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Chirurg behält den Durchblick

CFK-Materialien: Fasern erlauben neue Anwendungen
Chirurg behält den Durchblick

Leichter als Metall, teurer, aber beim Röntgen konkurrenzlos – so könnte man röntgentransparente Carbonfaser-verstärkte Kunststoffe (CFK) kurz charakterisieren. Daher empfiehlt sich das Material für Operationsbesteck sowie für Implantate.

Carbonfaser-verstärkte Kunststoffe haben ihre Vorteile in Hightech-Anwendungen wie der Formel-1-Renntechnik oder dem Yachtbau längst unter Beweis gestellt – jüngstes Beispiel ist hier das Team Alinghi mit dem Gewinn des America’s Cup. Die hohe Steifigkeit des Werkstoffes bei geringer Dichte ist rennentscheidend, und der Preis spielt keine Rolle.

Das ist in der Medizintechnik anders, doch kommt hier ein weiterer, entscheidender Vorteil von CFK-Materialien zum Tragen: die Röntgentransparenz. Implantate oder Operationsbesteck aus CFK sind auf einem Röntgenbild nicht zu erkennen, wenn man sie nicht mit besonderen Markern oder Kontrastmitteln ausstattet. Da die Anforderungen an Biokompatibilität und Sterilisierbarkeit erfüllt werden, sind die Carbonteile hier schlicht funktionaler als ihre metallenen Pendants – und damit trotz des höheren Preises insgesamt die bessere Lösung.
Die Röntgentransparenz ist bei minimalinvasiven Operationstechniken besonders vorteilhaft, bei denen die Wunde und somit der für den Chirurgen sichtbare Bereich immer kleiner wird. Artefaktbildende Metalle erschweren die Kontrolle auf dem Röntgenbild. Daher hat die Gsell Medical Plastics AG aus Muri in der Schweiz zusammen mit Partnern verschiedene neue Instrumente entwickelt, wie etwa Wundspreizer aus Langfaser-verstärktem PEEK, welche den hohen Kräften bei geringer Durchbiegung standhalten und trotzdem biokompatibel sind.
Leichte, aber dennoch sehr steife Bauteile sowie die Röntgentransparenz sind auch bei Implantaten die Stärken Carbonfaser-verstärkter Kunststoffe. Zusätzlich spielt es hier eine Rolle, dass die Steifigkeit von Metallen prinzipiell zwar höher als die von CFK. Deren Steifigkeit liegt dafür näher an der von Knochen. Bei Implantaten rund um das Skelett lässt sich deswegen mit Hilfe so genannter funktionaler oder dynamischer Implantate eine viel harmonischere Krafteinleitung über eine größere Fläche des Knochens realisieren – überspitzt ausgedrückt wird aus dem Linien- ein Flächenkontakt. Dies regt den Knochen verstärkt zum Wachstum an und sorgt für einen besseren Heilungsprozess. Die gerichteten Eigenschaften der Carbonfasern verbessern diesen Effekt weiter.
Ein zukünftiges Anwendungsgebiet sehen Spezialisten in der Herstellung von Traumaplatten aus CFK. So vertritt Dr. Larry T. Khoo vom Comprehensive Spine Center der University of California die Meinung, dass entgegen früherer Annahmen die Knochenheilung mit dynamischen Implantaten durch die optimale Belastungsverteilung schneller und effektiver verläuft. Auch im Bereich von Rückenimplantaten könnten die belastungsgerecht ausgelegten CFK-Implantate von Vorteil sein. Durch die hohe Druckfestigkeit von CFK-PEEK werden zudem sehr dünnwandige Spine Cages möglich, was ein gutes Durchwachsen des Knochens erlaubt. Gsell stellt bereits heute tausende solcher Implantate her, die als Rohteil aus Kurzfaser-verstärktem PEEK Optima spritzgegossen und mechanisch bearbeitet werden. Auf diesen Werkstoff, also implantierbares PEEK mit Carbonfaser-Verstärkung, hat sich das englische Unternehmen Invibio Ltd. aus Thornton Cleveleys als Anbieter spezialisiert. In zahlreichen Studien wurden Biokompatibilität und Eignung nachgewiesen.
Etabliert hat sich der Werkstoff zudem in der externen Fixierung. Hier werden Ilisarow-Ringe, Fixierungsstäbe sowie Verbindungselemente aus Carbonfaser-verstärkten Kunststoffen hergestellt. Neben Röntgentransparenz und Festigkeit zählt die geringere Wärmeleitfähigkeit gegenüber Metallen, die für mehr Komfort der Patienten sorgt.
Anbieter von Traumaprodukten bieten auch Zielhilfen aus CFK an. Hier vereinfacht die Röntgentransparenz der Teile die Operationstechnik. Zusätzlich schätzen die Chirurgen an den Zielinstrumenten die Leichtigkeit und die Haptik.
Das Unternehmen Gsell hat sich als Zulieferbetrieb auf die Fertigung von Implantaten und Instrumenten aus Kunststoff – insbesondere aus Carbonfaser-verstärkten Kunststoffen – spezialisiert. Durch aufwendige Prüfungen wurden zwei definierte Materialtypen für die Anwendung in medizinischen Instrumenten bestimmt. Diese werden weder durch Sterilisation noch durch Ultraschallreinigung in ihren Eigenschaften und Dimensionen beeinflusst und erfüllen die Anforderungen hinsichtlich der Biokompatibilität.
André Konrad Gsell Medical Plastics, Muri/Schweiz

Faserverstärkte Kunststoffe
Composites, wie faserverstärkte Kunststoffe auch genannt werden, bestehen aus Fasern, vergleichbar einer Textilie, und einem Harz, welches die Fasern verbindet.
Fasertypen Verwendet werden vor allem Carbon-, Glas- und Kevlarfasern. Es gibt aber auch Anwendungen mit PE- und Naturfasern.
Faseraufbau
  • Kurzfaser-verstärkte Kunststoffe: Hierzu zählen Faserlängen von wenigen Millimetern, die vor allem mit durch Spritzguss und Extrusion verarbeitet werden.
  • Langfaser-verstärkte Kunststoffe: Hierbei handelt es sich um Fasern, die sich endlos herstellen lassen. Sie werden unidirektional (UD, alle Fasern laufen in eine Richtung), als flächiges oder als dreidimensionales Gewebe angeliefert.
Harz (Matrix)
Als Harze werden Kunststoffe wie Polyester, Epoxid, PA (Polyamid), PEEK (Polyetheretherketon) oder PEI (Polyetherimid) verwendet. Die Harze verbinden die einzelnen Fasern und übertragen so die Kräfte. Die Festigkeit der Bauteile wird aber durch die Eigenschaft der Fasern bestimmt. Die chemischen und thermischen Eigenschaften hingegen bestimmen sich hauptsächlich aus der Matrix.
Einsatz in der Medizintechnik
In der Medizintechnik werden vor allem Carbonfasern mit Harzen wie Epoxid, PEEK oder PEI verwenden. Thermoplastische Kunststoffe haben gegenüber dem Epoxid den Vorteil geringerer Wasseraufnahme und zeigen somit weniger Verzug und Aufquellen während der Dampfsterilisation. Zu den spezifischen Eigenschaften gehören CT-, MRI- und Röntgen-Kompatibilität (Transparenz), Biokompatibilität, hohe Festigkeit mit gerichteten Eigenschaften je nach Faseraufbau, Dampfsterilisierbarkeit dank geringer Wasserabsorption, Dimensionsstabilität, Leichtigkeit (geringes spezifisches Gewicht) sowie Korrosionsbeständigkeit.

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