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Erwartungen an ein Lüfterleben

Prüftechnik: Elektromechanische Bauteile benötigen realitätsnahe Angaben zur Standzeit
Erwartungen an ein Lüfterleben

Die Lebensdauer ist eine der wichtigsten Eigenschaften eines Produktes. Dies gilt besonders für elektromechanische Bauteile wie Lüfter. Unterschiedliche Angaben der Hersteller machen es bisweilen schwer, Produkte in dieser Kategorie zu vergleichen.

Computerelektronik kommt in zahlreichen medizintechnischen Systemen zum Einsatz. Die dabei entstehende Wärme muss konstant mit einem Lüfter abgeführt werden. Wie lange dieser voraussichtlich störungsfrei läuft, ist daher für die Produzenten der Systeme ein wichtiges Entscheidungskriterium. Die Hersteller von Lüftern sind indes nicht in der Lage, ihre Produkte über Lebenszyklen hinweg zu testen, bevor sie auf den Markt kommen, sondern nutzen hierfür spezielle Berechnungen. Der Lüfterspezialist EBM-Papst aus St. Georgen im Schwarzwald setzt darum auf einen Mix aus Theorie und Praxis. In die Berechnung fließen Erfahrungswerte ebenso ein wie die im Dauerlauflabor gemessenen Daten. Weil andere Hersteller wiederum mit ihren eigenen Berechnungen arbeiten, müssen die jeweiligen Angaben richtig bewertet werden, um zu einem aussagekräftigen Vergleich zu gelangen.

Zwei häufig verwendete und damit leicht verwechselbare Begriffe sind die Lebensdauer und die Zuverlässigkeit. Die Lebensdauer, oft mit L10 abgekürzt, gibt den Zeitraum in Stunden an, in dem bis zu 10 % der Geräte ausgefallen sind. Ein L10 von 100 000 Stunden bedeutet, dass 90 % der getesteten Lüfter diese Laufzeit erreicht haben.
Die Zuverlässigkeit hingegen wird mit dem Wert Mean Time Between Failure (MTBF) angegeben. Aussagen über MTBF-Werte sind nur während der geplanten Nutzungsdauer gültig. Danach kann die Ausfallrate aufgrund von Abnutzungserscheinungen deutlich ansteigen. Ein MTBF-Wert von 1 000 000 Stunden – das entspricht rund 110 Jahren – bedeutet, dass bei 1000 gleichzeitig laufenden Lüftern alle tausend Stunden, also gut alle 42 Tage, ein Lüfter ausfällt.
Beide Werte sind in der Regel nicht ineinander umzurechnen. Der Grund dafür liegt in der Gewichtung des Ausfallverhaltens von Bauteilen. Durch fehlerhafte Teile oder Montagefehler können zu Beginn einer Produktserie vergleichsweise mehr Teile ausfallen als im späteren Verlauf. Diesen Teil der Versagenswahrscheinlichkeit kann man durch Test und „Burn-in“, also Einlaufen des neuen Teils vor der Auslieferung, reduzieren. In der Folgezeit überstehen die als gut befundenen Geräte eine lange Betriebszeit mit geringen Ausfällen. Gegen Ende der Lebensdauer macht sich Verschleiß bemerkbar, die Ausfallrate steigt.
Oft werden, um die Testzeit im Labor zu begrenzen, viele Geräte für kurze Zeit betrieben, meist sechs Monate bis zu einem Jahr. Daraus wird auf die Lebensdauer hochgerechnet, oft aber, ohne den Verschleiß einzubeziehen. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor: Externe Einflüsse werden meist durch Tests unter erhöhten Temperaturen dargestellt. Der Nachteil gegenüber einem echten Langzeitdauertest ist, dass die „Rückrechnung“ auf normale Einsatztemperaturen bei manchen Herstellern nicht nachvollziehbar ist. So wird von einer längeren Lebensdauer ausgegangen, wenn die Einsatztemperatur niedriger liegt als im Test. Wird diese „Hochrechnung“ mehrfach angewendet, etwa wenn der Test der Lüfter bei 70 °C stattfindet und die Lebensdauer bei unter 40 °C angegeben wird, ergeben sich schnell unrealistisch hohe Werte für die Lebensdauer.
Der Hersteller EBM-Papst stellt deshalb in seinen Katalogen drei unterschiedliche Angaben zur Lebensdauer bereit. Die beiden ersten Werte beziehen sich auf Messungen bei Temperaturen von 40 und 70 °C bis zum tatsächlichen Ausfall der Lüfter. Dazu laufen die Lüfter im Prüflabor im Dauerbetrieb. Das Unternehmen kann heute zum Teil auf Daten zurückgreifen, die in mehr als 30 Jahren Dauerlauf gewonnen wurden. Wie sich das Material im Einsatz verhält, fließt also in die theoretischen Berechnungen mit ein. Um dem Anwender einen noch einfacheren Vergleich zu bieten, stellt das Unternehmen schließlich einen dritten Wert, die Lebensdauererwartung, dazu. Er basiert auf den im allgemeinen Lüftermarkt häufiger verwendeten Berechnungsmethoden.
Das unabhängige österreichische Kompetenzzentrum für Tribologie (AC²T) hat jüngst einige Lüfter von EBM-Papst untersucht, die eine Laufdauer zwischen 14 und 23 Jahren aufwiesen. Die Befunde haben die hausinterne Lebensdauerauswertung bestätigt. Für Anwender ergibt sich somit, dass sie Lebensdauerangaben hinterfragen sollten, da sie stark variieren. Die Datengrundlage muss auf jeden Fall durch Langzeitversuche ständig überprüft werden. Hersteller mit nachvollziehbarem, über Jahre die Produktion begleitenden eigenem Prüfbetrieb können hier realistische Werte bieten.
  • Dr. Lutz Ramonat Forschung und Entwicklung bei EBM-Papst, St. Georgen
  • Andreas Zeiff Redaktionsbüro Stutensee

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    • Wie lange Lüfter laufen
      Zwei Kurven, zwei Interpretationen: Der Lüfterspezialist EBM-Papst legt Wert darauf, bei seinen Lebensdauerberechnungen auch den möglichen Verschleiß zu berücksichtigen, wie er sich in realen Produkttests mit Lüftern zeigt. Wie unrealistisch hohe Nutzungsdauern allein aus Berechnungen erscheinen können, zeigt die so genannte Weibull-Auswertung, eine statistische Methode zur Vorhersage von Lebensdauern. Die linke Kurve im Diagramm berücksichtigt die Verschleißerscheinungen und ergibt eine Lebensdauer L10 von etwa 80 000 Stunden. Ab dann zeigt sie einen deutlichen Anstieg der wahrscheinlichen Ausfälle in Richtung 20 %. Wird die Lebensdauer berechnet, ohne den Verschleiß einzubeziehen, ergibt sich eine Fortführung der Kurve, wie sie rechts im Bild zu sehen ist. L10 würde dann erst bei 150 000 Stunden erreicht, gefolgt von einem linearen Anstieg der Ausfälle. Die Tester von EBM-Papst finden das unrealistisch.
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