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Auf Kuba werden Wunder wahr

Gesundheitsmission: Castro-Staat hat starken Nachholbedarf bei Medizintechnik
Auf Kuba werden Wunder wahr

„Misión Milagro“ nennt sich ein ehrgeiziges Programm, das kostenlose Augenbehandlungen auf Kuba ermöglicht. Wenn Blinde wieder sehen, hat dies freilich auch im kommunistischen Inselstaat mit ärztlichem Können und medizinischer Ausrüstung zu tun. Verstärkt kommt die aus Deutschland.

Das Siegel „Made in Germany“ zählt etwas auf Kuba. Gesundheit sowieso. Während der neue Präsident des großen politischen Erzfeindes noch um eine Krankenversicherung für alle US-Amerikaner ringt, bietet die Antilleninsel ihren Bürgern seit eh und je eine kostenlose Gesundheitsversorgung. Wie die freie Bildung ist sie den Kubanern ein Grundrecht, das hohe Priorität genießt, mit messbaren Folgen. So ist die Kindersterblichkeit mit 4,7 Todesfällen auf tausend Geburten niedriger als die der Vereinigten Staaten, und die Lebenserwartung lag 2008 bei 77,9 Jahren – auch dies eine Zahl, die dem Vergleich mit den USA (78,1) standhält.

Solche Erfolge kommen nicht von ungefähr. Mit einem Arzt pro 150 Einwohnern hat Kuba – die vielen Auslandseinsätze kubanischer Mediziner nicht berücksichtigt – die höchste Ärztedichte weltweit. Kranke werden in den rund 700 Hospitälern und Polikliniken sowie 14 000 Familienarztpraxen behandelt. Jede Menge Bedarf also für Medizintechnik – doch dafür fehlten dem Staat nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Blocks über Jahre hinweg die Mittel. Ohne Finanz- und Wirtschaftsspritzen von außen mussten notwendige bauliche und technische Erneuerungen ausbleiben, zumal auch im Lande selbst kaum noch Medizintechnik hergestellt wurde.
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Kuba ist bei der Ausstattung seiner Praxen und Kliniken in hohem Maße von Importen abhängig. Was sich in den vergangenen Jahren gebessert hat, ist die finanzielle Lage. Die zahlreichen und gut ausgebildeten Ärzte sind ein Pfund, mit dem das kleine Land wuchern kann. Kuba exportiert Mediziner und erwirtschaftet so die für die Modernisierung dringend benötigten Devisen: Im Jahr 2005 sind auf diese Weise 2,5 Mrd. US-$ zurückgeflossen. Allein in Venezuela sollen rund 20 000 kubanische Ärzte tätig sein, zudem greift Präsident Chávez dem sozialistischen Bruder auch mit der Lieferung von Rohöl zum Vorzugspreis tüchtig unter die Arme.
Kubanisch-venezolanischer Provenienz ist denn auch das Wunder, das bedürftigen Patienten aus ganz Lateinamerika, der Karibik, Asien und Afrika wieder zu einem klaren Blick verhilft. Diese „Misión Milagro“ ist das bekannteste einer ganzen Reihe von Gesundheitsprogrammen, an denen sich Kuba beteiligt. Seit dem Start 2004 ermöglichte es bereits rund zwei Millionen Patienten eine kostenlose Augenbehandlung durch kubanische Mediziner.
Gesundheit ist Chefsache. Fidel Castro und Hugo Chávez riefen die Mission ins Leben – und so mancher deutsche Unternehmer wurde von Castro höchstselbst beauftragt, Medizintechnik dafür zu liefern. So wie Rolf Schwind, dessen Firma Schwind eye-tech-solutions mit Lasern zur Korrektur von Fehlsichtigkeit dazu beiträgt, dass in Kuba Wunder wahr werden (Interview S. 16).
Wunderbar ist denn auch der Aufschwung, den der kubanische Markt für Medizintechnik seit der Jahrtausendwende genommen hat. Zwischen 2001 und 2005 haben sich die Investitionen in den Gesundheitssektor nach Informationen von Germany Trade & Invest (GTAI) mehr als verfünffacht, parallel dazu wuchs die Einfuhr an medizinischen Geräten und Ausrüstungen. Grund dafür ist neben der Modernisierung im Lande selbst das internationale Engagement im Gesundheitsbereich.
Kuba entsendet nicht nur medizinisches Personal auf Missionen ins Ausland: Es baut auch in Ländern wie Algerien, Bolivien, China oder Pakistan Kliniken auf – teils in Kooperation mit Venezuela, teils im Alleingang – und spielt damit eine wichtige Mittlerrolle beim Verkauf von Medizintechnik in Drittländer. Zudem rührt Havanna tüchtig die Werbetrommel, um Patienten aus aller Welt anzulocken. Ob Augen, Busen oder Zähne: Auch Deutsche finden auf der Zigarreninsel eine vergleichsweise preiswerte Lösung für ihr Gesundheits- oder Schönheitsproblem.
Die Ausrüstung wird auf dem Weltmarkt eingekauft – die USA ausgenommen. Noch immer gilt das umfassende Embargo, das die Vereinigten Staaten über Kuba verhängt haben, weil es den internationalen Terrorismus unterstütze. Darunter fällt auch der Export und Reexport von deutschen Erzeugnissen, wenn diese einen US-Anteil von mehr als 10 % haben. Medizintechnik zählt zu den Produktgruppen, die unter Umständen genehmigungsfähig sind. Kontrollinstanz ist das Bureau of Industry and Security (BIS).
Deutschland gehört neben China, Japan, den Niederlanden oder Spanien zu den wichtigsten Exporteuren von Medizintechnik nach Kuba. Im Jahr 2005 schnellten die bis dahin bescheidenen Ausfuhrzahlen sprunghaft in die Höhe. 2007 erreichten die Lieferungen deutscher Hersteller nach GTAI-Angaben einen Umfang von 45 Mio. US-$ und damit einen Marktanteil von 19 %.
Es werden ausschließlich geschlossene Ausschreibungen durchgeführt. In ihrem aktuellen Branchenbericht zu Kuba empfiehlt die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für Außenwirtschaft und Standortmarketing deutschen Herstellern daher, sich bei den zuständigen Einfuhrgesellschaften vorzustellen und ihnen die aktuellen Kataloge zuzusenden: So sind diese in puncto Preise und Neuheiten auf dem Laufenden.
Für den Gesundheitsbereich gibt es zwei wichtige Importeure. Die Grupo de Compras y Asistencia Técnica Especializada (GCATE), die zum bedeutenden Cimex-Konzern gehört, ist dem Staatsrat zugeordnet und für die Einfuhr von Medizintechnik zuständig. Die dem Gesundheitsministerium (MINSAP) zugeordnete Firma MediCuba kümmert sich hingegen um Medikamente, orthopädische Geräte, medizinisches Verbrauchsmaterial, Spezialmöbel und Hilfsmittel.
Seit knapp zehn Jahren können deutsche Hersteller ihre Lieferungen über eine Hermes-Bürgschaft absichern. Derzeit sind Kredite jedoch laut GTAI auch für deutsche Firmen schwer zu bekommen, und Kuba bleibt aufgrund der wirtschaftlichen Lage der Ländergruppe „D“ zugeordnet. Die Antilleninsel hat mit den Folgen dreier verheerender Wirbelstürme im vergangenen Jahr zu kämpfen, zudem spürt sie die weltweite Wirtschaftskrise. Exporteinnahmen schrumpfen, auch Venezuela muss kürzer treten, die Devisen sind knapp. Es regiert die Krise. So wird damit gerechnet, dass sich das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes weiter verlangsamt. Lag es 2007 bei 7,3 %, ging es 2008 auf 4,3 % zurück und wird 2009 voraussichtlich nur noch 2,4 % betragen.
Trotzdem gilt Kuba weiter als interessanter Zukunftsmarkt, was sich beim kubanischen Wirtschaftstag zeigte, der im Juni im Rahmen der TopClinica auf der Neuen Messe Stuttgart veranstaltet wurde. Endoskop-Hersteller Karl Storz berichtete von seinen Erfahrungen. Vor sieben Jahren gründete das Unternehmen in Havanna ein eigenes Marketing- und Servicebüro. Der Verkauf wird direkt von Tuttlingen aus mit den Importfirmen der verschiedenen Ministerien abgewickelt, zu denen langjährige Kundenbeziehungen bestehen. Wichtig sei eine dauerhafte Präsenz, um Fragen und Probleme vor Ort zu klären. Geduld gehört auch dazu – was Wunder, wenn zwischen Angebot und Vertragsabschluss bis zu drei Jahre vergehen.
Bettina Gonser Freie Journalistin in Stuttgart
Präsenz und Geduld sind beim Markteinstieg in Kuba gefordert
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