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Exklusive Details in der Struktur

Auftragsfertigung: Zulieferer bietet parametrierbare eigene Entwicklung zur Nutzung an
Exklusive Details in der Struktur

Die Kompetenz beim Tiefziehen von Implantatwerkstoffen nutzt Jossi Orthopedics nicht nur, um Aufträge zu bearbeiten. Eine eigens entwickelte Makrostruktur für Hüftpfannen lässt sich parametrieren und an Implantate verschiedener Hersteller anpassen.

Stellen Sie sich vor, Sie gingen in ein Möbelgeschäft, um einen Esstisch mit Stühlen zu kaufen. Das gewählte Mobiliar hat einen ungewöhnlich hohen Preis, worauf der Verkäufer Ihnen erklärt, es handele sich schließlich um innovative Möbelstücke mit je vier Beinen. Sie befinden verärgert, schon die Pfahlbauer hätten ihr Wildbret an ähnlichen Möbeln verzehrt und gehen zu einem Mitbewerber, der Ihnen die Ware zu einem marktkonformen Preis anbietet.

Szenenwechsel: Der Verkaufsberater einer Orthopädiefirma sitzt beim Einkaufsleiter einer Spitalkette und erläutert sein Angebot für Hüftimplantate. Der Einkäufer befindet es als viel zu hoch, worauf der Verkäufer die hervorragende Qualität, seine gute Beratung sowie das Engagement seines Unternehmens für F&E hervorhebt. Der Einkäufer stellt fest, das Design der Hüftprothese sei über 30 Jahre alt, Qualität selbstverständlich, und die Orthopäden könnten Implantate im Schlaf einsetzen; er sei nicht bereit, auch nur einen roten Heller für Beratung oder F&E auszugeben. Er kauft bei einem Mitbewerber mit marktkonformen Preisen.
Diese Beispiele machen deutlich: Der Markt für Gelenkimplantate ist nach einer drei Jahrzehnte langen Wachstumsphase in der wirtschaftlichen „Normalität“ angekommen. Bewährte Designs wurden Allgemeingut und finden sich in jedem Produktsortiment. Den Druck auf Preise, Kosten und Margen bekommen nun alle Marktteilnehmer zu spüren, auch ein Auftragsfertiger wie die Jossi Orthopedics AG in Islikon in der Schweiz. Umdenken ist daher angesagt. In der Reifephase des Marktes muss Innovation zur Kostensenkung führen, ohne das mit dem Produkt verbundene Risiko zu erhöhen.
Auf den ersten Blick sieht das nach einem innovationsfeindlichen Umfeld aus. Aufgrund der eigenen Ressourcenknappheit aber erwarten die Auftraggeber, dass ein Auftragsfertiger sich in die Produkt- und Prozessentwicklung einbringt. Hier gibt es gute Chancen, sich – selbst in der Zuliefererrolle – als innovativer Partner zu profilieren.
Die Fachleute bei Jossi Orthopedics haben das vor Jahren erkannt und von Erfahrungen mit Branchen profitiert, die schon vor Jahrzehnten mit einer ähnlichen Situation konfrontiert waren, beispielsweise der Automobilindustrie. Daraus ließ sich eine einfache Strategie ableiten: Identifiziere deine technologische Stärke, fokussiere darauf und erreiche Kostenführerschaft.
Die Stärke bei Jossi ist das Tiefziehen von Implantatmetallen, insbesondere von Reintitan und Titanlegierungen, die zur Herstellung der Schalen von zementfrei implantierbaren Hüftpfannen besonders geeignet sind. Dies führt zu endformnahen Schalenrohlingen, die nur noch wenig CNC-Bearbeitung erfordern. Das Reduzieren der Bearbeitungszeit und die Möglichkeit, den Prozess zu automatisieren, führt hier zu signifikanten Einsparpotenzialen.
Es blieb zu klären, wie die zukünftige, in hohen Volumina produzierbare Hüftschale aussehen wird. Primärfixation durch Makrostrukturierung und Grobstrahlen der Schalenaußenseite zu erreichen, ist die bei weitem günstigsten Variante. Zum Vergleich: Das Aufbringen einer Titan-Plasmaschicht würde die Herstellkosten verdoppeln, eine gesinterte 3D-Struktur (Porous Coating) mindestens verdreifachen.
Die am effizientesten herstellbare Struktur hat Jossi patentiert und den Herstellern von Produkten für den Sektor Orthopädie angeboten. Das Geschäftsmodell dafür ist einfach: Alle Orthopädiefirmen haben bestehende Pfannenfamilien, die über einheitliche Einsätze aus PE oder Keramik verfügen. Häufig aber fehlt eine Variante für Märkte, in denen Orthopäden – wie im deutschsprachigen Raum – bevorzugt makrostrukturierte Pfannen implantieren. Solche Lösungen haben das Potenzial, sich auch in Märkten mit hohem Kostendruck, wie beispielsweise Asien, zu einem Standardimplantat zu entwickeln
Das Unternehmen Biomet, vor dem Zusammenschluss mit Zimmer der weltweit viertgrößte Hersteller von Orthopädieprodukten, nutzte dieses Angebot von Jossi. Seine G7-Pfannenfamilie wurde mit einer bisphärischen Pfanne ergänzt. Diese Schale ist im Bereich der Öffnung einen Hauch größer als der Pfannenfräser und verklemmt sich beim Implantieren im Knochen („Pressfit“). Die Zähnchen der von Jossi entwickelten Makrostruktur, die ähnlich wie Widerhaken ausgebildet sind, halten die Pfanne so stabil in Position, dass Knochenzellen auf die Oberfläche wachsen können und die Pfanne dauerhaft knöchern integrieren.
Die einmal entwickelte Makrostruktur lässt sich jedoch parametrisieren. Diese Möglichkeit nutzte Biomet und bekam so einen eigenen, exklusiven Parametersatz für Form, Orientierung und Anordnung der Zähnchen. Obgleich es sich um ein bewährtes Verankerungsprinzip handelt, besitzt die bisphärische Pfanne von Zimmer Biomet nun doch eine einzigartige Struktur, ein unverwechselbares, innovatives Merkmal.
Aber nicht nur die Zulieferer fokussieren sich auf das Kerngeschäft, sondern auch die Hersteller von Produkten für die Orthopädie. Fast alle in den vergangenen Jahren neu gegründeten Unternehmen verzichten auf eine eigene Produktion und konzentrieren sich auf Produktzulassung sowie Marketing und Verkauf. Selbst bei marktführenden Orthopädiefirmen wurden in den vergangenen Jahren etwa ein halbes Dutzend große Produktionsstätten geschlossen. Kapitalkräftige Zulieferer kaufen diese Fabriken und beliefern nun den früheren Eigentümer, der nicht nur seine Kosten senkt, sondern auch flexibler wird.
Das Fokussieren auf das Kerngeschäft hat aber noch einen Aspekt. Innovation führt ein Unternehmen schnell in Bereiche außerhalb der Kernkompetenz. Dann werden aus früheren Mitbewerbern zuweilen sogar Partner. Aber auch branchenübergreifende Partnerschaften entstehen, wie zwischen Jossi Orthopedics, deren Kernkompetenz bei Pfannenschalen und der Instrumentenentwicklung liegt, und Ceramtec, dem Marktführer bei keramischen Implantatkomponenten. Ziel der Zusammenarbeit ist es, eine werksmontierte Hüftpfanne mit keramischer Gleitfläche zu entwickeln. Bei dieser Monoblock-Pfanne können besonders dünne Wandstärken realisiert werden, weshalb auch bei kleinen Pfannen verhältnismäßig große Kugelköpfe eingesetzt werden können. Dies verbessert die Stabilität des Hüftgelenks und ermöglicht einen größeren Bewegungsumfang, generiert also für den Patienten eine nachhaltig verbesserte Lebensqualität.
Dr. Martin Schmidt Jossi Orthopedics, Islikon/Schweiz
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