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Herzstück im Verborgenen

Miniaturisierung: Kleinste Systeme ermöglichen neue Anwendungen in Medizintechnik und AAL
Herzstück im Verborgenen

So genannte Embedded Systems, also kleine Rechnersysteme, die in technische Geräte eingebaut werden, finden verstärkt auch in der Medizin Anwendung. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten für die medizinische Behandlung.

Ein neues Sensormodul für Elektrorollstühle könnte künftig die Mobilität von Schwerbehinderten verbessern. Im Projekt Auroroll werden derzeit geeignete Konzepte, Verfahren und Algorithmen entwickelt, mit deren Hilfe ein Rollstuhl automatisch Kollisionen vermeiden, Hindernissen ausweichen und vordefinierte Wege, wie beispielsweise vom Schlafzimmer in die Küche oder von der Wohnung in den Supermarkt, zurücklegen kann. Der Rollstuhl soll dank kamerabasierter Sensoren in der Lage sein, seine Umgebung zu kartieren, zu analysieren, automatisch geeignete Pfade zu berechnen und kollisionsfrei abzufahren.

Herzstück der Technologie ist der Auroroll-Sensor. Er besteht aus mehreren Bildsensoren und hochspezialisierter Hardware, die die Bilddaten in Echtzeit verarbeiten, automatisch eine Umgebungs- und Hinderniskarte erzeugen, geeignete Pfade berechnen und die entsprechenden Steuerbefehle für Elektrorollstühle verschiedener Hersteller generieren. Dies habe nicht nur für die Rollstuhlrobotik großes Potenzial, sondern auch in schnell wachsenden Branchen wie der Automobilindustrie und der Luftfahrt, erklären die Spezialisten der AED Engineering GmbH. Das Unternehmen führt dieses Projekt noch bis 2017 in Kooperation mit der TU München – Computer Visions Group und der Humanelektronik GmbH in Worms durch.
Die Anwendungsbereiche von Sensoren sind nicht nur in der Medizinbranche vielfältig. In einer vernetzten, intelligenten Umwelt werden solche schlauen Mikrosysteme wie der Sensor immer wichtiger – sie bestimmen in vielen Anwendungen unseren Alltag und erweitern die Möglichkeiten der Medizintechnikindustrie, neue Produkte zu entwickeln.
Einen besonderen Stellenwert haben hierbei die so genannten Embedded Systems. Unter diesem Begriff versteht man Systeme, die aus Hard-und Softwarekomponenten bestehen und direkt in Produkten Informationen verarbeiten – wie im Projekt Auroroll. Eingebettete Systeme dringen dabei in Bereiche vor, die zuvor PC-Schnittstellen verwendet haben, und verlagern die Intelligenz direkt in das Produkt. Laut Bundesministerium für Bildung und Forschung sind schon heute über 90 % aller Prozessoren nicht in PCs, sondern in eingebetteten Systemen im Einsatz. Im Bereich der Medizin-und Analysetechnik werden die Anforderungen an solche mobilen Systeme immer anspruchsvoller: Sie sollen in der Lage sein, extrem zuverlässig in der Praxis zu arbeiten und gute Funktionalität mit einfacher Bedienung verbinden.
Telemonitoring bietet beispielsweise vielen Menschen die Möglichkeit, sich zuhause – trotz einer Krankheit – sicherer zu fühlen: Die Patienten werden dabei stetig durch eine unaufdringliche Technik begleitet. Eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustands wird von Sensoren erkannt, und bei Bedarf kann rechtzeitig ein Arztbesuch empfohlen werden. So können auch Symptome, die die Verschlechterung des Gesundheitszustands anzeigen, aber vom Patienten selbst gar nicht wahrgenommen werden, sicher erkannt werden. Damit gewährleistet Telemonitoring, dass Arztbesuche genau dann stattfinden, wenn diese notwendig sind. „Das Gesundheitssystem wird durch den effizienten Einsatz eingebetteter Systeme in modernen IT-Lösungen entlastet, und Patienten – vor allem auch chronisch Erkrankte – können sich trotzdem besser betreut fühlen, auch wenn sie nicht ständig beim Arzt vorstellig werden müssen“, sagt Dr. Thomas Kuhn, Abteilungsleiter am Fraunhofer IESE, der bei der Fraunhofer-Allianz Embedded Systems das Thema Smart Health koordiniert.
In der Allianz Embedded Systems arbeiten zwölf Fraunhofer-Institute auch an Lösungen, die mittels modernster IT auf Basis Eingebetteter Systeme die medizinische Versorgung in Städten und auch in ländlichen Regionen verbessern. Es werden sowohl Geräte zur medizinischen Versorgung von Patienten als auch für andere Aufgaben im Gesundheitswesen optimiert. Dazu entwickeln und erforschen die Allianz-Mitglieder das komplette Spektrum der notwendigen Technologien, von neuartigen Sensoren über Kommunikationssysteme bis hin zu modernen Softwaresystemen.
Auch das ESI-Anwendungszentrum, eine gemeinsame Einrichtung des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen und des Interdisziplinären Zentrums ESI der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg, beschäftigt sich intensiv mit diesen Technologien. Schwerpunktmäßig wird die Entwicklung in den Bereichen robuste und eingebettete Sensorik für flächendeckendes Prozess-Monitoring, Systeme für robuste, zuverlässige und adaptive Übertragung von Daten sowie moderne Hardware-Plattformen mit Multiprozessorsytemen zur Fusion aller Prozessinformationen betrieben. Die Forschungsarbeiten zu den Technologien für eingebettete Systeme der Automatisierungstechnik wie Lokalisierung, Kommunikation oder Multicore sind zudem die Basis für die Realisierung orts- und prozessbewusster Industrie-4.0-Anwendungen.
In vielen medizintechnischen Geräten verrichten Eingebettete Systeme heute schon ihren Dienst. Bekanntestes medizinisches Beispiel ist wohl der Herzschrittmacher. Ein aktuelleres Beispiel sind moderne 3D-Kameras, wie etwa die Time-of-Flight(ToF)-Kameras der PMD Technologies GmbH, Siegen. Sie erlauben es, metrische dreidimensionale Oberflächendaten in Echtzeit zu erfassen. Mit diesen Informationen können unter anderem Bestrahlungen in der Krebstherapie präzise gesteuert werden. ToF-Kameras bestehen neben der Optik und Beleuchtung vor allem aus einem Sensor, der für jeden Bildpunkt nicht nur die Lichtintensität, sondern auch die Laufzeit des Lichts ermittelt. Eine Auswertungskomponente berechnet aus den Werten, die der Sensor erfasst hat, die Entfernungen und leitet diese an eine Schnittstelle, beispielsweise USB, weiter. Die Elektronik koordiniert die Ansteuerung von Beleuchtung und Sensor, sodass präzise Messwerte ermittelt werden können.
Eine Vielzahl medizinischer Anwendungen wird zukünftig von der ToF-Technologie profitieren. In der fraktionierten Strahlentherapie beispielsweise wird der Tumor in mehreren Sitzungen bestrahlt. Die Bestrahlung erfolgt nach einem Behandlungsplan, der auf Basis eines Planungs-Computertomogramms (CT) berechnet wurde. Um eine präzise Bestrahlung sicherzustellen, muss der Patient vor jeder Sitzung möglichst exakt auf die Referenzposition im Planungs-CT ausgerichtet werden. In einem Forschungs-Projekt wird derzeit eine oberflächenbasierte Methode zur Patientenpositionierung entwickelt, die auf der Registrierung von ToF-Daten basiert.
Vom Asic-Design bis zum intelligenten „wireless controlled embedded system“ reicht das Leistungsspektrum der Mazet GmbH, einem Entwicklungs- und Fertigungsdienstleister aus Jena. Als intelligentes Mensch-Maschine-Interface wurde die Bedieneinheit für ein Mikroskop entwickelt. Die Kombination von Tastatur, Touchpad mit Mehrfingergestensteuerung, Drehgeber und programmierbarem Touchscreen soll mehrere Möglichkeiten bieten, das Zielgerät effizient und nutzeradaptiv zu bedienen.
Ein Begriff, der im Zusammenhang mit Embedded Systems immer häufiger zu hören ist, ist „Cyber-physical Systems CPS“. Diese Systeme erkennen ihre physische Umgebung, verarbeiten die Informationen und können die physische Umwelt auch koordiniert beeinflussen. Im Unterschied zu eingebetteten Systemen bestehen CPS meist aus vielen vernetzten Komponenten, die sich selbstständig untereinander koordinieren, so das ESI. Eingesetzt werden CPS bereits in der medizinischen Überwachung durch eine Vielzahl von Sensoren und Systemen, vor allem im „Ambient Assisted Living“ (AAL).
Anwendungen vom Herzschrittmacher bis zu Ambient-Assisted-Living-Systemen

Ihr Stichwort
  • Sensorik
  • Intelligente Mikrosysteme
  • Hard- und Softwarekomponenten
  • Telemedizin und AAL
  • Mensch-Maschine-Interface

  • Starker Markt
    Die Rolle von Embedded Systems lässt sich auch in wirtschaftlichen Daten ausdrücken: In Deutschland erzielen sie bereits einen jährlichen Umsatz von rund 17 Mrd. Euro, der bis 2020 auf geschätzt über 40 Mrd. Euro anwachsen soll. Der Weltmarkt für eingebettete elektronische Systeme beträgt laut Branchenverband Bitkom etwa 160 Mrd. Euro. Der deutsche Markt für Embedded Systems ist heute der drittgrößte hinter den USA und Japan.
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