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Fühlen, was der Roboter tut

Kleinstantriebe: Leichte Motoren vermitteln dem Chirurgen das Fingerspitzengefühl
Fühlen, was der Roboter tut

Damit der Chirurg einen Endoskopie-Roboter mit Feingefühl bedienen kann, unterstützt ihn ein Force-Feedback-Nutzerinterface. Es vermittelt dem Arzt einen haptischen Eindruck davon, was er mit dem Roboter gerade greift. Ohne Kleinstantriebe wäre so ein System nicht denkbar.

Miniaturisierte Endoskopie-Roboter erlauben heute patientenschonende Operationen im Körperinneren – ohne große Hautschnitte und selbst an unzugänglichen Stellen. Vielen Chirurgen genügt es allerdings nicht, das Operationsfeld nur durch eine Kamera zu sehen und den Roboter fernzusteuern. Sie möchten auch „fühlen“, was sie und der Roboter dabei machen.

Zu diesem Zweck hat Master-Student Florian Klug am Institut für Elektromechanische Konstruktionen der Technischen Universität Darmstadt ein Force-Feedback-Nutzerinterface entwickelt, das als Schnittstelle zwischen der Hand des Operateurs und dem Endoskopie-Roboter dient.
Der Roboter kann greifen, schneiden, nähen – also alles das, was der Chirurg auch mit herkömmlichen Instrumenten oder einem mechanischen Endoskop macht. Seine Miniatur-Instrumente werden durch das Nutzerinterface auf beliebige Distanz ferngesteuert, wobei das Force-Feedback-Interface dem Operateur das Gefühl vermittelt, selbst die Instrumente zu führen.
Das Interface selbst ist eine Handsteuerung, die im Prinzip ähnlich arbeitet wie ein Joystick. Zusätzlich gibt es aber auch eine mechanische Rückmeldung, was das gesteuerte Instrument, in diesem Fall der Endoskopie-Roboter, tatsächlich gerade macht.
Im Prinzip ist das Nutzer-Interface wie eine Pinzette aufgebaut. Es verfügt über zwei Freiheitsgrade zum Greifen und Drehen und wird mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger gesteuert. Daumen und Mittelfinger greifen die Pinzette; der Zeigefinger bewegt einen Hebel, der über ein Seilzuggetriebe mit der Welle eines Elektromotors gekoppelt ist. Ein weiterer Motor ist für die Drehbewegung zuständig.
Für beide Antriebe werden bürstenlose Gleichstrommotoren der Schönaicher Dr. Fritz Faulhaber GmbH & Co. KG verwendet. Sie sind mit hochauflösenden Encodern ausgestattet und ermöglichen in Kombination mit den leistungsstarken, bürstenlosen 4-Pol-DC-Servomotoren eine exakte Kommutierung und eine optimale Positions- und Drehzahlregelung. Die absolute Winkelinformation ist bereits beim Einschalten ohne Referenzfahrt vorhanden – eine wichtige Eigenschaft, auch für viele andere Positionieranwendungen. Für Motor und Encoder genügt zudem ein Ausgangskabel. Diese sparsame Verkabelung kommt beim Einsatz innerhalb des filigranen Nutzerinterfaces natürlich sehr gelegen.
Die Auswertung der Encodersignale und die Ansteuerung des Roboters übernimmt ein auf die DC-Servomotoren abgestimmter Motion Controller. Der benutzerfreundliche Einachs-Positionierregler eignet sich für alle Anwendungen, die eine hohe Auflösung beim Positionieren und eine sehr präzise Drehzahlregelung erfordern. Die Elektronik muss neben der Ansteuerung der Motoren auch die Stromregelung übernehmen, damit genau definierte Drehmomente stufenlos ausgegeben werden können. Über eine RS232-Schnittstelle wird die Elektronik dazu mit der Software „Motion Manager“ programmiert und ausgelesen. Bei Bedarf kann die Elektronik aber auch über CANopen kommunizieren.
Will der Chirurg beispielsweise mit einer Pinzette ein Stück Gewebe greifen, registriert der Encoder im Nutzerinterface in Echtzeit die Position und Bewegung des Fingers und damit das Öffnen oder Schließen der Pinzette. Dabei wird der Greifabstand von Daumen und Zeigefinger mit einer Genauigkeit von 0,004 mm bestimmt. Der Motion Controller errechnet daraus die Sollposition und gibt sie an den Roboter weiter, der seinen Greifer entsprechend bewegt. Zugleich wird in dem Greifer die Kraft gemessen, die zwischen Gewebe und Greifer herrscht. Diese Kraft überträgt der Motor im Nutzerinterface wieder zum Finger des Chirurgen. Wenn der Roboter also etwas greift und dabei auf einen Widerstand trifft, übt der Motor einen entsprechenden Widerstand gegen den Finger aus. So kann der Chirurg unmittelbar spüren, was im Operationsgebiet passiert.
Die bürstenlosen Gleichstrommotoren erzeugen dazu relativ hohe Drehmomente. Sie haben aber nur ein geringes Eigengewicht von je 70 g, so dass das gesamte Interface lediglich 257 g auf die Waage bringt. Da der Chirurg das Nutzerinterface während der Operation durchaus mehrere Stunden in der Hand hält, ist diese leichte Bauweise vorteilhaft.
Beim beschriebenen Pinzettengriff wird die Bewegung des Chirurgen mit einem Seilzuggetriebe übertragen: Vorversuche hatten gezeigt, dass ein Stahlseil vom sinnlichen Eindruck her die beste Kraftübertragung gewährleistet. Aufgrund der Übersetzung wird eine statische Greifkraft von bis zu 6,3 N entgegen der Greifrichtung ausgegeben.
Bei dem bürstenlosen Gleichstrommotor, der für die Drehbewegung als Momentenquelle dient, sorgt ein angekoppeltes Zahnriemengetriebe für die gewünschte Übersetzung. Der Drehwinkel wird im Bereich von 0 bis 180 Grad von dem im Motor eingebauten Absolut-Encoder mit einer Auflösung von 0,02 Grad gemessen.
Dank der elektronisch gesteuerten Kraftübertragung und der Übersetzung kann der Chirurg mit Hilfe des Roboters sogar feiner arbeiten, als es mit der freien Hand möglich wäre. So wird er in die Lage versetzt, auch kleinste Schnitte mit der größtmöglichen Präzision in anatomisch schwer zugänglichen Regionen auszuführen. Die bürstenlosen Servomotoren tragen damit wesentlich dazu bei, dass die Chirurgie patientenschonender wird. Gesundheitsrisiken lassen sich minimieren, und die Verweildauer im Krankenhaus sinkt.
  • Andreas Seegen Faulhaber, Schönaich
  • Ellen-Christine Reiff Fachjournalistin in Stutensee
Weitere Informationen Über die Arbeiten am Force-Feedback- Nutzerinterface: http://tubiblio.ulb.tu-darmstadt.de/ 61744/

Über den Hersteller
Die Faulhaber-Gruppe ist spezialisiert auf Entwicklung, Produktion und Einsatz von hochpräzisen Klein- und Kleinstantriebssystemen, Servokomponenten und Steuerungen bis zu 200 W Abgabeleistung. Mit rund 1500 Mitarbeitern werden kundenspezifische Komplettlösungen umgesetzt und ein umfangreiches Programm an Standardprodukten wie bürstenlosen Motoren, DC-Kleinstmotoren, Encodern und Motion Controllern hergestellt. Eingesetzt werden sie in anspruchsvollen Gebieten wie der Medizintechnik, in Bestückungsautomaten, der Präzisionsoptik, Telekommunikation, Luft- und Raumfahrt sowie der Robotik.

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