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Baukasten zur Gefahrenabwehr

Risikomanagement: Norm EN ISO 14971 betrachtet Unternehmen und Produkt ganzheitlich
Baukasten zur Gefahrenabwehr

Baukasten zur Gefahrenabwehr
Hamonisierte Normen sind nützliche Bausteine, um dem Gesetz und der Praxis gerecht zu werden Bild: Lego
Ein funktionierendes Risikomanagement ist in der medizintechnischen Industrie ein Muss. Die internationale Norm EN ISO 14971 ist dabei ein Instrument, um den Patienten und das Unter- nehmen selbst zu schützen.

Risikomanagement löst zwei Probleme auf einmal: Einerseits kommt das Unternehmen der gesetzlichen Verpflichtung nach, das Risiko für den Patienten zu minimieren. Andererseits sichert sich der Hersteller gegen Risiken ab, die aus der Produkthaftung entstehen können und die gesamte Firma gefährden. Zudem verbessert das Unternehmen seine Position gegenüber Kapitalgebern und anderen Beteiligten: Kunden, Mitarbeitern, der Öffentlichkeit und Wettbewerbern.

Das Medizinproduktegesetz fordert von Herstellern ein Qualitätsmanagementsystem, das unter anderem ein Risikomanagement-System beinhaltet. Es gilt: Ohne Risikomanagement darf keine CE-Kennzeichnung auf dem Produkt erfolgen. Um dem Gesetz zu entsprechen, kommen idealerweise harmonisierte Normen zum Einsatz: Die EN ISO 13485 für das Qualitätsmanagement-System und untergeordnet die EN ISO 14971. Sie regelt die Anwendung des Risikomanagements auf Medizinprodukte.
Harmonisierte Normen bilden einen praktischen Baukasten, um mit überschaubarem Aufwand den Anforderungen aus dem rechtlichen Rahmen und aus der Praxis gerecht zu werden. So ergibt sich, bei einer Zertifizierung des QM-Systems nach EN ISO 13485 zugleich das Risikomanagement im Medizintechnik-Unternehmen nach der jüngsten Norm EN ISO 14971:2007 auszurichten.
Auch wenn die Anwendung von harmonisierten Normen nicht zwingend erforderlich ist, gilt bei ihrer Anwendung die Konformitätsvermutung bezogen auf die relevante europäische Richtlinie. Wird eine harmonisierte Norm nicht eingehalten oder angewendet, ist die Gleichwertigkeit der gewählten Lösung mit der harmonisierten Norm nachzuweisen.
Die Vorgängernorm EN ISO 1441 richtete ihr Augenmerk auf die klassische Risikoanalyse. Die Nachfolgenorm EN ISO 14971 betrachtet das Unternehmen und das Produkt hingegen ganzheitlich und prozessorientiert. Bestandteile sind:
  • die Risikoanalyse
  • die Risikobewertung
  • die Risikokontrolle und
  • Informationen aus den der Produktion nachgelagerten Prozessen.
Die medizintechnische Industrie sieht sich mit diesem umfangreichen Werk in einer Vorreiterrolle. Es geht nicht nur darum, wie bei der Risikoanalyse die Ursachen für die Gefahren und die Tragweite zu berücksichtigen. Vielmehr wird der komplette Lebenszyklus des Produktes abgeklopft.
Neue Technologien und Erkenntnisse in der Medizin sorgen dafür, dass häufiger neue Risiken zu betrachten sind. Um diesen zu begegnen, stehen stets neue Erkenntnisse zur Gefahrenermittlung zur Verfügung, zur Risikoanalyse und zur Risikohandhabung. Das Risikomanagement muss im Unternehmen fest in der Geschäftsführung und bei den Mitarbeitern verankert sein.
So stellt das Risikomanagement nach EN ISO 14971 einige zentrale Forderungen auf:
  • Zum Risikomanagement bekennen
  • Akzeptables Risiko/Restrisiko definieren
  • Angemessene Ressourcen bereitstellen
  • Personal qualifizieren
  • Aktivitäten kontrollieren
Die Norm orientiert sich an dem Maß der Gefährdung hinsichtlich der Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos sowie der Einschätzung des Gefährdungsausmaßes. Ein Instrument der Norm EN ISO 14971, der Risikomanagement-Plan, beschreibt dafür den Anwendungsbereich des Medizinproduktes über alle Abschnitte des Lebenszyklus’: Entwicklung, Design-Transfer, Produktion, Vertrieb, Anwendung und Entsorgung. Er beinhaltet zudem einen Plan für die Verifizierung, ordnet die Verantwortlichkeiten zu und benennt die Kriterien für die Vertretbarkeit von Risiken.
Der Plan enthält alle notwendigen Vorgaben zum Umgang mit dem Prozess – neben den Anforderungen für die Entwicklungsphase des Produktes auch Verfahren, wie die Risikoabschätzungen durch Markterkenntnisse untermauert oder angepasst werden müssen. Gleichzeitig regelt er die Notwendigkeit zur Aktualisierung und gibt Hinweise darauf, wie mit geänderten Anforderungen oder wissenschaftlichen Erkenntnissen umzugehen ist. Bei konsequenter Anwendung der Vorgaben bleibt so das Produkt immer auf dem neuesten Stand der Technik und der klinischen Erkenntnisse. Mit Hilfe des Risikomanagement-Systems lassen sich auch die Anforderungen anderer Normen wie der EN 60601-1 bezüglich der Sicherheit elektromedizinischer Geräte in den Prozess integrieren. Damit ist er ein wichtiges Bindeglied, das die Einhaltung der normativen Anforderungen zur Minimierung des Patienten-Risikos in einem System ermöglicht.
In dieses Werk fließt ein weiteres tragendes Element ein: der Risikomanagement-Bericht. In ihm sind die Ergebnisse des Prozesses festgehalten. Er hat das Ziel, dass sämtliche Gefahren in Hinblick auf Durchführung und Verifizierung der Maßnahmen rückverfolgt werden können. Zudem beinhaltet er die formale Erklärung, dass das Restrisiko als Summe der Einzelrisiken vertretbar ist.
Und: Die für jedes Medizinprodukt notwendige klinische Bewertung muss in das Risikomanagementsystem eingebunden sein.
Somit bildet das in der EN ISO 14971:2007 beschriebene Regelwerk ein Werkzeug, mit dem der Hersteller von Medizinprodukten bereits im Rahmen der Entwicklung Gefährdungen gezielt und in Übereinstimmung mit seinem Qualitätsmanagement System minimieren kann. Gleichzeitig sorgt er mit Hilfe des Risikomanagementsystems dafür, dass selbst neueste Technologien nach der Risiko-Nutzen Abwägung zum Wohle des Patienten eingesetzt werden können.
Jürgen Bozler Leiter der benannten Stelle für Medizinprodukte bei der Dekra Certification GmbH in Stuttgart

Ihr Stichwort
• Qualitätsmanagement
• Medizinproduktegesetz
• Risikoanalyse • Produktlebenszyklus • Rückverfolgbarkeit
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