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Gentechnik verhilft zu neuen Medizinprodukten

Neue Werkstoffe: Biokompatible Seide mit integrierten Wirkstoffen
Gentechnik verhilft zu neuen Medizinprodukten

Seidenraupenzucht, kombiniert mit moderner biologischer und Textil-Technologie. Nach diesem Rezept stellt ein Aachener Unternehmen innovative Medizinprodukte her, aus Fäden, Membranen, Vliesen, kurz allem, was sich aus Seide machen lässt.

Einzigartige Seidenraupen wachsen nahe der deutsch-niederländischen Grenze. Ein Aachener Unternehmen arbeitet mit Tieren, die gentechnisch verändert wurden, und verfügt damit weltweit über ein Alleinstellungsmerkmal: Die Spintec GmbH nutzt die Raupen als „Bioreaktoren“, aus denen Seide gewonnen und zu Seidengarnen und Vliesen, Membranen sowie Kompositwerkstoffen weiterverarbeitet werden kann.

Die Basis dafür sind patentierte Produktionstechniken: Durch die Eingriffe in das Erbgut der Seidenraupe lässt sich das Seidenprotein nämlich so gewinnen, dass es unter anderem die kostengünstige Produktion von flüssigem Seidenrohstoff ermöglicht. Um diesen in vielen Formen verarbeiten zu können, hat Spintec eine biomimetische Endlosspinntechnik entwickelt. Sie imitiert den natürlichen Fadenbildungsprozess von Spinnen.
Was die Spinnen können, hat den etablierten industriellen Spinnverfahren etwas voraus. Die Industrie benötigt üblicherweise Temperaturen von mehr als 200 °C, aggressive organische Lösungsmittel und hohe Drücke, um aus chemischen Polymeren mehrere Kilometer Faden pro Stunde zu spinnen. Spinnen stellen Seidenfäden hingegen bei Raumtemperaturen von 22 bis 25 °C, Normaldruck und lediglich mit Wasser als Lösungsmittel her. Der entscheidende Faktor, der das ermöglicht, sind die hochkomplexen, biologischen Ausgangsstoffe, die sich mit minimalem Energieeintrag zu Fäden verketten lassen. Wie der Spinnapparat im Detail funktioniert, wurde bereits vor Jahren gut erforscht. Spintec hat diese Erkenntnisse genutzt und in eine biomimetische Spinnanlage überführt.
Einmal gesponnen, lassen sich die Seidenfäden dann durch industrielle Textiltechniken weiterverarbeiten, zu Vlies, Gewirk oder Geweben. Ein speziell optimiertes Verfahren, das so genannte Biocasting, ermöglicht es darüber hinaus, transparente, flexible Membranen zu fertigen. Sie sind sehr stabil und weisen eine hohe Nahtfestigkeit auf. Die Dicke der Membranen lässt sich je nach medizinischer Indikation von 0,01 mm bis 5 mm einstellen.
Die Seidenmembranen können auch mit unterschiedlichen Abbauraten hergestellt und funktionalisiert werden, beispielsweise mit Knochenersatzmaterialien. Auch biopharmazeutische Wirkstoffe lassen sich mit der Seide kombinieren, wie zum Beispiel humane rekombinante Wachstumsfaktoren. Auf Wunsch können diese bereits in das Rohmaterial integriert sein.
Weil das „biologische“ Herstellungsverfahren sehr schonend abläuft, bleibt die Aktivität aller biologischen Substanzen, die im Ausgangsmaterial enthaltenen sind, fortlaufend intakt. Die genetisch veränderten Raupen sind bei solchen Anwendungen also sowohl Biomaterialproduzent als auch Bioreaktor. Damit lassen sich Produkte realisieren, die bei vertretbaren Produktionskosten sogar mehrere funktionelle biopharmazeutische Wirkstoffe enthalten.
Längerfristig ist geplant, resorbierbare dreidimensionale Strukturen zu entwickeln. Damit sollen sich unterschiedlichste, im Seidenmaterial integrierte Wirkstoffe ortsgenau im Körper positionieren oder freisetzen lassen – was, weiter in die Zukunft gedacht, eine Voraussetzung für zukunftsweisenden Organersatz sein kann. Dieses Konzept wird derzeit im Rahmen des vom BMBF geförderten Projektes SilkBladder erforscht. Hier werden unterschiedliche Vorläuferstrukturen einer künstlichen Harnblase aus Seide mit integrierten Wirkstoffen für den zukünftigen Einsatz bei Krebspatienten erprobt.
Die Vermarktungsrechte der marktnahen Medizinprodukte für Ophthalmologie, Kiefer/Gesichtschirurgie sowie Gefäßchirurgie will Spintec zukünftig an Industrie-Partner lizenzieren und diese als zertifizierter Medizinprodukte-Hersteller beliefern.
Um Medizinprodukte mit integrierten biopharmazeutischen Wirkstoffen zu entwickeln, sind strategische Allianzen mit engagierten Entwicklungspartnern geplant. Sie sollen frühestens nach Abschluss der präklinischen Proof-of-Concept-Studien beginnen.
Die idealen Partner aus der Medizintechnik- oder Pharmabranche sollten über umfassende klinische Entwicklungsfähigkeiten und finanzielle Ressourcen verfügen, um seidenbasierte Kombinationsprodukte zur Marktreife weiterzuentwickeln. Eine Übertragung der patentierten Fertigungstechnologie für Seide mit integrierten biopharmazeutischen Wirkstoffen an den Entwicklungspartner ist möglich. Darüber hinaus strebt das Unternehmen enge Forschungskooperationen mit führenden Instituten und biopharmazeutischen Unternehmen an.
Dr. Michael Rheinnecker Spintec Engineering, Aachen

Das Unternehmen
Die im Jahr 2004 gegründete Spintec Engineering GmbH ist auf innovative Medizinprodukte aus Seide spezialisiert. Dazu zählen Produkte für die Dentalchirurgie, die Wundheilung sowie die Knochenregeneration. Sie werden von derzeit 11 Mitarbeitern entwickelt und hergestellt. Erste Medizinprodukte gehen dieses Jahr in die klinische Erprobung und sollen ab 2013 über etablierte Vertriebspartner in Europa vermarktet werden. Das Start-Up Unternehmen ist Gewinner der Innovationswettbewerbe Medin.NRW (2008) und Hightech.NRW (2010).

Ihr Stichwort
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