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Kleben selbst bei Niedertemperatur

Kunststoffe: Klebstoffe für das Fügen temperaturempfindlicher Bauteile
Kleben selbst bei Niedertemperatur

Für das Fügen von Komponenten aus Kunststoffen oder Materialmix kommt oft das Kleben zum Einsatz. Bei nicht durchstrahlbaren und temperaturempfindlichen Bauteilen empfehlen sich Klebstoffe auf Basis modifizierter Polycarbaminsäurederivate.

Die technische Herausforderung des Fügens mittels Klebstoff besteht nicht nur in schwer verklebbaren Materialien, sondern auch darin, sehr kurze Taktzeiten und damit kurze Aushärtezeiten zu erzielen. Heißhärtende Epoxydharzsysteme liefert einen schnellen, über die Temperatur steuerbaren Aushärteprozess. Allerdings benötigen solche Systeme Temperaturen zwischen 100 und 200 °C zum Aushärten, wobei die untere Grenze von 100 °C oft ein im Vergleich zu höheren Temperaturen schwächeres chemisches Netzwerk des Klebstoffs ausbildet. Zudem steigen die Aushärtezeiten mit geringerer Temperatur deutlich: Dadurch kann ein System, das bei 180 °C in 15 min aushärtet, bei 130 °C bis zu zwei Stunden benötigen. Abgesehen von der Energie, die man zur Aushärtung benötigt – je höher die verwendete Temperatur, desto mehr Energie – müssen die zu verklebenden Substrate auch diese Temperaturen verkraften.

Hier kommen die neu entwickelten modifizierten Polycarbaminsäurederivate (mCD) ins Spiel: Sie besitzen die Vorteile der Warmhärtung, härten jedoch bei geringeren Temperaturen von etwa 80 °C aus und reagieren bei der Aushärtung weniger exotherm als ein herkömmliches Epoxidharz. Selbst bei 80 °C liegen typische Ofenaushärtungszeiten bei 30 min.
Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten, einen schnelleren Prozess zu generieren: den Heatpulseä-Prozess sowie die Dualhärtung. Werden ein temperaturstabiles und ein temperaturempfindliches Bauteil miteinander verklebt, so kann die Aushärtung schnell durch den Heatpulse-Prozess erfolgen.
Das temperaturunempfindliche Bauteil wird stark erwärmt und auf das mit Klebstoff beaufschlagte temperaturempfindliche Bauteil aufgelegt. Für eine schnelle Aushärtung muss die Temperatur des aufgeheizten Bauteils möglichst hoch sein – allerdings nicht so hoch, dass die Wärme, die über Konvektion durch den Klebstoff am temperaturempfindlichen Bauteil ankommt, dieses zugleich schädigt. Die notwendige Minimaltemperatur, damit die Klebung vollständig aushärtet, muss so eingestellt sein, dass die Grenzfläche zum temperaturempfindlichen Bauteil 85 °C erreicht.
Dass die am Klebstoff anliegende Temperatur in einem weiten Bereich kaum einen Einfluss auf die Endfestigkeit der Klebung hat, zeigen Versuchsklebungen an Chips. In diesem Test werden Chips mit einer Kantenlänge von 1 mm mit einem mCD-Klebstoff auf Folie geklebt. Für eine schnelle Wärmeeinbringung geschieht diese über beheizte Stempel, die so genannten Thermoden. Für die folgenden Ergebnisse wurden die Verklebungen 6 s mit 80, 100 oder 150 °C beaufschlagt.
Die Temperatur entscheidet nur über die Anfangsfestigkeit
Eine kurzfristige Warmaktivierung reicht aus, um die vollständige Aushärtung zu erzielen. Die Temperatur entscheidet nur, wie schnell eine Anfangsfestigkeit erzielt wird, und nicht über die Höhe der Endfestigkeit. Getestet wurden im Vorfeld verschiedene Materialkombinationen für den Heatpulse-Prozess. Dabei wurden die Bauteile im Ofen auf verschiedene Temperaturen aufgeheizt und dann auf das mit Klebstoff beaufschlagte Material bei Raumtemperatur gefügt.
Die Bauteile bestehen aus 20 x 20 x 5 mm großen Plättchen, die einschnittig 5 mm überlappt verklebt werden. Festigkeiten werden anschließend im Druckscherversuch ermittelt. Die Handlingsfestigkeit kann hier nach wenigen Sekunden erreicht werden. Das Ergebnis zeigt: Die Grenzen liegen bei zu empfindlichen Kunststoffen – das verwendete PVC besitzt eine Glasübergangstemperatur von 70 °C – oder bei Fügeteilen, die dem Klebstoff die Wärme zu schnell entziehen.
Handelt es sich um zwei temperaturempfindliche Bauteile, so kann durch dualhärtende mCD-Lösungen eine kurze Fixierzeit und damit eine kurze Taktzeit im Prozess erreicht werden. Diese Systeme sind einige hundert Mikrometer tief mit ultravioletter Strahlung in wenigen Sekunden aushärtbar. Die restliche Schichtdicke oder Klebstoff in Schattenzonen kann dann in einem Durchlaufofen ausgehärtet werden. Der Vorteil liegt darin, dass nach der Lichthärtung die Bauteile schon fixiert sind und keine weiteren Fixiermittel benötigt werden.
Die neuen mCD-Klebstoffsysteme können somit auch bei temperaturempfindlichen Materialien die Prozessvorteile eines warmhärtenden Systems nutzen. Zusätzlich sind temperaturempfindliche Kunststoffgehäuse für elektronische Bauteile wie zum Beispiel Sensoren, ein ideales Anwendungsfeld der mCD-Klebstoffe. Außerdem ergeben sich weitere Prozessvariationen durch die Möglichkeit der Warmaktivierung und durch Systeme, die zusätzlich mit Licht fixiert werden können. Vor allem auf Kunststoffen wie Polybutylenterephthalat (PBT) und Glas-Epoxy-Materialien (FR4) spielen die modifizierten Polycarbaminsäurederivate ihre Stärken aus: Gute Beständigkeit, schnelle Niedertemperaturhärtung sowie definierte Prozessmöglichkeiten.
Im Medizintechnikbereich ist gegebenenfalls eine Zulassung für mCD möglich. Allerdings führt Delo selbst keine Toxizitätstests im Labor durch.
Dr. Ralf Hose Delo Industrie Klebstoffe, Windach

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