ERP/MES-Systeme | Die Ideale einer Fertigung nach Industrie 4.0 sind nicht in einem Schritt zu erreichen. Merkmale einer intelligenten Fabrik sind aber schon bei einem Präzisionsteilehersteller zu entdecken, der ein ERP-MES-System nutzt, das sich den Idealen anpassen lässt.
Peter Bauer Gewatec, Wehingen
Als kleine, flexible Firma mit kurzen Reaktionszeiten müssen wir die Fertigung planen. Aber mit von Hand gefüllten Excel-Tabellen fangen wir dabei in der Produktion genauso wenig an wie mit einem schwerfälligen ERP-System“, sagt Geschäftsführer Bruno Hanselka. Er leitet die Amo-Tec GmbH aus Erkheim im Allgäu, die mit fast 50 Mitarbeitern Präzisions-Lang- und Kurzdrehteile sowie Baugruppen herstellt, die unter anderem in der Medizintechnik genutzt werden.
Das 2006 gegründete und schon im ersten Jahr stark gewachsene Unternehmen hat immer noch flache Hierarchien und einen Pioniergeist, der auch unkonventionelle Lösungen in Teamarbeit zulässt. Um dennoch den hohen Anspruch an die Qualität der Produkte zu erfüllen, klare Strukturen vorzugeben und Fertigungsprozesse zu planen, haben sich die Erkheimer für eine neue ERP-Branchenlösung entschieden, die die Wehinger Gewatec GmbH & Co KG für Präzisionsdrehteile anbietet. Alle Bereichsmodule sind in einem integrierten ERP-System zusammengeführt und arbeiten auf Grundlage einer einheitlichen Datenbasis interaktiv zusammen. „Wir haben uns für so eine integrierte Lösung entschieden“, sagt Hanselka, „weil die Ansteuerung entscheidender Bereiche wie MDE/BDE oder CAQ über Schnittstellen immer Streuverluste bedeutet.“
Eingeführt wurde die ERP-Lösung bereits 2008 mit nur vier Monaten Vorlaufzeit. Dass die Kommunikation zwischen den Gewatec-Beratern und den Amo-Tec-Mitarbeitern von Anfang an gut funktionierte, lag unter anderem daran, dass der Gewatec-Fachmann nicht nur „ITler“ war, sondern auch gelernter Zerspaner. „Unsere Welt der Präzisionsdrehteile versteht er gut“, lobt Tobias Haugg, Leiter der Prozessentwicklung bei Amo-Tec.
Viele Prozesse konnten aus dem Standard des ERP-Systems übernommen werden, weil diese „für unsere Strukturen schon optimal angelegt“ waren, sagt Haugg. Firmenspezifische Geschäfts- und Produktionsprozesse ließen sich aber ohne Weiteres abbilden.
System unterstützt auch die Zertifizierung nach ISO 14001
Installiert wurde das Gewatec-ERP/MES mit den Modulen Win Kalk (Kalkulation), PPS, Kap Plan (Leitstand zur Kapazitätsplanung), Grips (CAQ), Pro Vis (BDE/MDE), Produktionsmittel-Management (PMS) sowie Dokumentenverwaltung. Eine Erweiterung ist wegen des modularen Aufbaus jederzeit möglich, und bei Amo-Tec sollen als nächstes die DNC-Programmübertragung an die BDE/MDE-Terminals sowie Energiemanagement-Funktionen eingeführt werden, um die angestrebte Zertifizierung nach der Umweltmanagementnorm DIN EN ISO 14001 zu unterstützen.
Die Integration innerhalb der IT-Module, zwischen Planungs- und Produktionsebene, zwischen Werkstück, Maschine, IT und Werker, ist die Voraussetzung für eine intelligente Fabrik oder auch das, was kurz als Industrie 4.0 bezeichnet wird. In diesem Sinne sind bereits konkrete Umsetzungen von Industrie 4.0 in der Praxis zu finden. Dazu zählen die Online-Rückmeldung von Fertigungsdaten – wie der Auftragsfortschritt oder Angaben zur Qualität – oder auch Informationen zu Störungen wie einem Werkzeugbruch, der in Echtzeit gemeldet wird. Auch die automatische Steuerung von Prüfintervallen und Wartungen zählen dazu.
Die Fertigung wird überwacht, aber nicht der Werker selbst
Das Modul Pro Vis zeigt über die BDE/MDE-Terminals an den Maschinen eine Menge über die Produktion. Sie ist mit dem PPS, der Kapazitätsplanung, der laufenden Nachkalkulation oder anderen Auswertungen verknüpft und wurde von den Werkern zu Beginn mit „Argusaugen“ verfolgt, sagt Tobias Haugg. Aber es sei schnell klar geworden, dass es nicht um das Überwachen des Werkers gehe, sondern die Fertigung kontrolliert wird.
Eine innovative Idee wurde von den Werkern mit angeregt. Der MDE/BDE-Leitstand-Rechner zeigt grafisch alle Maschinen nach Produktgruppen geordnet. An jeder Maschine ist aber bei Amo-Tec heute nicht nur über ein grünes oder rotes Ampelsymbol der Status der Maschine zu sehen, sondern – da die Daten in Echtzeit erfasst werden – auch der aktuelle Auftragsfortschritt als Stückzeit und Reststückzahl zu erkennen. Auch Störgründe werden angezeigt.
Da jeder Werker mehrere Maschinen gleichzeitig betreut, wird jetzt das Bildschirmsignal des MDE/BDE-Leitstandrechners per Beamer für alle sichtbar hoch oben an eine weiße Wand der Werkhalle projiziert. Damit kann jeder Werker den Status seiner Maschinen im Blick haben, sich zwischen Werkhalle und Lager relativ frei bewegen und dennoch bei Problemen sofort reagieren.
Von Vorteil ist die Beamer-Lösung auch für die Geschäftsführung, die bei Betreten der Werkhalle sofort einen Überblick über den Zustand der Fertigung erhält. Vervollständigt wird der schnelle Überblick durch die KVP-Tafel, an der unter anderem der so genannte Produktionsfilm aushängt. Diese spezielle Auswertung aus Pro Vis zeigt von jeder Maschine die Historie der Produktions- und Stillstandzeiten der letzten drei Schichten nebeneinander. So ist mit einiger Erfahrung sofort zu erkennen, wann Geld verdient wurde und wann nicht. Ein Online-Überblick über die Fertigung ist mittlerweile auch per Smartphone oder Tablet eingerichtet.
Erstellen und Verwalten der Prüfpläne ist einfacher
Für das Qualitätsmanagement hat sich das Erstellen und Verwalten der Prüfpläne wesentlich vereinfacht. Norm- und kundenspezifische Prüfmerkmale und -intervalle für das SPC sind im System hinterlegt. Die Daten nahezu aller Messmaschinen und Messmittel gehen direkt in das CAQ-Modul ein.
Geschäftsführer Bruno Hanselka lobt die große Transparenz, die die Software in den gesamten Fertigungsprozesses gebracht habe – für alle Mitarbeiter.
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Teilen: