Was lockt Sie in ein Restaurant: Weiße Tischdecke und gefaltete Stoffservietten, die leckerste Pizza aus dem Steinofen oder die Speisekarte mit einem Mix aus isländischen und mongolischen Spezialitäten? Egal, wie Sie die Frage beantworten: Irgendein Gastronom hat mit Sicherheit auch diese Nische besetzt und hebt sich mit vergammeltem Hai oder der Filzjurte für Familienfeiern bis zehn Personen vom Durchschnitt ab.
Aber abgesehen von den Details ist es doch immer dasselbe: Sitzen, Essen, Trinken. Zugegeben, ein paar neue Ideen haben wir in den vergangenen Jahren gesehen. Erlebnisgastronomie ist das Stichwort: Mutige Köche stellen die Tische der betuchten Gäste um ihre Kochinsel auf und lassen das Publikum vom Gemüseputzen bis zum 3-Sterne-Fettspritzer an der Evolution der Mahlzeit teilhaben. Man kann natürlich auch während eines Konzertes picknicken oder versuchen, zwischen den Gängen des Menüs einem Krimi-Theater zu folgen. Wer der Mörder war, ist am Ende meist weniger wichtig als die Frage, ob man am Buffet noch was von der roten Grütze mit Vanillesoße abbekommt.
Nur reißt das alles irgendwie keinen mehr vom Hocker, hat man doch alles schon erlebt, gehört oder im Fernsehen gesehen. Da ist es sehr erfrischend zu erfahren, dass ein kleines Café in Aachen eine anscheinend noch unbesetzte Nische gefunden hat. Kaffee, Kuchen, viel Holz bei der Raumgestaltung – und Sie raten nicht, was diesen Dreiklang ergänzen könnte. Das zusätzliche Angebot hat einen beinahe drogenähnlichen Einfluss (es ist legal!), beeinflusst den Stoffwechsel des Körpers und macht den Menschen munter. Denn passend zur Jahreszeit ist das ultimative neue Angebot: Licht.
Natürlich käme niemand auf die Idee, das gemütliche Ambiente mit grellen Strahlern aufs Spiel zu setzen, nur um der drohenden Winterdepression zu entgehen. Und Kerzen allein reißen es halt auch nicht raus. Nein, der Gastronom arbeitet mit einem Anbieter von mobilen Lichttherapiegeräten zusammen. Die Rede ist von Brillen, Kunststoffgestell mit acht LED und einem Akku, für schlappe 200 Euro. Während die Gäste ihren Kaffee schlürfen, dürfen sie so eine High-Tech-Brille kostenlos aufsetzen, vielleicht die Zeitung lesen oder gucken, wie sich das spacige arztkittelweiße Design auf den Nasen der anderen Besucher ausnimmt. „Medizinisch zertifiziert“ soll die Brille sein, die ein Professor an einer australischen Hochschule entwickelt hat. Mit den Wirkungen des Sonnenlichts kennt man sich da ja aus, nur dachte ich immer, es gäbe Down under eher zu viel davon?
Aber egal, man soll nicht kleinlich sein: Schon ein Viertelstündchen mit grünlichem Licht, das über eine Art holografisches Visier zum Auge gelangt, soll die schläfrige Stimmung vertreiben und uns fit machen für die alltäglichen Herausforderungen, auch im Winter. Das würde ich glatt ausprobieren, sollte ich demnächst in Aachen sein. Wenn es funktioniert, kündige ich meinen Job und steige in die Medizintechnik-Gastronomie ein. Einen Namen für meine Teestube (man braucht ja Nischen) habe ich auch schon: Bar jeder Erleuchtung.
Weitere Informationen
Über die Lichtbrille:
Über das Café in Aachen
(Am sympathischsten war der Spruch auf der Tafel, angeblich ein Voltaire-Zitat: Da es die Gesundheit sehr fördert, habe ich beschlossen, glücklich zu sein.)
Über Lichttherapie an sich und die am besten geeigneten Tageszeiten für eine Anwendung
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