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Auf dem Weg zum freien transatlantischen Handel

TTIP: Nach zwölf Verhandlungsrunden immer noch kein Abschluss des Abkommens in Sicht
Auf dem Weg zum freien transatlantischen Handel

Seit Juli 2013 verhandelt die EU mit den USA über ein transatlantisches Handelsabkommen, um den Warenhandel zu erleichtern. Die exportstarke Medizintechnikbranche begrüßt das TTIP, kritisiert aber die fehlende Transparenz.

Mit einem erfolgreichen Abschluss von TTIP durch EU und USA würde die größte Freihandelszone der Welt mit mehr als 800 Millionen Menschen entstehen. In dieser sollen Güter künftig grundsätzlich zollfrei gekauft und verkauft werden, und in wichtigen Branchen wie Kraftfahrzeuge, Maschinenbau oder Medizintechnik soll durch den Abbau so genannter nicht-tarifärer Handelshemmnisse der Handel vereinfacht werden.

Nach Angaben des Bundesverbands Medizintechnik BVMed könnte vor allem die Medizintechnikbranche von einer stärkeren Öffnung der Märkte auf beiden Seiten des Atlantiks profitieren, denn zwischen den USA und der Europäischen Union findet bereits ein reger Handel mit Medizinprodukten statt. Dabei erzielt die USA einen Überschuss in Höhe von 1,9 Mrd. US-$. Das Importvolumen bei Medizinprodukten betrug in den USA 2013 insgesamt 34,9 Mrd. US-$. 12,7 % davon – Produkte im Wert von 4,4, Mrd. US-$ – kamen aus Deutschland. Im Export erzielten US-Anbieter von Medizintechnik insgesamt 41,7 Mrd. US-$. Davon gingen 7,7 % – Produkte im Wert von 3,2 Mrd. US-$ – nach Deutschland. Jetzt soll das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) dem Handel zwischen den beiden Wirtschaftsräumen der EU und der USA noch mehr Schwung verleihen.
Trotz dieser Chance wird das angestrebte Abkommen zwischen der EU und den USA seit Beginn der Verhandlungen umfassend und kontrovers diskutiert. Die Gegner befürchten, dass TTIP nur ein Vorwand sei, um bestehende EU-Regelungen auszuhöhlen, dass öffentliche Dienstleistungen privatisiert und das Tarifsystem ausgehebelt werden könnten und dass durch ein Freihandelsabkommen sowohl Umwelt- als auch Datenschutz gefährdet sind.
Fakt ist: In der Medizintechnik gibt es in den USA und der EU bisher umfangreiche Regulierungssysteme, die sich in wichtigen Punkten unterscheiden. Gewünscht ist eine Harmonisierung der Systeme und eine bessere Zusammenarbeit der Behörden. Von Verbänden aus beiden Wirtschaftsregionen gibt es seit 2013 einen Vorschlag, wie eine größere regulatorische Kompatibilität zwischen den USA und der EU erreicht werden könnte, so die Experten von Germany Trade and Invest (Gtai). Formuliert haben ihn die fünf Branchenverbände Advanced Medical Technology Association (Advamed), Eucomed, European Coordination Committee of the Radiological, Electromedical and Healthcare IT Industry, European Diagnostic Manufacturers Association sowie Medical Imaging & Technology Alliance.
Hilfreich wäre demnach eine Glättung des Genehmigungsprozesses für medizintechnische Produkte, die aus der EU in die USA eingeführt werden sollen, so Gtai. Die Zulassung durch die U.S. Food & Drug Administration (FDA) sei viel komplizierter als die europäische CE-Kennzeichnung. Geringer wären hingegen die Auswirkungen des Zollabbaus, da bereits jetzt die meisten Einfuhren medizintechnischer Produkte aus der EU in die USA zollfrei sind. Dies gilt etwa für medizinische, chirurgische, zahnärztliche oder tierärztliche Instrumente, Apparate und Geräte, die im Harmonized Tariff Schedule (HTS) unter der Zolltarifnummer 9018 gelistet sind.
Anlässlich der Verhandlungen hat der Industrieverband Spectaris unter seinen Mitgliedsunternehmen im Sommer 2014 eine Umfrage durchgeführt. Ziel war es, die konkreten Handelshemmnisse zu benennen, mit welchen die Mitgliedsunternehmen in den USA am meisten zu kämpfen haben und bei dessen Abbau sie am meisten profitieren würden. Und natürlich auch die möglichen Nachteile, welche ein solches Handelsabkommen für die Mitgliedsunternehmen mit sich ziehen könnte.
Demnach stellen bislang unterschiedliche Regulierungen und Zulassungsverfahren auf beiden Seiten des Atlantiks das bedeutendste Handelshemmnis für die Unternehmen dar. In Europa zugelassene Produkte müssen in den USA erneut zugelassen werden, was mit einem beträchtlichen Kosten-und Zeitaufwand verbunden ist. Die Einführung von neuen, innovativen Produkten gestaltet sich somit als sehr aufwendig und schreckt vor allem kleinere und mittlere Unternehmen davon ab, den US-amerikanischen Markt zu erschließen.
Als weitere wichtige Handelshemmnisse wurden die unterschiedlichen Prüfverfahren beziehungsweise die fehlende Anerkennung von Prüfberichten und die unterschiedlichen Bestimmungen zur Produktsicherheit sowie die damit verbundene Produkthaftung genannt. Andere Handelshemmnisse, die von den Spectaris-Mitgliedern erwähnt wurden, sind Zollverfahren und Zölle, der Schutz des geistigen Eigentums, das US-(Re)Exportrecht, die unterschiedlichen Ursprungsregeln, der Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen und die transatlantische Freizügigkeit. Bei all diesen Hemmnissen hoffen die Unternehmen auf deutliche Verbesserungen durch das Abkommen.
Dem entgegen stehen die Sorgen von Umfrageteilnehmern, die befürchten, dass das TTIP-Abkommen mehr unnötige regulatorische Anforderungen auf beiden Seiten des Atlantiks mit sich bringen könnte. Zusätzliche administrative Belastungen würden den Kosten-und Mehraufwand der Unternehmen erhöhen und so den Marktzugang erschweren. Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen würden davon betroffen sein, heißt es. Eine weitere Befürchtung ist, dass mit dem TTIP eine Harmonisierung der Marktzugangssysteme für Medizinprodukte angestrebt wird, die darauf hinauslaufen würde, dass die US-amerikanische FDA-Zulassung in Europa übernommen wird. Grundsätzlich wird die fehlende Transparenz des Verhandlungsprozesses von Seiten der befragten Unternehmen kritisiert.
Zwischenzeitlich kamen Mitte Februar die Verhandlungsführer der EU und der USA in Brüssel zur 12. Verhandlungsrunde zusammen. Die Gespräche drehten sich vor allem um die drei wichtigsten Teile des Abkommens: Marktzugang, Vorschriften und die engere Zusammenarbeit bei Regulierungen aller Art. Neun relevante Bereiche (Auto, Pharma, Chemikalien, Kosmetika, Pestizide, Medizinprodukte, ICT, Textilien, Engineering) sind von der regulatorischen Zusammenarbeit betroffen. Diesbezüglich betonte der EU-Chefverhandler, Ignacio Garcia Bercero, dass eine Senkung von Standards ausgeschlossen ist. Betont wurde auch das Interesse der EU-Mitgliedsstaaten, dass das „right to regulate“ unangetastet bleibt. Noch in diesem Jahr wolle man den Abschluss der Verhandlungen erreichen.
Die Zeit dafür könnte, auch wegen der näher rückenden US-Wahlen, aber knapp werden. Da es sich außerdem um die letzte Amtszeit von Präsident Barack Obama handelt, ist ungewiss, wann die neue US-Regierung die TTIP-Verhandlungen wieder aufnehmen wird. Die EU steht dabei besonders unter Druck, so Spectaris-Chef Wolters. Mittlerweile wird deshalb in Erwägung gezogen, dass beide Seiten sich lediglich auf ein so genanntes „TTIP Light“ einigen sollen. Dabei soll das Abkommen nur ein paar Hauptbereiche wie beispielsweise Zollsenkungen abdecken, bei denen sich beide Seiten schnell einigen könnten. Das sei für Spectaris keine befriedigende Lösung, so Geschäftsführer Tobias Weiler. Für ihn sei es sehr unwahrscheinlich, dass ein ‚TTIP Light‘ im Stande wäre, die bestehenden Handelshürden abzubauen und somit den Erwartungen der Unternehmen zu genügen. Die nächste Verhandlungsrunde soll Ende April in den USA stattfinden. su
Unternehmen hoffen auf deutliche Verbesserungen der Handelsbedingungen

Ihr Stichwort
  • Transatlantische Freihandelszone
  • Wirtschaftlicher Austausch zwischen EU und USA
  • Exportorientierte Medtech-Branche
  • Abbau von Zöllen und anderen Handelsbarrieren
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