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Erfahrung ja, Risiko nein

Simulation: Ausbildung profitiert von steigender Rechenleistung
Erfahrung ja, Risiko nein

Die Qualität medizinischer Simulationen steigt. In der Ausbildung, aber auch bei der Produkteinführung lassen sich Produkteigenschaften leichter demonstrieren und trainieren. Für Gerätehersteller ist das ein Instrument fürs Marketing.

Was für Piloten bereits Alltag ist, könnte für Mediziner zukünftig ein Plus werden. Gemeint ist der Simulator, in dem der angehende Pilot das normale Fliegen und sein erfahrener Kollege das Verhalten in Extremsituationen trainiert. „Mittlerweile finden sich auch in der Medizin Simulatoren häufiger“, berichtet Prof. Jürgen Hesser vom Lehrstuhl für experimentelle Strahlentherapie der Universität Heidelberg. Mit dazu beigetragen habe die stetig wachsende Leistungsfähigkeit moderner Rechnersysteme, die aber dennoch handelsübliche PC sind. Ihre Leistung mache sich insbesondere bei der Grafik bemerkbar. „Wo früher Bluttröpfchen herunterruckelten oder rechteckig dargestellt waren, sieht man sie heute in Echtzeit herunterrinnen.“ Was zunächst nach Spielerei aussieht, kann die Akzeptanz für ein System beim Anwender aber erheblich erhöhen. Je realistischer die Darstellung ist, desto eher beschäftige er sich damit.

Bewährt hätten sich Simulatoren etwa im Bereich der Anästhesie oder der Laparoskopie, also der Bauchspiegelung. „Hier sind Simulatoren ständig im Einsatz, an denen sich per Laptop verschiedene Parameter einstellen lassen“, fährt der Wissenschaftler fort. Erfahrene Mediziner könnten so das Verhalten in Stresssituationen trainieren, angehende erste Erfahrungen sammeln. „Interessant ist der Einsatz auch für Kardiologen, die so das Handhaben von Kathetern erlernen können“, so Hesser weiter. „Vaskuläre Simulatoren sind aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit heute viel besser für die Lehre geeignet als das Arbeiten am Tiermodell.“ Am Rechner werde die Physiologie des Menschen simuliert. Reale Patientendaten beispielsweise aus Filmen, die während Standardeingriffen aufgenommen wurden, liefern die Basis dafür. Der Kardiologe setze dabei die Originalinstrumente ein und arbeite an einer Puppe, während er vor sich auf dem Bildschirm das Röntgenbild sehe. „Die Bewegungen des Katheters werden erfasst, in Echtzeit im Modell nachvollzogen und auf den Monitoren dargestellt.“
Einen solchen Simulator für das Katheterlabor liefert etwa die Cathi GmbH. „Der Herzsimulator hat sich etabliert, wird aber noch nicht überall anerkannt“, ergänzt Dr. Ulrike Kornmesser, Geschäftsführende Gesellschafterin des Mannheimer Unternehmens. Für die Experten sei die Simulation noch nicht ausreichend, doch Anfänger könnten sehr gut mit dem System arbeiten. „Mit der steigenden Rechnerleistung, insbesondere von Dual- und Quad-Core-Systemen, können wir zukünftig deutlich mehr erreichen.“
Bei Cathi – so lautet auch der Produktname für das Catheter Instruction System – ist aber nicht die Grafikleistung entscheidend, da lediglich ein zweidimensionales Röntgenbild in Grautönen dargestellt wird. „Vorherzusagen, wie sich ein Katheter in organischem Gewebe bewegt, ist aber äußerst komplex und erfordert die meiste Rechenleistung“, erläutert die Firmenchefin. „Hier müssen wir mit vielen Näherungen und quasistatischen Modellen arbeiten.“ Der Übergang zu dynamischen Modellen, die mit steigender Rechenleistung möglich werden, verspricht deutliche Verbesserungen.
Wenn der Anwender den Simulator akzeptiere, seien auch Details wie etwa die grafische Darstellung eher zweitrangig, berichtet die Cathi-Gründerin. Und auch die Haptik spiele eine eher untergeordnete Rolle. Das Entscheidende finde im Kopf statt. „Zudem ist der menschliche Faktor am wichtigsten – und hier unterscheidet sich die Medizin deutlich von der Luftfahrt.“ So hätten die Piloten den Simulator akzeptiert, er sei Teil ihres beruflichen Alltags. Die Erkenntnis, dass auch erfahrene Kardiologen ihr Verhalten für seltene Fälle oder Notfälle trainieren können, habe sich noch nicht durchgesetzt.
Simulator ist für Gerätehersteller wertvoll
„Von großem Wert ist der Simulator vor allem auch für die Hersteller medizintechnischer Produkte“, fährt Ulrike Kornmesser fort. „Wer ein Produkt im Rahmen einer Simulation vorführt, kann wesentlich mehr zeigen als bei der Präsentation am Tisch.“ Der Anwender verstehe schneller, welche Vorteile ein Produkt biete. „Wir können mit unserem Simulator ein produktindividuelles Training anbieten.“ So lasse sich auch verhindern, dass ein Produkt falsch eingesetzt werde.
Speziell im Bereich Marketing sieht auch Dr. Klaus-Jürgen Quast, Geschäftsführer der Entec GmbH in Sankt Augustin, ein große Chance für die Simulation. „Mit einer dreidimensionalen Animation können wir einen Sachverhalt herleiten und auf den Punkt bringen.“ Virtual-Reality-Anwendungen ermöglichten es, dass sich der Benutzer frei in einem Szenario bewege, es selbst erkunde, beeinflusse und darin experimentiere.
Die Hochschullehre habe ebenfalls Interesse an dieser Technologie. „Hier haben wir beispielsweise mit Sonocard eine Trainingsumgebung für die Echokardiographie erstellt, in der sich an einem virtuellen Herzen 20 der wichtigsten Herzkrankheiten per Ultraschall diagnostizieren lassen“, so Quast weiter. Basierend auf der medialen Kombination sonographischer Befundbilder und der interaktiven Virtual-3D-Visualisierungen, vermittele Sonocard ein räumliches Verständnis der Anatomie und Funktion erkrankter Herzen sowie zugeordneter Diagnosemethoden per Ultraschall. „Die Schallsonde wird dazu auf einer Puppe geführt, während der Rechner in Echtzeit die zur gewählten Erkrankung passenden 3D-Darstellungen liefert.“ Wesentliche Basisfunktionen und medizinische Inhalte entstanden in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojekt zusammen mit dem Herzzentrum der Universität Essen.
Michael Corban Fachjournalist in Nufringen

Beste Sicht

Einen Simulator für die intraokulare Chirurgie, der das Training von Katarakt- und vitreoretinalen Operationen ermöglicht, bietet die Mannheimer VRmagic GmbH an. Der Operateur arbeitet mittels Eyesi mit realistischen, handgeführten Instrumenten, die in ein künstliches Auge eingeführt werden. Die Bewegung der Instrumente und die Orientierung des Auges werden durch präzise Sensoren detektiert und an den Computer übermittelt, der das virtuelle Operationsszenario in das Eyesi-Mikroskop einblendet. Um die Darstellung weiter zu verbessern, beteiligt sich VRmagic am Projekt Tracell (siehe S. 72), in dem die Eignung eines Clusters von Spielekonsolen-Prozessoren für so genannte Ray-Tracing-Verfahren untersucht wird. Anders als bei herkömmlichen Visualisierungen soll so die Brechung der Lichtstrahlen im Auge bei der Simulation berücksichtigt werden. www.vrmagic.com

Ihr Stichwort
  • Simulation und Marketing
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  • Training
  • Lehre
  • Weiterbildung

  • Virtual Reality zum Anfassen
    Die Veranstaltung „Medizintechnik innovativ – moderne Simulations- und Visualisierungsverfahren für Produktentwicklung und medizinischen Einsatz“ findet am 18. und 19. März im Landratsamt Tuttlingen statt. Veranstalter sind die Demonstrationszentren (VDC) Fellbach und St. Georgen in Kooperation mit dem Wirtschaftsministerium des Landes Baden-Württemberg. Als Partner stellt die Stuttgarter Visenso GmbH ihre VR-Produkte vor, die sich speziell an mittelständische Anwender richten. Zudem werden Prof. Jürgen Hesser sowie Prof. Reinhard Männer vom Institut für technische Informatik der Universität Heidelberg einen Vortrag zu VR-Trainingssystemen halten.
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