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Baukasten für Entwickler

Entwicklung: Mit Elektronik-Modulen schneller zum mechatronischen Medizinprodukt
Baukasten für Entwickler

Normen wie die ISO 13485 sichern die Qualität in der Medizintechnik. Jetzt öffnet sich Unternehmen ein neuer Weg, um Entwicklungszeiten normengerecht zu verkürzen: Prototypenentwicklung mit modularen Elektronik-Systemkomponenten.

Die Medizin setzt große Erwartungen in komplexe mechatronische Systeme und Robotik. So können diese als elektronisch gesteuerte Körperkraftverstärker und Prothesen eingesetzt werden oder als präzise gesteuerte Manipulatoren bei Operationen unterstützen. Ein weiteres Feld, das durch zunehmend leistungsfähige eingebettete Prozessoren erschlossen wird, sind Lösungen mit fortschrittlicher Bildverarbeitung, die zusätzliche Effizienz und Genauigkeit in Diagnoseverfahren bieten können. Außer in reinen Laboranwendungen ist die Mensch-Maschine-Interaktion – ob aus Arzt- oder Patientensicht – in der Medizintechnik von Bedeutung. Medizinische Roboter brauchen daher in allen Teilen ein hohes Maß an Sicherheit. Grundsätzlich müssen die Aktoren mit einer Vielzahl von Sensoren und Steuerungen abgesichert sein, die jede Gefährdung zuverlässig ausschließen.

Alles muss qualifiziert werden, also wird von Grund auf selbst entwickelt – das ist in der Medizintechnik bisher eine oft gelebte, durch Normen wie die ISO 13485 erzwungene Haltung. Zugekaufte Elektronik und deren Software – wie zum Beispiel eine Motorsteuerung – verschließen sich jedoch als geschlossene „Blackbox“ dem Normenverlangen nach einer durchgängigen Dokumentation. Hier stehen die Anforderungen der Qualifizierung dem Interesse der Hersteller nach einer schnellen Entwicklung von medizintechnischen Produkten entgegen – und manchmal auch dem Patientenwunsch nach schnellerer Hilfe durch neue Technologien. Entwickelte man für Robotik und Automatisierungstechnik früher „zentrale“ Steuerungen, so gehen die Entwickler hochkomplexer und autark agierender Systeme – so genannter Serviceroboter – heute neue Wege. Solche Roboter werden nicht mehr von einem zentralen Rechner gesteuert, sondern von einem Netz vieler lokaler Recheneinheiten, so genannter Knoten oder Nodes. Die Idee dahinter: Warum soll das Bild einer Kamera erst zu einer zentralen Steuerung laufen, dort ausgewertet und der Bildinhalt als Hindernis interpretiert werden, um dann Steuerungsbefehle an die Antriebe zu geben? Warum kann eine CPU an der Kamera das Bild nicht selbst auswerten und direkt mit den Antrieben kommunizieren?
Eine von der württembergischen Synapticon GmbH, Gruibingen, ins Leben gerufene Entwicklungsplattform für solche „Distributed Embedded Systems“ hat das Potenzial, die Entwicklung medizinischer Roboter deutlich zu beschleunigen. Die Robotikspezialisten haben dafür eine Art elektronischen Baukasten mit standardisierten Elektronikmodulen und einer neuartigen Entwicklungsumgebung erstellt. Diese Dynarc-Plattform für die Entwicklung verteilter Embedded-Systeme ermöglicht es zunächst, schneller zu einem Prototyp zu kommen. Dieser muss ja noch nicht qualifiziert werden. Die Funktionalität beispielsweise eines Roboterarms zur Unterstützung eines Chirurgen wird zunächst modellbasiert entwickelt. Die Elektronik, die die einzelnen Motoren des Arms steuern soll, steht als konfigurierbares System zur Verfügung. Aus einer Aktor- oder Sensorsteuerung, einem XMOS-Prozessormodul und einem Kommunikationsinterface werden die benötigten Knoten flexibel zusammengestellt. Der Clou: Mit der Zusammenstellung der Elektronik werden über die Dynarc-Plattform sofort und automatisch die passenden, quelloffenen Treiberbibliotheken ausgewählt und integriert. Das System vernetzt sich selbst und stattet sich mit den Treibern aus. Dabei ist „quelloffen“ das entscheidende Stichwort für Medizintechniker. Hier liegt der Grund, warum Dynarc zugleich Entwicklung und Qualifizierung von Robotikanwendungen in der Medizintechnik vereinfachen kann. Anspruchsvolle Entwicklungen mit Ansprüchen an qualifizierbaren Eigenschaften folgen dem V-Modell. Jede Phase der Entwicklung ist vollständig dokumentiert und korreliert mit ihrer entsprechenden Phase des Tests und der Qualitätssicherung. Würde man Standardbauteile einsetzen, entstünden Lücken, da beispielsweise die Embedded-Software einer Motorsteuerung nicht zugänglich wäre.
Die Dynarc-Plattform löst dieses Problem durch Offenheit: Weil ausschließlich mit quelloffenen und durchgängig dokumentierten Softwaremodulen gearbeitet wird, lässt sich die gesamte Software qualifizieren – als ob sie komplett selbst entwickelt wäre.
Bedenkt man, wie aufwendig beispielsweise die feldorientierte Präzisionssteuerung eines bürstenlosen Gleichstrommotors in der Robotik zu programmieren ist, wird das Einsparpotenzial in der Entwicklung deutlich. Wird das System zudem auf der Synapticon-Entwicklungsumgebung modellbasiert angelegt, können Funktionszusammenhänge auch bereits modellbasiert getestet werden, um den späteren Hardwaretestaufwand zu reduzieren.
Der Ansatz überzeugt schnell. Das Baukastenprinzip optimiert den Aufbau funktionaler Prototypen. Es kann schneller mit der Softwareentwicklung begonnen werden. Sobald die Funktionalität den erforderlichen Grad erreicht hat, kann der Medizintechnikhersteller die individuelle Elektronik für das Serienprodukt in einem voll qualifizierenden Prozess entwickeln oder im Auftrag entwickeln lassen. Auch hier kann bereits auf Basis der Module gearbeitet werden. Über die vollständig verfügbare Dokumentation und die Quelloffenheit der Software kann das Serienprodukt effizienter realisiert werden, ohne Abstriche bei der Qualifizierbarkeit machen zu müssen.
Roboter und Geräte vergleichbarer Komplexität, deren Funktionalität in hohem Maße von verteilten Embedded-Systemen abhängt, neu zu entwickeln, ist sehr zeitaufwendig. Die Nutzung vorhandener Hardware und Softwaremodule, wie sie die Dynarc-Plattform anbietet, ist auch für die qualifizierungsintensive Entwicklung medizintechnischer Produkte ein gangbarer Weg. Voraussetzung ist die Quelloffenheit aller Softwaremodule und die vollständige Dokumentation von Hardware und Software. Ist dies gegeben, lässt sich einiges an Entwicklungsaufwand für Embedded-Systeme sparen.
Nikolai Ensslen Synapticon, Gruibingen
Baukastenmodule beschleunigen den Aufbau funktionaler Prototypen

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