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CFK: Werkstoff mit Zukunft

Bearbeitung faserverstärkter Kunststoffe: Entwicklung wirtschaftlicher Verfahren schreitet zügig voran
CFK: Werkstoff mit Zukunft

Kohlefaser verstärkte Kunststoffe sind sehr leicht, sehr fest und daher sehr begehrt. Doch die Bearbeitung dieses Verbundwerkstoffes bereitet noch Probleme. An wirtschaftlichen Verfahren wird mit Nachdruck gearbeitet.

Ausgelassen rangelt Werner M. mit seinem Enkel auf der Wiese. Die wiedergewonnene Beweglichkeit verdankt der Fußamputierte einer Prothese, die aus einem Kohlefaser-verstärkten Kunststoff (CFK) gefertigt ist.

Dieser Hightech-Werkstoff ist fest, steif und leicht, bleibt unter allen klimatischen Bedingungen stabil und verformt sich auch unter hohen Temperatur-Schwankungen kaum. Gründe genug für Experten, in CFK den Werkstoff der Zukunft zu sehen.
Mit einem spezifischen Gewicht von 1,8 g/cm³ ist dieser Verbundwerkstoff bei mindestens gleicher Funktion um bis zu 70 % leichter als Stahl und rund 30 % leichter als Aluminium. Bei den Leichtbaukonzepten der Flugzeug- und Automobilbauer nimmt CFK längst eine Spitzenposition auf der Prioritätenliste ein. Denn ein geringeres Gewicht reduziert den Kraftstoffverbrauch und schont Ressourcen und Umwelt. CFK wird auch Entwicklungen bei der E-Mobilität und bei Anlagen zur Generierung alternativer Energien, wie Windkraftanlagen, beschleunigen. Nicht zuletzt, bedingt durch weitere herausragende Eigenschaften wie Resistenz gegen Korrosion, Säuren und organische Lösungsmittel sowie durch Röntgentransparenz und attraktive Optik, wird er auch zunehmend Einsatz in der Medizintechnik finden.
Bei aller Euphorie über den vorteilhaften Einsatz von CFK gilt es aber, zunächst einmal die durchaus vorhandenen Schwierigkeiten bei der Ver- und Bearbeitung dieses Werkstoffes zu überwinden. Das Problem liegt darin, dass dieser Werkstoff nicht homogen ist, sondern aus Kohlenstofffasern besteht, die von einer Kunststoffmatrix (Harz) umgeben sind. Diese beiden Komponenten weisen erhebliche Unterschiede in ihren Eigenschaften und in ihrem Verhalten auf. Und genau darin liegt das eigentliche Problem bei der Bearbeitung von CFK.
Natürlich lag es auf der Hand, zur Bearbeitung der Laminate zunächst auf bekannte Verfahren wie spanende Bearbeitung, Wasserstrahlschneiden oder das Laserschneiden zurückzugreifen, die äußerst erfolgreich bei der Blechbearbeitung zum Einsatz kommen. Schnell wurde jedoch klar, dass diese nicht eins zu eins zur Bearbeitung von CFK übernommen werden konnten. Maximilian Segl erinnert sich noch gut an diese Anfänge. „Seit über 30 Jahren bin ich jetzt im Faserverbundgeschäft“, blickt der Leiter der Entwicklungsabteilung für Faserverbundwerkstoffe bei der Otto Bock Healthcare GmbH in Duderstadt zurück. „Ich kann mich noch gut erinnern, wie verzweifelt wir waren, an den noch NC-gesteuerten Maschinen ständig die Werkzeuge wechseln zu müssen und immer wieder neu anzufahren.“
Heute setzt Otto Bock zum Beispiel bei Fußprothesen Bauteile aus CFK, so genannte Federn, ein. Für diese Bauteile haben die Techniker in der amerikanischen und der deutschen Fertigungsstätte des Unternehmens spezielle Legetechniken entwickelt. Am Standort Duderstadt werden die Bauteile dann auf Werkzeugmaschinen mechanisch bearbeitet, vorwiegend durch Fräsen oder Schleifen. In den Anfängen haben die Techniker erfahren müssen, dass Werkzeuge, wie sie in der Metallbearbeitung Verwendung finden, wegen der großen Härte der Kohlefasern scheitern. „Keramikschneidplatten haben bei der Bearbeitung von Faserverbundwerkstoffen überhaupt nicht funktioniert, die sind sofort ausgebrochen“, erinnert sich Segl. Bewährt haben sich Werkzeuge, die sehr hart sind und über besonders gestaltete Werkzeugschneiden mit nicht zu spitzem Schneidwinkel verfügen, weil sie sonst zu schnell stumpf werden. In der neuesten Generation kommen Hartmetallwerkzeuge mit PKD-Schneiden (PKD = Polykristalliner Diamant) zum Einsatz, die so zähhart sind, dass sie enorme Belastungen aushalten.
Ein Problem, das beim Kantenfräsen von CFK-Bauteilen auftreten kann, sind Ausbrüche aus dem spröden Matrix-Material und Faserüberstände an den Kanten, die weggeschliffen werden müssen. Noch gravierender wird der Schaden, wenn durch einseitig gedrallte Fräser die Schichten des Laminats auseinandergezogen werden, also eine Delamination eintritt. „Die beste Lösung zur Vermeidung aller mechanisch bedingten Delaminationen bietet die Kompressionstechnik“, erklärt Martin Danielczik, Leiter des Vertriebssegments Composites & Plastics beim Werkzeughersteller LMT in Oberkochen. Die findigen Werkzeugspezialisten haben ein sogenanntes Kompressionswerkzeug vorrangig zum Besäumen von CFK entwickelt. Das Prinzip dieser Werkzeuge beruht auf der Kombination von ziehendem und schiebendem Schnitt. „Der Rechtsdrall unten drückt das Material nach oben und der Linksdrall oben drückt das Material nach unten“, erläutert Vertriebsmann Heiko Simonis. So werde das Material in der Mitte komprimiert, die Fasern glatt abgeschnitten und Ausbrüche vermieden. Nicht zu unterschätzen ist ein weiterer Vorteil. So könne das Werkzeug mit deutlich höherem Vorschub gefahren werden. Bei einem Flugzeugbauer habe ein Bauteil drei Mal schneller bearbeitet werden können.
Vorsicht geboten ist auch bei großer Wärmeentwicklung während der Fräsbearbeitung. Denn bei Überschreiten der zulässigen Temperaturgrenzen kann es ebenfalls zu einer Delamination kommen. Martin Danielczik weiß Rat: „Der Überhitzung des Werkstückes kann mit einer effizienten Späneabfuhr, mit minimaler Reibung an der Schneidkante und im optimalen Fall durch Kühlung mit Luft oder zulässigen Kühlmitteln begegnet werden.“
Überhitzung durch zu große Wärmeeinbringung, das war bisher auch ein ernsthaftes Problem beim Schneiden von CFK mit dem Laser. So hat in dem inhomogenen Gefüge das Matrix-Material einen sehr viel geringeren Schmelzpunkt als die abrieb- und zugfesten Kohlefasern. „Um die Kohlefaser schneiden zu können, muss man eine so hohe Intensität in das Material einbringen, dass die Kunststoff-Matrix explosionsartig verdampft“, macht Frank Völkermeyer, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachabteilung für Nicht-Metalle, Fachgruppe Verbundwerkstoffe am Laser Zentrum Hannover, das Grundproblem auf plakative Weise deutlich. An der Lösung dieses Problems arbeiten Wissenschaftler in Instituten und Forschungszentren mit Nachdruck, nicht zuletzt auch aufgrund der Forderungen von Flugzeugbau und Automobilindustrie nach geeigneten wirtschaftlichen Verfahren für einen breiten Einsatz des Super-Werkstoffes CFK.
Inzwischen zeichnen sich gute Fortschritte ab. „Laser mit sehr kurzer Pulsdauer erlauben es, eine ausreichende Menge an Energie in die Schnittstelle einzubringen, ohne das umliegende Material durch viel Wärme zu schädigen“, berichtet Völkermeyer. Man bekomme hierdurch sehr viel bessere Schnittergebnisse. Auch bei Otto Bock beobachtet man diese Technologie. „Wir setzen die Lasertechnik nicht ein“, sagt Maximilian Segl, „aber wir kennen die Ergebnisse von Versuchen aus diversen Projekten, an denen wir beteiligt sind.“ In der Zwischenzeit seien die Laser-Verfahren so ausgereift , dass sie ein relativ gutes Schnittbild lieferten.
Eine Technologie, die in den letzten 30 Jahren vor allem vom weltweiten Marktführer Flow vorangetrieben wurde, ist das Wasserstrahlschneiden. Heutige Anlagen arbeiten mit Drücken von rund 4000 bar und schneiden CFK-Laminate unter Zugabe von Abrasivmitteln auch mit größeren Dicken einwandfrei. Der große Vorteil gegenüber dem Laser besteht darin, dass keine Delamination durch Wärme auftreten kann. Wegen der hohen Produktivität setzt die Flugzeugindustrie zunehmend auf diese Technologie. Auch Otto Bock nutzt dieses Verfahren. „In den USA haben wir eine Anlage im Einsatz, die aus größeren Laminaten Bauteile ausschneidet“, berichtet Entwicklungsleiter Segl.
Vielfach überlassen Unternehmen, die CFK einsetzen, die Bearbeitung noch kompetenten Zulieferern. Auch Trumpf Medizin Systeme in Saalfeld lässt CFK-Bauteile extern fertigen. Die Thüringer setzen den Verbundwerkstoff für die Liegenkörper ihrer OP-Tische ein. „Hauptgrund für diesen Einsatz sind zum einen das geringe Gewicht und zum anderen die Röntgentransparenz, die im OP oft benötigt wird“, erklärt Geschäftsführer Dr. Klaus Frank. Man beobachte, dass die Nachfrage nach CFK-Bauteilen zunehme. „Wenn hier eine kritische Masse erreicht wird, müssen wir überlegen, ob wir die Bearbeitung von CFK nicht besser ins Haus holen.“
Der Startschuss für das neue CFK-Zeitalter ist schon gefallen. Der Nachfragedruck treibt die Forschung, möglichst schnell wirtschaftliche Bearbeitungsverfahren zur Verfügung zu stellen. Welches Ausmaß der Einsatz von CFK dann annehmen wird, ist bei der Vielzahl potenzieller Anwender noch gar nicht abzusehen.
  • Dr. Rolf Langbein Fachjournalist in Rottenburg
  • Weitere Informationen Aktuelle Projekte und Informationen zur Laserbearbeitung und zum Wasserstrahlschneiden: www.lzh.de www.floweurope.com CFK-Einsatz in der Prothetik: www.ottobock.de

  • Aus Expertensicht
    Herr Segl, warum ist CFK für Otto Bock von Bedeutung?
    Mit CFK sprechen Sie rein Kohlenstofffaser verstärkte Kunststoffe an. In der Werkstoffgruppe faserverstärkte Kunststoffe ist die Verstärkungsfaser immer das tragende Element, egal ob es eine Kohlefaser, eine Glasfaser oder eine Aramidfaser ist. Die Kohlenstofffaser hat natürlich sehr gute spezifische Eigenschaften und ist eigentlich der beste Kompromiss zwischen Festigkeit und Gewicht.
    Und wo setzen Sie CFK ein?
    Hier unterscheiden wir zwischen der industriellen Produktion, die wir im Hause haben, und den Faserverbundprodukten, die in der Orthopädietechnik hergestellt und verwendet werden. Wir verkaufen nämlich auch Halbzeuge, Gewebe oder Prepegs, die unsere Kunden, Sanitätshäuser und Orthopädiefachgeschäfte, zu eigenen Produkten verarbeiten.
    Sie setzen CFK-Bauteile zum Beispiel bei den Trias-Fußprothesen ein. Bearbeiten Sie die Bauteile selbst oder arbeiten Sie mit Zulieferern zusammen?
    Speziell wenn es um Füße geht, fertigen wir die Bauteile selbst. Aus den Faserverbundkomponenten stellen wir ausschließlich im eigenen Hause Federn her. Das kann in Duderstadt oder in unserer Fertigungsstätte in Amerika geschehen, wobei wir jeweils eine spezielle Legetechnik für Federn erarbeitet haben.
    Welche Fertigungstechnologien setzen Sie bei der Bearbeitung von Laminaten ein?
    Wir verarbeiten diese Werkstoffe in zwei Etappen. Zum einen bearbeiten wir die Kanten mit speziellen Fräsern auf herkömmlichen Werkzeugmaschinen. Über einen längeren Zeitraum haben wir in einem Auswahlverfahren ermittelt, welche Geometrien erforderlich sind, um Fräser mit der besten Kombination aus Verschleiß und Oberflächenqualität zu erhalten. Vielfach werden dann die Kanten nach dem Fräsen noch einmal geschliffen.
    Warum ist das Nacharbeiten durch Schleifen noch erforderlich?
    Das Bearbeiten mit Werkzeugschneiden ist deshalb problematisch, weil die Kohlefaser meist härter ist. Dabei wird die Faser nicht geschnitten, sondern gebrochen. Es entsteht der sogenannte Pull-Out-Effekt, also ein Herausreißen einzelner Filamente, was zu unsauberen Bearbeitungsflächen führt. Daher der nachgeschaltete Schleifprozess.
    Bei welchen weiteren Komponenten setzen Sie noch CFK ein?
    Wir haben noch Faserverbundbauteile bei Unterschenkelgehäusen für Kniegelenke. Die lackierten Rahmen der elektronisch gesteuerten Kniegelenke würden aus Metall nicht funktionieren, weil dieses zu schwer und zu weich ist. Hierbei ist die mechanische Bearbeitung wesentlich anspruchsvoller als bei den Fußfedern. Die Knieachse und die Befestigung der Hydraulik sind praktisch in den Carbonrahmen eingearbeitet. Da reden wir über Toleranzgenauigkeiten von ein paar Tausendstel. Solche Genauigkeiten bei Faserverbundbauteilen werden Sie kaum noch einmal finden.

    Faserverbundwerkstoff
    Ein Faserverbundwerkstoff besteht im Allgemeinen aus zwei Hauptkomponenten, einer bettenden Matrix sowie verstärkenden Fasern. Die Fasern können je nach Beanspruchung ausgerichtet und in ihrer Dichte (Anzahl pro Fläche) angepasst werden. Um die Festigkeit in verschiedene Richtungen zu beeinflussen, werden statt einzelner Fasern Gewebe oder Gelege verwendet. Faserverstärkte Bauteile sind leicht, formstabil und thermisch beständig. Neben diesen Eigenschaften überzeugt besonders das Carbon durch seinen Gewichtsvorteil und den einzigartigen Look der Oberfläche.
    Mögliche Schäden bei der Bearbeitung:
    • Ausbrüche und Faserüberstände treten speziell bei der mechanischen Bearbeitung auf, wenn Duroplaste als Matrix verwendet werden, die sehr spröde und hart sind.
    • Delamination (Enthaftung) bezeichnet das Ablösen von Schichten in Faserverbundwerkstoffen entweder durch mechanisches Einwirken oder durch Einbringen von zu großer Wärme, zum Beispiel beim Fräsen oder beim Laserschneiden.

    • Ihr Stichwort
      • Bearbeiten von Faserverbundwerkstoffen
      • Mechanische Verfahren
      • Wasserstrahlschneiden
      • Laserschneiden
      • CFK in der Medizintechnik

      • Online weiterlesen
        Zwei Interviews, zu Fortschritten beim Einsatz des Lasers bei der CFK-Bearbeitung und zur Verwendung von CFK in der Medizintechnik, stehen im Online-Magazin:
        www.medizin-und-technik.de/ onlineweiterlesen
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