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Eingespielte Teams sind die beste Basis

Zweitmeinung via Teleradiologie: Das Wissen deutscher Radiologen ist im Ausland gefragt
Eingespielte Teams sind die beste Basis

Über den International Medical Service befunden deutsche Radiologen Bilder, die Ärzte von ihren Patienten im Ausland aufgenommen haben. Warum sich der Austausch über Kontinente hinweg lohnt, erläutern Prof. Elmar Kotter und IMS-Projektmanagerin Maria Onyshchenko-Dubow.

Herr Prof. Kotter, Frau Onyshchenko-Dubow, wie entstand die Idee, Teleradiologie als Dienstleistung anzubieten?

Onyshchenko-Dubow: Die Idee ergab sich aus unserem Kontakt mit den ausländischen Patienten. Der IMS war einer der ersten Dienstleister, der für Interessenten aus aller Welt eine Behandlung in Deutschland vorbereitet hat. Dabei ging es zunächst um organisatorische Dinge von den Transportmöglichkeiten bis hin zum Visum. Aber es stellte sich heraus, dass auch für die medizinische Seite ein Kontakt sinnvoll ist, schon bevor sich der Patient auf den Weg nach Deutschland macht – um die richtige Therapieentscheidung zu treffen, aber auch, um die richtige Klinik zu finden.
Prof. Kotter: Wir hatten damals schon Erfahrungen in der Teleradiologie gesammelt, da wir uns an einem regionalen Netzwerk beteiligt haben. Technisch gesehen macht es keinen Unterschied, ob die Ansprechpartner ein paar Kilometer weiter sitzen oder auf einem anderen Kontinent. Für den Datenaustausch nutzen wir einen DICOM-Teleradiologie-Server mit gesicherten Verbindungen. So können wir eine Zweitmeinung zu CT-, MRT- oder auch PET-CT-Daten anbieten. Die Herausforderung der internationalen Teleradiologie liegt vor allem darin, dass im Hintergrund viel organisiert werden muss: Wenn zum Beispiel die Radiologen hier in Freiburg eine Rückfrage haben, der behandelnde Arzt aber nur arabisch oder russisch spricht, muss ein geeigneter Dolmetscher greifbar sein – im Notfall auch sehr kurzfristig.
Wie häufig wird die Dienstleistung nachgefragt?
Prof. Kotter: Inzwischen haben wir 250 bis 300 Anfragen im Jahr – wobei für jeden dieser Patienten auch mehrere Befundungen erforderlich sein können, je nachdem, welche Voruntersuchungen es gab. Als wir mit dem Angebot angefangen haben, war die Nachfrage natürlich geringer.
Onyshchenko-Dubow: Wir machen unsere Dienstleistung auf Messen und durch Reisen zum Beispiel nach Dubai oder Russland bekannt. Inzwischen haben wir ein Netzwerk mit Partnern aufgebaut, die mit ihren Patienten die Möglichkeit besprechen, eine Zweitmeinung aus Deutschland einzuholen oder sich sogar hier behandeln zu lassen.
Betreiben Sie die Teleradiologie für ausländische Patienten als Experiment oder ist die angebotene Dienstleistung als Geschäftsmodell zu sehen?
Prof. Kotter: Anfangs war es eher ein Versuch. Aber inzwischen ist unsere Arbeit erfolgreich. Allerdings ist für eine Klinik der Benefit nicht in der Befundung zu sehen, sondern darin, dass zusätzliche Privatpatienten zu uns kommen. Die Möglichkeit, mit dem Arzt vor einer Behandlung in Deutschland zu sprechen, schafft beim Patienten Vertrauen – und er kommt vielleicht eher in eine Klinik, in der er von jemandem operiert wird, mit dem er in der Videokonferenz schon gesprochen hat.
Haben Sie für diese Dienstleistung zusätzliche Fachleute einstellen müssen?
Prof. Kotter: Nein. Wir haben ausreichend qualifizierte und spezialisierte Ärzte hier in den Kliniken, um eine kontinuierliche telemedizinische Versorgung zu gewährleisten.
Wie gut klappt der Austausch mit den Medizinern im Ausland?
Prof. Kotter: Die sprachliche Hürde lässt sich gut überwinden. Auch gerätetechnisch ist das zumeist kein Problem. Kliniken im GUS-Raum, mit dem wir viel zu tun haben, oder auch Häuser in Arabien haben eine Ausstattung, die mit hiesigen Uni-Klinken Schritt hält. Aber das Personal ist nicht immer so gut ausgebildet, wie wir es von hier kennen. Es kam schon vor, dass wir Bilder erhielten, die – wie sich dann herausstellte – ohne den Einsatz von Kontrastmitteln gemacht wurden. Die Fragen, die wir dazu beantworten sollten, waren unter diesen Voraussetzungen aber nicht zu klären. Da oftmals alle folgenden Behandlungsprozesse von den Ergebnissen der bildgebenden Verfahren abhängen, müssen die Bilder aber unter optimalen Voraussetzungen erstellt werden. Daher arbeiten wir am liebsten mit Partnerkliniken zusammen, die unsere Anforderungen kennen – und reisen gegebenenfalls dorthin, um die Mitarbeiter zu schulen. Oder wir überspielen sogar unsere Untersuchungsprotokolle auf die dortigen Geräte, damit die Ergebnisse mit unseren vergleichbar sind.
Wo sehen Sie Grenzen der Teleradiologie?
Prof. Kotter: Die sind erreicht, wenn das Personal die Untersuchungen nicht ordnungsgemäß ausführt. Auch sehe ich die Teleradiologie eher als eine Technik, die für das Einholen einer Zweitmeinung ideal ist – oder für die Beratung mit einem Experten in besonderen Fällen. Eine Primärbefundung sollte vor Ort oder zumindest in der Region erfolgen – wie es für Deutschland über die Röntgenverordnung und das Fernbehandlungsverbot auch geregelt ist.
Wie schätzen Sie die Perspektiven der Teleradiologie bzw. der Telemedizin in den kommenden Jahren ein?
Prof. Kotter:Die Bedeutung der Telemedizin wird sicher zunehmen. Im regionalen Kontext werden Krankenhäuser eine Schwerpunktversorgung anbieten und Expertenwissen für spezielle Fragen über Netzwerke zur Verfügung haben. Beim Thema Schlaganfall haben wir solche Netzwerke schon, beim Thema Trauma sind sie gerade im Kommen. Die Vorteile liegen auf der Hand, auch für Radiologen, die zum Teil schon vernetzt arbeiten. Die Bildung von Expertennetzwerken für die Diagnostik von seltenen Erkrankungen wie malignen Knochentumoren ist nur ein Beispiel, wo die Telemedizin auch überregional sinnvoll eingesetzt werden kann. Durch eine stärkere Vernetzung können noch mehr Patienten vom Wissen der Spezialisten profitieren. Und international ist Deutschland mit diesem Fachwissen gut aufgestellt: Es gibt viele Menschen im Ausland, die eine entsprechende Dienstleistung und auch eine Behandlung hier gern in Anspruch nehmen.
  • Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
  • Weitere Informationen Über den International Medical Service des Universitätsklinikums Freiburg: http://ims.uniklinik-freiburg.de/

  • Über den IMS
    Seit etwa vierzehn Jahren bietet die Uniklinik Freiburg für Patienten den International Medical Service (IMS) an. Dieser bereitet eine Behandlung in einem deutschen Krankenhaus vor, von der medizinischen Seite, aber auch von der organisatorischen Seite aus. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich die Idee für eine ergänzende teleradiologische Dienstleistung, die seit inzwischen sieben Jahren mit angeboten wird: Ärzte und Patienten können sich als Vorbereitung zur Behandlung eine Zweitmeinung einholen. Dafür wendet sich der Arzt im Heimatland des Patienten an den IMS, stellt die Krankengeschichte zusammen und schickt das bisher vorhandene Bildmaterial nach Freiburg. Dort werden die Daten befundet und per Videokonferenz mit dem Arzt und seinem Patienten im Ausland besprochen. Die Sprachbarrieren überwinden Fachübersetzer. Das Ziel der Freiburger Mediziner ist, jede Anfrage spätestens innerhalb von zwei Arbeitstagen beantwortet zu haben, in dringenden Fällen auch schneller.
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