Für die Ausarbeitung des Hüftprothesenbettes im Markraum benötigt der Operateur eine Raspel mit der Kontur des einzusetzenden Implantats. Die Herstellung dieser Raspeln durch ein Schleifverfahren hat sich vor allem durch die Entwicklung einer innovativen Software als sehr wirtschaftlich erwiesen.
Schätzungsweise 1,5 Millionen orthopädische Gelenkersatzoperationen werden jährlich weltweit durchgeführt. Dort, wo für die Verankerung des Implantates ein Prothesenbett im Markraum des Knochens geschaffen werden muss, braucht der Operateur ein entsprechendes Werkzeug, bei Hüft-OPs die sogenannte Hüftraspel.
Die Verzahnung dieser Raspeln wurde früher per Hand und mit Stempeln in den metallenen Rohling gehauen. Noch heute wird dieses Verfahren bei Einzelanfertigungen angewandt. Für die Serie werden die Zähne oft noch gefräst. Allerdings mit erheblichen Werkzeugkosten, da der gehärtete Edelstahl dieser Bearbeitungsart schwer zugänglich ist. Innerhalb von wenigen Jahren hat sich dagegen das Schleifen bei fast allen großen Herstellern der Hüftraspeln weltweit als Verfahren der Wahl erwiesen.
Maßgeblich dafür waren eine Maschinenentwicklung der Haas Schleifmaschinen GmbH und vor allem die Entwicklung einer speziellen Software des Maschinenbauers. Seit 2002 bietet das Trossinger Unternehmen seine speziell auf diese Aufgabe ausgelegte Schleifmaschine Mulitgrind-CB plus Maschinensoftware als Komplettlösung.
Die Software des schwäbischen Maschinenbauers ist eine proprietäre, speziell auf seine Maschinen zugeschnittene Lösung. Sie bietet im Falle der Herstellung der Hüftraspeln aber Vorteile im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Flexibilität, die durch maschinenunabhängige CAD/CAM-Systeme nicht erreicht werden können. Dipl.-Ing. Wolfram Hermle, verantwortlich für die Softwareentwicklung bei Haas, erläutert: „Für viele CAD-Systeme ist die Konstruktion der Verzahnungen ein Problem. Entweder sie verfügen gar nicht über ein Verzahnungstool. Oder aber der Konstrukteur muss bei Änderungen jedes Mal von vorne beginnen, die Raspelzähne auf dem Werkzeug zu definieren.“ Dies geschehe mit der Haas-Software sehr schnell und komfortabel. „Der Konstrukteur beim Hersteller der Hüftraspeln kann die Verzahnungen festlegen und sehr schnell auch variieren“, konkretisiert Hermle, „unter Umständen sogar gemeinsam mit dem Arzt.“ In diesem Falle unterstützt die Maschinensoftware also auch das CAD.
Die Festlegung der Verzahnung stellt keineswegs eine triviale Aufgabe dar. Sie wird im Schleifverfahren durch das Einschleifen von umlaufenden und spiraligen Nuten in den Rohling erzeugt. Je nach Art der Nuten entstehen unterschiedliche Verzahnungsmuster. Die Operateure legen zum Teil großen Wert auf eine optimale Verteilung und Größe der Zähne, auch unterschieden nach dem jeweiligen Bereich der Raspel, die an einigen Stellen vielleicht etwas aggressiver schneiden, an anderen Stellen den Knochen etwas mehr verdichten sollte. Die konstruktive Beschreibung der Zahn- und damit der Nutengeometrien ist entsprechend komplex.
Tim Kern, Konstrukteur bei Haas, stellt die Lösung des Unternehmens vor: „Im letzten Jahr wurde bei uns ein Parasolid-Tool entwickelt. Damit können wir die Daten aus jedem beliebigen CAD-System für unsere Maschinensoftware aufbereiten. Für uns ist also unerheblich, mit welchem System und auch mit welchem Postprozessor der Hersteller der Raspeln arbeitet.“
Hat die Software die Geometrie-Daten der Hüftraspel zur Verfügung, kann der Anwender nun auf relativ einfachem Wege die Verzahnung festlegen. Er definiert dafür bestimmte Felder auf der Raspelgeometrie, auf der einheitliche Nuten eingeschliffen werden sollen. Dann legt er anhand von Menüs Nutenform, Nutentiefe, -abstand und -ausrichtung fest. Danach errechnet die Maschinensoftware automatisch die exakten Schleifbahnen und generiert die NC-Programme, nach denen der Rohling schließlich bearbeitet wird. Dabei berücksichtigt sie auch Formkorrekturen an der sich abnutzenden Schleifscheibe, durch die sich deren Radius ändert.
Dies zeigt, mit welcher Schnelligkeit Änderungen im gesamten Prozess verarbeitet werden können. „Die schnelle Berechnung der Verzahnungen durch unsere Software bietet eine hohe Flexibilität“, stellt Tim Kern fest. „Der Kunde kann die Raspeln, die ja immer in verschiedenen Größen gefertigt werden, quasi auf Knopfdruck skalieren. Individualanfertigungen sind ebenso schnell zu konstruieren und zu fertigen wie große Serien. Er kommt schnell zu Designstudien, Prototypen und Varianten.“
Hinzu kommt eine hohe Wirtschaftlichkeit des gesamten Verfahrens. Die neue Generation an Schleifmaschinen des Trossinger Maschinenbauers wird auch mit den Bearbeitungsoptionen Fräsen, Bohren, Gewindeschneiden und Drehen ausgeliefert, so dass eine Komplettbearbeitung der Rohlinge in nur einer Aufspannung möglich wird. Die Berücksichtigung des Verschleißes der Schleifscheiben im NC-Programm ermöglicht, dass mit einer Schleifscheibe im Wert von etwa 30 Dollar 200 bis 250 Raspeln bearbeitet werden können. Rohlinge mit vorgefertigter Endkontur werden in etwa 15 Minuten zu komplett bearbeiteten Raspeln, geschnittene Rohlinge ohne jede Kontur benötigen gerade mal eine Stunde.
Birgit Hummler Journalistin in Laichingen
Ihr Stichwort
• Implantate
• Hüftraspel
• CAD/CAM der Verzahnung • Schleifverfahren • Skalierung und Prototypen
Unsere Webinar-Empfehlung
Erfahren Sie, was sich in der Medizintechnik-Branche derzeit im Bereich 3D-Druck, Digitalisierung & Automatisierung sowie beim Thema Nachhaltigkeit tut.
Teilen: