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Keine vermessene Idee

Human Centered Design und Usability: 24-Stunden-Monitoring für den Rücken
Keine vermessene Idee

Die anspruchsvolle Bedienung moderner Diagnose- und Therapie-Technologie kann sich – selbst bei ausgewiesenem Nutzen – negativ auf die Marktakzeptanz auswirken. Epionics setzt bei der Entwicklung eines neuen Gerätes für das Rücken-Monitoring auf Bedienelemente mit hoher Usability.

Fast alle Menschen plagt ab und zu der Rücken. Schätzungen zufolge leiden 50 bis 80 % der Bevölkerung mindestens einmal im Leben an Problemen im unteren Rückenbereich. Ob der Schmerz im Kreuz nur ein vorübergehendes Zwicken ist oder eine ernstere Ursache hat, ist zuweilen auch für Fachärzte nur schwer abzuschätzen. Denn: insbesondere chronische Kreuzschmerzen sind ein komplexes Phänomen. Mechanische, biochemische und psychosoziale Faktoren scheinen eine Rolle zu spielen; deutliche Indikatoren weisen auf mechanische Auslöser des Schmerzes hin, die aber bisher noch nicht eindeutig identifiziert werden konnten.

Bereits in diesem Jahr soll nun innovative Medizintechnik des Potsdamer Unternehmens Epionics Ärzte und Therapeuten bei der Diagnose und Behandlung von Rückenschmerz unterstützen. Epionics Spine heißt das neue Messsystem; es besteht aus zwei flexiblen Sensoren, welche über spezielle Hohlpflaster am Rücken, direkt über der Spina Iliaca Posterior Superior, befestigt werden und ist in der Lage, rückenschmerzbedingte Bewegungsstörungen der Wirbelsäule zu erfassen und zu bewerten. Anders als auf statischen Röntgen- oder MRT-Aufnahmen wird die Rückenbewegung im Lumbalbereich der Wirbelsäule mit Epionics Spine in Aktion und im Alltag untersucht. Die Bewegungssensoren zeichnen die Funktion der Wirbelsäule über 24 Stunden auf und zeigen somit, wo und wann der Rücken Probleme macht. „Es ist so etwas wie ein Langzeit-EKG für den Rücken“, erklärt Tobias Happel, Gründer und Geschäftsführer von Epionics.
Alle bislang zur Verfügung stehenden Methoden zur Messung der Wirbelsäulenbeweglichkeit basieren auf aufwendiger Bildgebung oder der Ermittlung des Bewegungsumfangs durch Winkelmessgeräte, anhand von Markern auf der Haut oder chirurgisch auf den Knochen befestigter Pins. „Uns war von Anfang an klar, dass unsere Technologie sowohl für die Fachärzte als auch die Patienten einfach zu handhaben sein muss, wenn sie sich gegen etablierte Standardverfahren im anspruchsvollen Medizintechnikmarkt durchsetzen soll“, betont Happel. Über den Spezialektronikhersteller Iftest ist Epionics auf das Schweizer Unternehmen Erdmann Design aus Brugg gestoßen, das sich auf „Human Centered Design“ spezialisiert hat. „Man kann es auch einfach Gebrauchstauglichkeit nennen“, erklärt Firmenchef Raimund Erdmann. Für die Potsdamer ist der Designer ein wichtiger Partner, denn auch Technologie mit ausgewiesenem Nutzen scheitert heutzutage oft am Markt, wenn sie am Nutzer vorbei entwickelt wurde. Erdmann Design bezieht Ärzte und Patienten bereits in den Entwicklungsprozess mit ein, so dass Fragen der Ziele, Anwendung und Eigenschaften einer neuen Technologie frühzeitig adressiert werden. „Bezogen auf Epionics Spine bedeutet dies, dass sich Patienten durch das Tragen einer technischen Diagnosehilfe im Alltag nicht belastet fühlen und das Gesamtsystem die medizinische Praxis nicht verkompliziert“, so Erdmann.
Die Technik, die in dem System steckt, ist zwar nicht neu, wird aber im medizinischen Bereich weltweit zum ersten Mal eingesetzt: Zwei flache Formgedächtnis-Metallstreifen verlaufen parallel zur Wirbelsäule und erfassen in jeweils zwölf gleich großen Segmenten die Biegungen, welche die Sensoren auf der Rückenoberfläche erfahren. Gleichzeitig messen Beschleunigungssensoren an beiden Enden die Ausrichtung der Streifen im Schwerefeld der Erde. Damit lassen sich unter anderem stehende und liegende Positionen und Bewegungen ausserhalb der Sagittalebene unterscheiden. Die Messwerte werden 50-mal in der Sekunde erfasst und mittels einer Speichereinheit aufgezeichnet. Mit Hilfe einer „Schmerztaste“ an der Speichereinheit können Patienten im Alltag den Zeitpunkt von Schmerzevents markieren. „Wenn ein Rückenkranker beim Beugen oder Aufstehen Schmerzen verspürt, wird dank Epionics Spine jede Stauchung und auch jedes Stocken im Bewegungsablauf aufgezeichnet“, erklärt Happel. Die Messdaten werden gespeichert und anschliessend beim Arzt auf einen Computer übertragen und analysiert. „Zur Auswahl angemessener Behandlungsstrategien wurde in der Forschung schon seit geraumer Zeit die Messung der Wirbelsäulenbewegung in drei Dimensionen und über einen längeren Zeitraum vorgeschlagen“, weiß Raimund Erdmann. Aber der Markterfolg einer Technologie, die Medizinern Hinweise für die Diagnose und Therapeuten Rückschlüsse über den Erfolg einer Behandlung liefert, hängt nicht nur von mehr oder genaueren Daten ab. Die Art und Weise, wie ein Gerät in der Praxis eingesetzt wird, beeinflusst seine Marktakzeptanz entscheidend. „Ärzte und Therapeuten interagieren bei der Diagnose und im Therapieprozess oft mit ihren Patienten“, sagt Tobias Happel. Eine helfende Hand, die Unterstützung bei einem Bewegungsablauf sind wichtig. „Der Vorschlag von Erdmann Design, das Computer-Interface des Systems auf ein mobiles Tablet zu übertragen, ist unserer Strategie der Bedienelemente mit hoher Usability daher perfekt entgegen gekommen“, so Happel weiter. Statt das Terminal für den Gebrauch am Schreibtisch auszulegen, konzipierte Erdmann Design einen stabilen Cart für den Computer-Teil des Systems. Damit wird Epionics Spine zur mobilen Einheit, die ohne grossen Aufwand transportiert und in verschiedenen Abteilungen von Kliniken und Spitälern eingesetzt werden kann. „Die ersten Seriensysteme mit optimierter Usability stehen für die Produkteinführung dieses Frühjahr bereit“, freut sich Geschäftsführer Happel. Abnehmer sind medizinische Forschungs- und Therapieeinrichtungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die das System zur Therapieverlaufsobjektivierung, zur Diagnose von lumbaler Dysfunktion sowie zur Dokumentation und Qualitätssicherung einsetzen wollen. Auch die Initierung einer multizentrischen Studie zur Sammlung und Analyse von krankheitsspezifischen Funktionsdiagnosen ist in Vorbereitung.
Patrick Roth CEO der Stiftung Competence Center for Medical Technology, Bern, und Fachjournalist des Schweizerischen Nationalfonds
Weitere Informationen unter www.erdmann.ch Messe Medtec, Halle 4, Stand 4329

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