Silikon ist weich, kann sehr glatte Oberflächen aufweisen und hat auch sonst viele lobenswerte Eigenschaften, die es für körpernahe Anwendungen interessant machen. Aber für den 3D-Druck ist das Material leider nicht der einfachste Kandidat. Es ist viskos, was beim Einsatz von Düsen Probleme bereiten kann und Grenzen bei der Auflösung setzt. In einer Form, die sich nur für große Stückzahlen lohnt, lässt sich Silikon durch Wärme aushärten oder teilweise durch Licht. Aber wie kommt man zu einer Kombination aus Druckverfahren und Material, mit der sich glatte individualisierte Produkte aus Silikon zu einem interessanten Preis herstellen lassen?
Das war eine Frage, mit der sich Manuel Schaffner vor einigen Jahren in seiner Doktorarbeit an der ETH Zürich beschäftigt hat. Er fand Antworten, insbesondere was die Entwicklung spezieller, durch Licht aushärtbarer Materialien betraf – und diese sind heute die Grundlage für das Start-up Spectroplast, das im September 2018 als Spin-off der Hochschule gegründet wurde.
Gedruckte Silikonteile werden in etwa zwei Wochen geliefert
Mit zehn Mitarbeitern bieten die Zürcher die Fertigung von Silikonteilen als Dienstleistung an. Wer druckbare 3D-Daten
schickt, bekommt innerhalb von zehn bis fünfzehn Tagen die gewünschten Teile geliefert. Das Verfahren dahinter ist eine an die Werkstoffe angepasste Art der Stereolithographie: Das mehr oder weniger flüssige Silikon wird im Bad durch Licht an den gewünschten Stellen ausgehärtet.
Das Gerät dafür haben die Fachleute bei Spectroplast selbst entwickelt. „Da wir ohne Düsen auskommen, erreichen wir eine Auflösung von 30 Mikrometern. Das entspricht etwa einem Drittel der Dicke eines Haares – und das bedeutet, dass ein so gefertigtes Teil eine sehr glatte Oberfläche hat“, erläutert CEO Dr. Schaffner. Damit unterscheiden sich die Produkte von den Ergebnissen anderer Verfahren, mit denen Silikon gedruckt wird, wie zum Beispiel beim Dienstleistungszentrum Aceo der Münchner Wacker Chemie AG.
Mit glatter Oberfläche auch als Dichtung einsetzbar
Die glatte Oberfläche ist entscheidend für ein Anwendungsgebiet der Teile: Sie werden häufig als Dichtungen eingesetzt. Die Auftraggeber aus der Industrie bringen etwa die Hälfte des Umsatzes. Die andere entfällt derzeit auf Silikonteile für Life Enhancing Products, also Wearables oder Hearables. Dazu gehören individuelle Otoplastiken für Kopfhörer, Gehörschutz oder Schalen für Hörgeräte, aber auch an die Patientin angepasste Brustprothesen, die nach einer Amputation am Körper getragen werden. „Wir reden hier nicht von Implantaten, also auch nicht von Medizinprodukten, das möchte ich betonen“, sagt Schaffner. Es schwingt aber ein „noch nicht“ mit: Denn der 3D-Druck bietet auch für Implantate die Möglichkeit, anstelle festgelegter Größen eine an die einzelne Person angepasste Form anzubieten.
Mit Dichtungen und Life Enhancing Products geben sich die Schweizer daher nicht zufrieden. Dass sich ihre Silikon-Werkstoffe, die den Standards nach ISO 10993-5 und ISO 10993-10 entsprechen, für den Einsatz am Körper eignen, wurde bereits nachgewiesen. Sie dürften sogar bis zu 30 Tage im Körper verbleiben.
Für die Zukunft denken die Zürcher nun an die Fertigung flexibler individueller Luftröhrenstents oder auch an Herzklappen. Für solche Produkte der Klasse III fehlen aber noch die Zertifizierungen. „Da sind Hausaufgaben zu machen“, sagt Schaffner. Er und seine Mitstreiter sind allerdings schon dabei, und er rechnet in etwa zwei Jahren mit Ergebnissen. „Wenn es soweit ist, werden solche patientenspezifischen Medizinprodukte vermutlich unser Hauptgeschäftsgebiet sein.“
Großes Interesse aus der Medizintechnik-Industrie
Das Interesse aus der Medizintechnik-Industrie ist laut Schaffner jetzt schon groß. Es gebe eine Reihe von Mustern, die für interne Tests bei Kunden gefertigt wurden. Schaffner hat auch das eine oder andere Angebot für das komplette Unternehmen erhalten. „Das ist natürlich sehr erfreulich“, sagt er. Aber das Team glaube an die Technologie und möchte diese daher selbst in den Markt bringen und für die Gesellschaft zugänglich machen.
Schaffner sieht den 3D-Druck als komplementäres Verfahren zum Spritzguss. Die additive Fertigung lohne sich bis zu Stückzahlen von 30 000 bis 50 000 pro Jahr, sei etwa 100 Mal schneller als der Spritzguss und etwa um den Faktor Zehn günstiger, da sie ohne Form auskomme. Manche Geometrien seien über eine Form gar nicht darstellbar. Dennoch ließen sich nicht alle Erwartungen erfüllen. „Wir können mit dem 3D-Druck sehr viele Geometrien herstellen, aber es gibt auch hier Grenzen.“
Bisher agiert das Unternehmen nur als Dienstleister. Als nächstes sind Gesamtpakete für Nischenanwendungen wie die Herstellung individueller Stents angedacht: Zu so einem Paket würde ein spezieller Drucker gehören, das geeignete Silikonmaterial – das als Eigenentwicklung ausschließlich über Spectroplast verfügbar ist – und die zugehörige Software.
Weitere Informationen
Das Start-up Spectroplast wird sein Verfahren sowie die Materialien und Produkte im Herbst auf verschiedenen Messen vorstellen, darunter die Formnext in Stuttgart sowie die Compamed in Düsseldorf. Details
zu Halle und Stand lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor.
Zum Start-up Spectroplast
Unternehmen: Spectroplast AG
Gegründet: 2018 als Spin-off der ETH Zürich
Geschäftsführung: Manuel Schaffner, Petar Stefanov, André R. Studart
Mitarbeiter: 10
Angebot: 3D-Druck von Silikon als Dienstleistung
Finanzielle Unterstützung:
SME Instrument
Weitere Informationen: https://spectroplast.com/