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Energie und Daten gelangen drahtlos ins Implantat

Aktive Implantate: Energieversorgung für verschiedene Einsatzbereiche
Energie und Daten gelangen drahtlos ins Implantat

Aktive Implantate brauchen Energie, sollen den Träger nicht überfordern und dürfen im Körper nicht zu viel Wärme abgeben. Mit Hilfe der Simulation lassen sich diese Anforderungen erfüllen. Erfolgreiche Ansätze gibt es für Orthopädie und Urologie.

Innovative Implantate, die Bewegungen und Vorgänge im menschlichen Körper beeinflussen sollen, sind auf Energiezufuhr angewiesen. Eine zuverlässige, sichere und leistungsfähige Versorgung hat die Igers- heimer Wittenstein Intens GmbH für ihr Implantat Fitbone entwickelt, das einen Knochen stabilisiert und zugleich Wachstum ermöglicht. Im „mitwachsenden“ vollimplantierbaren Distraktionsmarknagel wird die Energie über induktive Kopplung übertragen und das Implantat drahtlos mit elektrischer Energie versorgt. Das System lässt sich auch für andere Implantate nutzen und anpassen.

Das Funktionsprinzip ist mit dem einer elektrischen Zahnbürste vergleichbar: Die Energie wird über elektromagnetische Kopplung von einer Spule zur anderen übertragen. Dazu wird die Sendespule auf die Haut aufgesetzt. Direkt darunter ist die Empfängerspule implantiert. Sie kann im subkutanen Fettgewebe oder auch in der äußersten Muskelschicht liegen und zeichnet sich somit nicht auf der Hautoberfläche ab.
Um auch bei großen Spulenabständen einen möglichst hohen Wirkungsgrad zu erzielen, setzen die Entwickler der spezifischen Spulen auf Finite Elemente Simulation. Dabei bestimmt der vorgesehene Implantationsort die maximale Größe der Spulen sowie die Strecke, über welche die Energie übertragen werden muss. Je nach Anwendung können Luftspulen oder Spulen mit Ferritkern verwendet werden. Das mit Energie zu versorgende Implantat definiert schließlich, wie groß die benötigte Leistung sowie die Betriebsspannung sein wird.
Stehen diese Parameter fest, kann mittels eines Simulationstools die Spulengeometrie optimiert werden. Durch die Anpassung an die Anwendung sind Wirkungsgrade über 90 % erreichbar, selbst wenn die Spulen nicht ideal zueinander ausgerichtet sind. Für den Patienten ist das von Bedeutung, denn seine Bewegungen rufen einen Spulenversatz hervor – und wenn das System diesen ausgleichen kann, ist seine Freiheit kaum eingeschränkt.
Um das Gewebe nicht unnötig zu schädigen und ressourceneffizient zu arbeiten, überträgt das System stets nur so viel Energie, wie vom Implantat benötigt wird. Dabei kann die Spannung in einem Bereich von 8 bis 24 V konstant gehalten werden. Eine stetige Temperaturüberwachung der Implantatkomponenten verhindert zudem die Fehlfunktion einzelner Baugruppen.
Ein weiterer Vorteil der Simulation ist die Fehlerbetrachtung in einer frühen Phase der Produktentwicklung. Neben den geometrischen Verschiebungen kann auch der Einfluss von Metallen in der Umgebung frühzeitig betrachtet werden. Überdies wird die spätere Anordnung der einzelnen Komponenten so gewählt, dass Wirbelstromverluste oder unerwünschte Erwärmung ebenso ausgeschlossen werden wie störende Einflüsse auf die Elektronik im Implantat. Es kann eine maximale Energie von 20 W übertragen und die Erwärmung in den vorgeschriebenen Grenzen gehalten werden.
Um den Patienten das ständige Mitführen der Energieübertragungseinheit zu ersparen, lässt sich das Implantat aus einem Akku versorgen. Das Energiemanagement bestimmt die Alterung der Akku-Zellen und passt die Ladeparameter laufend an.
Realisierbar sind aber auch sensorische Implantate. Dazu steht eine verschlüsselte Datenschnittstelle zur Verfügung. Um den Ausfall der Funkverbindung und somit den Informationsverlust zu verhindern, ist eine redundante Funkstrecke eingerichtet. Sie nutzt ein zweites Frequenzband. Ist auch diese gestört, kann über das Spulenpaar eine rudimentäre, für den sicheren Betrieb der Implantate notwendige Kommunikation erfolgen.
Das beschriebene und bereits in der Praxis eingesetzte Energieübertragungssystem ist CE-konform und erfüllt somit die Anforderungen der EN 60601. Wittenstein Intens ist nach ISO 13 485 zertifiziert. Zudem bieten die Igersheimer Mechatronikspezialisten die Möglichkeit, Implantate mit transkutaner Energieübertragung, implantierbaren Akkus und einem Energiemanagement auszustatten und alle Komponenten zu einem System zu integrieren.
Derzeit arbeiten die Ingenieure bei Wittestein Intens an einem urologischen Implantat. Hierfür wird über eine Strecke von 30 mm eine Leistung von bis zu 5 W übertragen. Die implantierbare Spule hat einen Durchmesser von 35 mm bei einer Spulenhöhe von 3 mm. Dabei ist die Spule so gestaltet, dass Winkelfehler von bis zu 30° und ein Versatz der Spulen von 20 mm toleriert werden können. Ein Technologietransfer auf Anwendungen als verstellbares Magenband bei Adipositas (Fettleibigkeit), zur Messung von Belastungswerten in Implantaten, auf Medikamentenpumpen, Herzunterstützungssystemen oder Kunstherzen ist aufgrund des Baukastensystems möglich.
Die drahtlose Energieversorgung bietet aber auch Vorteile bei nicht implantierbaren Medizinprodukten. Wenn störende Kabel und Zuleitungen wegfallen, können Operationsgeräte handlicher gestaltet werden. Durch die drahtlose Energieversorgung können elektrische Geräte vollständig gekapselt werden, was zu einer vereinfachten Reinigung, Desinfektion und Sterilisierbarkeit der Geräte führt. Auch die autarken Achsen eines Roboters könnten in naher Zukunft auf diese Weise mit Energie gespeist werden.
Realisiert wird die dafür benötigte miniaturisierte Antriebselektronik auf einer Fläche von 8 x 20 mm². Sie steuert einen Motor, wertet unterschiedliche Sensoren aus und überträgt kabellos Energie und Daten in das Implantat.
Felix Grödl, Roman Stauch Wittenstein Intens, Igersheim

So kommt Energie ins Implantat
Der intramedulläre Marknagel Fitbone wird in die Markhöhle eines Röhrenknochens implantiert und ermöglicht innerhalb einiger Monate Knochenverlängerungen von mehreren Zentimetern – pro Tag etwa 1 mm. Der Patient selbst steuert sein Implantat von außen und hat dafür eine einfache und intuitive Bedienung zur Verfügung.
Damit das so funktioniert, wurde ein passendes Energieübertragungssystem entwickelt. Eine Control Unit (CU) steuert die Sendespule außerhalb des Körpers an und kann so das implantierte Aktor-Sensor-Device (ASD) mit Energie versorgen. In der CU befindet sich auch die Bedienschnittstelle für den Patienten. Der implantierbare, aktive Teil des Systems enthält neben der Implantatsteuerung auch das Energie- und Akkumanagement.

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