BCI | Wenn der Mensch via Elektrode mit einer Maschine verknüpft ist, wirft das auch ethische Fragen auf – selbst wenn bei den heutigen Brain Computer Interfaces vom Gedanken lesen noch keine Rede sein kann. So muss geklärt werden, wie die persönlichen Daten, die bei der Messung von Hirnaktivitäten anfallen, technisch geschützt werden können. Dr. Dr. Orsolya Friedrich von der Uni München will darüber hinaus grundlegende Aspekte der BCI klären, zum Beispiel inwieweit der Mensch oder die Maschine für eine Handlung verantwortlich ist.
Frau Dr. Friedrich, dass man das Gehirn mit einer Maschine oder einem Computer verknüpft, empfinden viele Menschen als befremdlich. Muss einem diese Vorstellung tatsächlich Unbehagen bereiten?
Ich denke, dass viele Menschen die Vorstellung unangenehm finden, dass eine Maschine über den Menschen die Kontrolle übernehmen oder sogar ungewollt Gedanken auslesen und eingeben könnte. Ich halte das für recht realitätsfern, weil eine solche Technologie in absehbarer Zeit nicht denkbar ist. Wir wissen heute auch, dass das Denken ein viel zu komplexer Prozess ist, als dass man Gedankeninhalte einfach auslesen könnte.
Dennoch gibt es im Hinblick auf Brain-Computer-Interfaces ethische Bedenken.
Richtig, diskutiert werden heute vielfach Aspekte wie etwa die Privatheit von Daten. Das betrifft natürlich auch Messwerte, die vom Gehirn des Menschen abgeleitet werden. Aus einem EEG kann man bestimmte, aktiv erzeugte Gehirnaktivitäten oder Zustände wie Stress oder Entspanntheit auslesen. Diese Informationen über den Zustand einer Person sind sehr sensibel und müssen geschützt werden. Erörtert wird seit einiger Zeit auch das Problem, dass Daten aus dem Gehirn von einem technischen System falsch interpretiert werden und dann zu unbeabsichtigten Ereignissen führen könnten. Grundsätzlich aber würde ich sagen, dass BCI nicht an sich als etwas Böses betrachtet werden sollte, denn die Technologie kann vielen, häufig schwer kranken Menschen künftig dabei helfen, ihre Handlungs- und Kommunikationsfähigkeiten aufrechtzuerhalten oder wiederzubeleben.
Sie selbst setzen in Ihrer Arbeit aktuell andere Schwerpunkte?
Wir befassen uns vor allem mit grundlegenden philosophischen Fragen im Kontext der BCI-Nutzung. Etwa mit der Frage, ob wir Ereignisse, die durch BCI ausgelöst werden, im klassischen Sinne als Handlungen verstehen können und welche Rolle dabei die subjektive Wahrnehmung der Person spielt. Teile dieser Forschungen sind empirisch, etwa indem wir erfassen, ob oder wann eine Person eine beabsichtigte Handlung, die über eine Maschine ausgeführt wird, als eigene Handlung empfindet. Es gibt Tests mit gesunden Probanden, die zeigen, dass man Menschen durch einen experimentellen Aufbau dazu bringen kann, dass sie Handlungen, die sie ausführen, nicht als eigene empfinden. Durch Befragungen von gesunden Probanden oder etwa Schlaganfallpatienten in der Rehabilitation versuchen wir aktuell unter anderem herauszufinden, inwieweit Menschen durch BCI ausgeführte Bewegungen überhaupt als eigene Handlungen empfinden. Das bringt uns zu der Frage, inwieweit der Mensch über die ganze Kette vom Denken über den Computer bis zum Ereignis eigentlich die Handlung kontrollieren kann. Immerhin gibt der Mensch zu einem gewissen Grad die Kontrolle an die Apparatur ab. Bis zu welchem Grade kann der Mensch dann für eine Handlung verantwortlich sein? Wir wollen auch herausfinden, inwieweit das von normativer und auch rechtlicher Bedeutung ist.
Das klingt jetzt aber doch so, als käme man der Vorstellung vom Cyborg gefährlich nahe?
Sicher nicht, es ist derzeit technisch noch immer sehr anspruchsvoll, die Signale im Gehirn korrekt auszulesen und damit etwa eine Prothese so zu steuern, dass sie genau das tut, was man will. Patienten müssen lange trainieren, um nach und nach die Prothese richtig zu bewegen oder die richtigen Buchstaben auf dem Bildschirm auszuwählen, wenn sie mithilfe eines BCI schreiben möchten. Es genügt nicht, einen Befehl wie „greife das Glas“ zu denken. Es sind zusätzliche, sehr spezifische Imaginationen oder eine fokussierte Aufmerksamkeit auf äußere Signale notwendig, um mit der eigenen Gehirnaktivität die richtigen Signale für den Computer zu erzeugen. Eine Maschine muss die Signale des Gehirns richtig interpretieren können. Das ist eine technische Herausforderung und wirft die Frage auf, was passiert, wenn eine Maschine falsch reagiert; zum Beispiel, wenn durch die falsche Bewegung einer Prothese ein Schaden entsteht.
Sie kooperieren mit kanadischen und spanischen Experten, die noch andere Aspekte beleuchten…
Wir versuchen das Thema möglichst breit abzudecken. Wir in Deutschland interviewen unter anderem kranke und gesunde Nutzer, Experten, Mediziner und Techniker. Zudem werden in Kooperation mit den internationalen Partnern Laien mit einem Fragebogen zu ihren Bedenken und Intuitionen zu BCIs befragt. Dabei interessiert uns, wie sich Menschen künftige BCI-Technologien vorstellen und welche Haltung sie dazu haben. In ethischer Hinsicht ist es für mich auch wichtig, in der Bevölkerung nicht zu schnell zu hohe Erwartungen an die Technologie zu wecken – etwa im Hinblick darauf, verlorene Körperfunktionen ganz leicht durch BCI-Nutzung ersetzen zu können. Hier ist noch ein enormer Technologietransfer aus der Forschung in die Anwendung nötig. Das muss kommuniziert werden, damit es keine Enttäuschungen gibt.
Tim Schröder
Wissenschaftsjournalist in Oldenburg
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