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Kleine Kappen – große Technik

Spritzgießsystem: Prozess- und Komponenten-Know-how über alle Produktionsschritte hinweg
Kleine Kappen – große Technik

Anwendungen in der Medizintechnik stellen hohe Anforderungen an Spritzgießmaschinen und alle peripheren Komponenten in der Produktionslinie. Mit einer Komplett-Lösung lassen sich 96 Verschlusskappen für Blutentnahmeröhrchen pro Schuss fertigen und weiterverarbeiten.

„Wir verkaufen heute überwiegend Komplett-Lösungen nach den Vorgaben unserer Kunden. Das heißt: Der Kunde muss sich über die Details des Zusammenwirkens von Maschine und Peripherie keine großen Gedanken mehr machen – die Arbeit des Integrierens, Konfigurierens und der Feinabstimmung nehmen wir ihm ab“, stellt Dr. Patrick Blessing, Leiter Geschäftsbereich Medizintechnik bei der Netstal-Maschinen AG in Näfels, klar. „Dafür stehen uns eine breite Wissensbasis und ein großer Erfahrungsschatz zur Verfügung. Denn zu unserer Kernkompetenz der Entwicklung und Fertigung von Hochleistungs-Spritzgießmaschinen ist längst eine zweite gekommen: die Integration unterschiedlichster Komponenten, die nicht nur aus dem Hause Netstal kommen, zu optimierten Gesamtanlagen.“

Für diese Integrationsleistung hat Blessing ein aktuelles Beispiel aus dem Bereich der Medizintechnik parat. Ein international tätiger Hersteller von Hilfsmitteln für die Diagnostik suchte einen Spritzgießsystem-Lieferanten, der „alles aus einer Hand“ würde liefern können, und fand – einen alten Partner: Der Schweizer Hersteller erhielt den Auftrag für eine neue Anlage zur Herstellung von Kappen für Blutentnahmeröhrchen.
Die Blutentnahmeröhrchen aus dem Kunststoff PET (Polyethylenterephthalat) werden in Arztpraxen, Kliniken und Laboratorien eingesetzt, um schnelle Diagnose-Ergebnisse zu erhalten. In der Regel enthalten sie bereits chemische Zusätze und ein definiertes Vakuum, das das richtige Mischungsverhältnis des entnommenen Blutes zu den Chemikalien gewährleistet. Verschlossen sind sie mit Kunststoffstopfen. Die Kappen aus eingefärbtem PP (Polypropylen) als letzter Verschluss schirmen das „Mini-Labor“ gegen Einflüsse von außen ab. Ihre Farben dienen zudem der sicheren Unterscheidung der Proben.
Die neue Anlage zur Herstellung der Kappen sollte aus einer Spritzgießmaschine, einer Qualitätsweiche, einem Fördersystem und einer Karussell-Verpackungsstation bestehen. Eine entscheidende Vorgabe bestand darin, zu verhindern, dass einzelne Kappen im Laufe des Prozesses auf den Boden fallen. Außerdem galt es, vom Kunden bereitgestellte Mouldflo-Einheiten für die Durchfluss- und Temperaturkontrolle der Spritzwerkzeug-Kühlung einzubauen und prozesstechnisch zu integrieren. Reinraumtechnik war nicht erforderlich.
Besonders ehrgeizig war das Ziel, die 96 Kappen pro Spritzgießform und -vorgang mit Zykluszeiten von weniger als 5 s aus der Maschine fallen zu lassen. „Aber schon im internen Final Acceptance Test haben wir diese Marke mit 3,8 Sekunden um nahezu ein Viertel unterboten“, berichtet Blessing nicht ohne Stolz. „Wenn das System beim Kunden voll eingefahren ist, könnte sich diese Zeit noch weiter verringern. Solche Leistungswerte sind nur mit einer optimalen Integration aller Komponenten zu erreichen.“ Kernstück der Anlage ist eine Hochleistungs-Spritzgießmaschine Elion 4200-2000 mit einer 62-LP-Schnecke. Integriert sind mehrere Systemkomponenten anderer Hersteller. Die Qualitätsweiche ermöglicht es, auf Knopfdruck einen ganzen „Schuss“, also 96 Kappen, als Stichprobe aus der Produktion zu entnehmen und der Qualitätssicherung zu übergeben. Außerdem dient sie dazu, die gespritzten Teile unterhalb des Werkzeugs aufzufangen. Um den „Absturz“ von Kappen auf den Boden zu vermeiden, wurden sowohl Weiche als auch Ausfallschacht mit zusätzlichen Abdeckungen versehen.
Auch das fremd bezogene Luftfördersystem und die darin enthaltene Ausschussweiche waren in das System zu integrieren. Und das in mehreren Richtungen. Zum einen muss die Ausschussweiche Signale von der Maschine erkennen und darauf reagieren, denn die Maschine registriert Abweichungen des Spritzgießprozesses von den vorgegebenen Parametern, die zu Schlechtteilen führen. Diese Information gibt sie an die Ausschussweiche weiter, die solche Teile dann automatisch aus dem Prozess aussteuert.
Die zweite Anbindung des Luftfördersystems geht upstream in Richtung Verpackungskarussell. Dort werden die fertigen Blutentnahmeröhrchenkappen in Säcken zu je 5000 Stück abgefüllt. Bei jedem Karussell-Vorschub, also beim Sackwechsel, ist eine Pause für das Fördersystem angesagt. Diese kurze Abschaltung bedarf ebenfalls eines Befehls vom System.
Nicht zuletzt waren die vom Kunden beigestellten Mouldflo-Einheiten zu integrieren. Sie sind als Blöcke direkt neben der Form oder auf der Werkzeugträger-Platte montiert und überwachen sowohl Durchfluss als auch Temperaturentwicklung jedes einzelnen Kühlkreislaufs im Werkzeug. Industrie 4.0 heißt das Stichwort für die Integration dieser peripheren Komponenten in die Steuerung von Netstal. Hierfür hat der Hersteller mit der Maschinensteuerung Axos ein sehr gut geeignetes Integrationsinstrument: Sie bietet nicht nur die Funktion der Maschinenbedienung und -kontrolle, sondern auch der Programmierung direkt im Betrieb. Bei ihrer Entwicklung ging es den Ingenieuren darum, dem Programmierer höchste Flexibilität bei der Konzeption komplexer Abläufe zu verschaffen, ohne ihm eingehendes Programmierwissen abzuverlangen. Das Ergebnis ist eine programmierbare Steuerung, die dem Bediener alle Freiheiten lässt.
Die Integrations-Plattform übernimmt auch in der Anlage für die Produktion der bunten Blutentnahmeröhrchenkappen die zentrale Steuerung und Überwachung der gesamten Linie. Von der Materialzuführung über den eigentlichen Spritzgieß-Vorgang und seine Kühlung, die Qualitätsweiche, das Luftfördersystem einschließlich der Ausschussweiche bis hin zur Verpackung auf dem Karussell hat die Steuerung alle Abläufe im Griff. „Aber nur mit einem eingehenden Prozess- und Komponenten-Know-how über alle Produktionsschritte hinweg gelingt eine wirkliche Feinabstimmung innerhalb des gesamten Systems“, ist Blessing überzeugt.
Christine Grob Netstal, Näfels/Schweiz

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