klebstoffe aus biologischen Materialien, wie zum Beispiel Fibrine, wichtig.
Wie gut werden die medizinischen Anforderungen durch vorhandene Industrie-Klebstoffe abgedeckt?
Welche Klebstoffe verfügbar sind, hängt natürlich von industriellen Anforderungen, sprich auch von den Umsatzzahlen ab. Deshalb wird kein Hersteller für eine Nischenanwendung einen speziellen Klebstoff entwickeln. Institute wie unseres können aber in Zusammenarbeit mit Klebstoffherstellern Modifikationen initiieren.
Um welche Modifikationen geht es dabei?
Drei wesentliche Eigenschaften sind betroffen: Erstens muss die Viskosität so eingestellt sein, dass der Klebstoff nicht verläuft, das Teil aber justiert werden kann. Um zweitens die Qualitätskontrolle zu erleichtern, werden fluoreszierende Substanzen zugesetzt – wie beispielsweise beim Kleben von Einwegspritzen. Hilfreich ist auch, wenn der Klebstoff bei einer Wellenlänge aus dem sichtbaren Bereich zum Aushärten gebracht werden kann, vor allem in der Dentaltechnik. Spezielle Farbzusätze können auch alternative Aushärteverfahren für einen Klebstoff ermöglichen, indem sich beispielsweise Laserstrahlung ankoppeln lässt. Drittens gilt es, die Haftung auf schlecht zu klebenden Oberflächen zu verbessern, denn haftvermittelnde Zusätze im Klebstoff können die Oberflächenaktivierung ersparen. Auch diese Möglichkeit wird in der Zahnmedizin bereits genutzt, wo bioverträgliche Füllstoffe eingesetzt werden.
Wie aufwändig sind die Modifikationen?
Für eine Neuzulassung nach ISO 10993 und USP Klasse VI ist der Aufwand sehr hoch, da alle Testverfahren durchlaufen werden müssen. Ein normales Entwicklungsprojekt oder eine Studie, die von zugelassenen Klebstoffen ausgehen, machen aber keine Neuzulassung erforderlich. Und die Modifikationen entstehen unter Mitarbeit der Klebstoffhersteller und stehen am Ende dem Markt für entsprechende Anwendungen zur Verfügung-
Welche Lösungen sind für das Kleben von Mikroteilen aussichtsreich?
Für solche Anwendungen müsssen geschlossene automatisierte Prozessketten mit einer Inline-Überwachung eingesetzt werden. Von Vorteil sind hier die erwähnten Klebstoffe mit Indikatoren.
Welche Forschungsansätze für neue Klebstoffe sind derzeit viel versprechend?
Klebstoffe auf natürlicher Basis sowie biologisch resorbierbare Klebstoffe sind sehr interessant. Daneben entstehen neue Möglichkeiten, die Oberflächen von Werkstoffen zum Kleben und Beschichten zu funktionalisieren. Außerhalb des technischen Bereichs entstehen Klebstoffschichten, die als Gewebeersatz genutzt werden können.
Woran arbeitet Ihr Institut derzeit?
Wir entwickeln Lösungen dafür, wie Sensoren für medizinische Anwendungen geklebt werden. Darüber hinaus arbeiten wir an Verschlusstechnologien für OLED, für die Laser-Glaslote benötigt werden. Weitere Projekte sind spezielle Fügeverfahren für Keramikimplantate, die mit anorganischen Klebstoffen verbunden werden, sowie Arbeiten zu Hüft- und Kniegelenken oder Gehörknöcheln.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen Dr. Ursula Basler, Tel. (03641) 204107 www.ifw-jena.de

Ihr Stichwort
• Automatisierung
  • Verbinden verschiedener Werkstoffe
  • Modifizierte Klebstoffe
• Zulassung für die Medizin
• Biologische Klebstoffe
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