Frankreich gibt wie Deutschland rund 11 % seines Bruttoinlandsproduktes für Gesundheit aus. Um Kosten zu senken, setzt die Regierung auf eine bessere Prävention und mehr ambulante Behandlungen. Neue digitale Technologien können bei der Umsetzung helfen.
Unter dem Stichwort e-Santé, oder e-Health, werden digitale Dienste für den Gesundheitssektor auch in Frankreich seit einigen Jahren verstärkt diskutiert. Dabei umfasst der Oberbegriff eine Vielzahl unterschiedlicher Technologien mit sehr verschiedenen Anwendungsbereichen. Das Spektrum reicht von der nationalen Patientendatenbank oder dem elektronischen Abrechnungssystem für medizinische Leistungen über vernetzte medizintechnische Geräte und Krankenhaussoftware bis zu Anwendungen für das Mobiltelefon und der Behandlung auf Distanz, der Telemedizin.
Während die Digitalisierung des stationären Gesundheitssystems in entwickelten Ländern wie Frankreich oder Deutschland längst Realität ist, beispielsweise in Form einer Versichertenchipkarte zur Abrechnung der Behandlungskosten oder Praxissoftware zur Führung einer elektronischen Patientendatei, steckt die Einführung mobiler Gesundheitsdienste, auch m-Health genannt, etwa über das Smartphone, noch in den Kinderschuhen. Hier entstehen zahlreiche neue Möglichkeiten beispielsweise für eine präventive Steuerung des Verhaltens, die Beobachtung relevanter Gesundheitsdaten bei chronisch Kranken oder nach Behandlungen sowie in der Ferndiagnose und -behandlung.
Einer Untersuchung des Marktforschungsinstituts Xerfi zufolge hatte der Sektor e-Santé, hier verstanden als Informationstechnologie für den Gesundheitssektor und Telemedizin, in Frankreich 2014 ein Volumen von 2,7 Mrd. Euro, wovon 2,36 Mrd. Euro auf IT-Systeme entfielen. Bis 2020 prognostiziert die Studie in verschiedenen Szenarien ein Wachstum von 4 bis 7 % im Jahr.
Die neuen Möglichkeiten mobiler Dienste können wesentlich dazu beitragen, zum Beispiel die Dauer des durchschnittlichen Krankenhausaufenthaltes von derzeit acht auf sechs Tage zu senken, wie es Gesundheitsministerin Marisol Touraine anstrebt. Der Patient kann früher nach Hause, bleibt aber über mobile Geräte weiter unter medizinischer Beobachtung und kann über Telemedizin mit den behandelnden Ärzten sprechen. Die Belastung der Kapazitäten der Krankenhäuser wird geringer, eventuell müssen Patienten auch seltener zu Nachuntersuchungen kommen.
Dabei können spezielle medizintechnische Geräte die Rechen- und Übertragungsleistung eines Smartphones oder Tabletts nutzen oder gegebenenfalls sogar die eingebaute Sensorik des Telefons selbst verwenden. Messgeräte wie Personenwaagen werden vernetzt und können die Daten weitergeben. Es gibt mittlerweile zigtausende Apps, die sich im weitesten Sinne unter den Titel e-Health subsummieren lassen. In den allermeisten Fällen gehören die Anwendungen allerdings in die Bereiche Sport, Fitness und Wellness, messen Werte wie Körpertemperatur, Transpiration oder Pulsfrequenz. Sie können aber gerade deshalb zur Prävention beitragen, indem sie gesündere Verhaltensweisen fördern oder Gefährdungen frühzeitig aufzeigen.
Die gemessenen Daten ergeben natürlich nur dann Sinn, wenn sie auch entsprechend ausgewertet und medizinisch bewertet werden. Damit entstehen neue Anforderungen an Software zur Aufbereitung der Informationen und an die Vernetzung zwischen Patienten, Medizinern, Betreuern, Apotheken und anderen. Zur Weiterentwicklung der Technologien sind in Frankreich verschiedene Inkubatoren mit dem Schwerpunkt e-Santé gegründet worden. So arbeiten in Lille rund 30 junge Unternehmen im Gründerzentrum Clubster Santé zusammen mit dem Centre Hospitalier Régional. In Paris haben sich die Gründerzentren Paris & Co und Paris Innovation Boucicaut oder Paris Bio Tech auf den Bereich spezialisiert.
Von zentraler Bedeutung sind neben ihrer sinnvollen Verwendung die Sicherheit und vertrauliche Behandlung der zum Teil hochsensiblen persönlichen Gesundheitsdaten. Regeln hierfür zu entwickeln ist eine der Aufgaben der beim französischen Gesundheitsministerium angesiedelten Agence des Systèmes d’Information Partagés de Santé (ASIP Santé). Ein weiteres Arbeitsfeld der Agentur ist die Definition von Standards, um die Interoperabilität der verschiedenen Dienste zu gewährleisten. Beispiel hierfür ist der seit 2012 entwickelte Kurzmitteilungsdienst MSSanté (messageries sécurisées de santé), über den Ärzte und Pflegepersonal in Krankenhäusern, niedergelassene Ärzte und Gesundheitsdienstleister medizinische Informationen in einem gesicherten Netz austauschen können.
Dr. Marcus Knupp Germany Trade & Invest, Berlin
Ihr Stichwort
- Gesundheitsmarkt Frankreich
- Digitale Technologien
- Personalisierte Leistungen
- Datensicherheit
- Chancen für deutsche Hersteller
Fakten zum Markt
Der gesamte französische Markt für Medizintechnik hat ein Volumen von rund 21 Mrd. Euro. 2013 beliefen sich die Ausgaben für Gesundheit auf knapp 250 Mrd. Euro. Gute Geschäftschancen für Hersteller bieten vor allem Diagnostiksysteme, das Image Networking mit Bilddatenbanken und nicht-invasive Eingriffstechniken in der Chirurgie. Im Hilfsmittelmarkt bleibt die Nachfrage nach Knie-, Hüft- oder Ellbogenprothesen hoch. In der Intensivpflege steigt das Interesse für Beatmungsgeräte, Inkubatoren und Pumpen der jeweils neuesten Technologie. Der Hygienezweig dürfte infolge wachsender Anforderungen an die Sicherheit für Personal und Patienten ebenfalls zulegen. In der Rangfolge stand 2013 Die Schweiz mit einem Importanteil von 17,2 %) an erster Position, vor Deutschland mit 15,8 % und den Niederlanden (14,5 %), den USA (13,7 %) und Belgien (10,5 %).
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