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„Auch Glas, Metall und Keramik lassen sich neben Kunststoff kleben“

Kleben: Fügetechnik mit hohem Freiheitsgrad
„Auch Glas, Metall und Keramik lassen sich neben Kunststoff kleben“

Gleich, ob es sich um hochfeste oder auch elastische Verbindungen handelt: Kleben lässt sich vieles. Und die Technologie weise einen hohen Freiheitsgrad bei Produktdesign und Materialauswahl auf, betont Klebespezialist Hermann Handwerker.

Herr Handwerker, welche Rolle spielt der Einsatz von Klebstoffen in der Medizintechnik?

Klebstoffe sind aus der heutigen Medizintechnik genauso wenig wegzudenken wie aus jedem anderen Industriezweig – und der Einsatz dieser noch relativ jungen Verbindungstechnik nimmt weiter zu. Wenn ich mir die bekannten medizinischen Anwendungen vor Augen halte, wage ich zu behaupten, dass sich in jedem Operationssaal, in jeder Arztpraxis, sogar in jedem Krankenwagen und Notarztkoffer angewandte Klebstoffe finden lassen.
Was spricht für das Kleben?
Der große Vorteil der Klebstofftechnologie ist, dass sich damit sehr unterschiedliche Werkstoffe in beinahe jeder dreidimensionalen Verbindungsgeometrie realisieren lassen. Keine andere Verbindungstechnik bietet einen so hohen Freiheitsgrad bei der Materialauswahl und beim Produktdesign. Zudem ermöglichen verschiedene Klebstoffarten sowohl hochfeste Verbindungen – für eine möglichst hohe Kraftübertragung – als auch elastische, die Bauteilbewegungen kompensieren. Nicht zuletzt überzeugen die meist farblosen Klebstoffe in der Medizintechnik auch unter ästhetischen Gesichtspunkten.
Welche alternativen Verfahren lassen sich durch das Kleben ersetzen und warum?
Alle bisherigen Fügetechniken können mittlerweile durch das Kleben ersetzt werden. Wo früher geklemmt, geschraubt oder geschweißt wurde, wird heute meistens geklebt. Die Gründe sind vielfältig. Im Gegensatz zu den anderen Verfahren ist der Einsatz von Klebstoffen nicht nur günstiger, sondern er ermöglicht auch eine stärkere und homogenere Verbindung der Materialien. Und das bei höherer Flexibilität in der Auswahl der Bauteilwerkstoffe und besserer Produktoptik. Vieles, was heute neu entwickelt wird, ist nur durch Klebstoffe möglich. Das kommt letztlich auch dem Patienten zu Gute. Ohne diese Verbindungstechnik wäre es beispielsweise nicht möglich gewesen, den Kanülendurchmesser einer Spritze auf das heutige kundenfreundliche Maß zu verkleinern. Eine Vielzahl von Menschen leidet noch immer unter dem Spritzen-Trauma aus Zeiten, in denen Ärzte große Spritzenkörper aus Glas verwendeten, auf die eine deutlich größere Metall-Kanüle mittels eines Adapters aufgesetzt wurde.
Für welche Anwendungen und Werkstoffe eignet sich das Kleben?
Klebstoffe werden in der Medizintechnik vor allem in Kombination mit Kunststoffen verwendet. Das liegt daran, dass kostengünstige Kunststoffe und ihre flexiblen Verwandten, die Elastomere, wegen ihrer spezifischen Eigenschaften bevorzugte Werkstoffe sind. Zum Verbinden dieser Materialien eignen sich Klebstoffe hervorragend. Aber auch Glas, Metall, Keramik oder Papier lassen sich sowohl mit Kunststoff als auch untereinander verkleben.
Halten Klebstoffe auch dem Sterilisieren stand?
Ja, die medizinischen Klebstoffe von Loctite sind beständig gegenüber den in der Praxis üblichen Sterilisationsverfahren. Eine Ausnahme ist die permanent wiederholte Heißdampfsterilisation bei mehrfach verwendbaren Medizinartikeln, beispielsweise Endoskopen. Aber auch hierfür gibt es Klebstoffe.
Wo liegen die Grenzen, was lässt sich nicht mehr kleben?
Im Grunde sind die Einsatzmöglichkeiten von Klebstoffen in der Medizintechnik kaum begrenzt. Auch für die schwer klebbaren Kunststoffe Polypropylen oder Polyethylen sind Oberflächenbehandlungen verfügbar, die eine gute Verbindung sicherstellen. Was – mit Ausnahme von lösbaren Klebebändern und Pflastern – in der Regel nicht erreicht werden kann, sind wiederholt lösbare Verbindungen. Zusätzliche Einschränkungen betreffen unter anderem die Temperaturgrenze von Klebstoffen. Je nach Klebstoffart variiert die maximale Einsatztemperatur zwischen 80 und 200 Grad Celsius. Für die Medizintechnik ist dies jedoch von untergeordneter Bedeutung. Naturgemäß müssen weder Patient noch die eingesetzten Medikamente solche Temperaturen aushalten.
Worauf muss der Konstrukteur achten, damit sich eine Verbindung gut kleben lässt?
Der wichtigste Punkt ist eine klebegerechte Geometrie. Die Wahl der Bauteilgeometrie und der Klebespalt haben einen großen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Verbindung sowie auf den Klebeprozess an sich. In der Praxis wird manchmal immer noch nach dem Prinzip „gestern geschraubt, heute geklebt“ gearbeitet – oder besser ausprobiert. Das Optimum erreicht man dadurch in der Regel nicht. Durch den Einsatz von gut klebbaren Werkstoffen und/oder geeigneten Oberflächenvorbehandlungen kann sich der Konstrukteur die Arbeit extrem erleichtern und gleichzeitig einen hohen Qualitätsstandard erreichen. Auch die Klebstoffwahl und -dosierung spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle.
Was muss insbesondere in der Medizintechnik im Zusammenhang mit dem Kleben beachtet werden?
Die Vorteile eines speziell für die Medizintechnik geprüften Klebstoffes liegen auf der Hand. In der Praxis erlebe ich regelmäßig, dass unsere Prüfzertifikate den Kunden die erfolgreiche Auditierung erleichtern. Insbesondere für Bauteile, die mit Medikamenten, Blut oder anderen Körperflüssigkeiten in Kontakt kommen, empfiehlt sich auf alle Fälle die Wahl eines Klebstoffs, der nach ISO 10993 geprüft ist – gemäß den Testverfahren, denen auch medizinische Bauteile für die Marktzulassung unterliegen. Für Artikel wie Rollstühle, elektrische Überwachungssyteme und andere steht nahezu die gesamte industrielle Klebstoffpalette zur Auswahl. Ein weiterer, nicht unwichtiger Gesichtspunkt für die Medizintechnik ist das Streben nach optimaler und lückenloser Qualitätsüberwachung. Schnell härtende Klebstoffe ermöglichen in der Prozess-Führung eine hundertprozentige In-line-Kontrolle sowohl des Klebeergebnisses als auch des hergestellten Bauteils. Auch dies erleichtert die Dokumentation und Audits. Im Prinzip ist es immer ratsam, den potenziellen Klebstofflieferanten und Anlagenbauer möglichst früh in den Entwicklungsprozess mit einzubinden.
Die Fragen stellte Michael Corban Fachjournalist in Nufringen

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