Mindestens 500.000 Bewegungszyklen sollte ein Seilzug zur Bewegung der Finger an einer 3D-gedruckten Handprothese mitmachen. Welches Material ist kostengünstig, stets verfügbar und hält diesen Belastungen stand? Eine wissenschaftliche Arbeit am Institut für Prototypen- und Modelltechnik der Hochschule Coburg untersuchte die Lebensdauer verschiedener Seilzüge. Die Ergebnisse können gerade für den Einsatz in der dritten Welt hilfreich sein.
Inhaltsverzeichnis
1. Frugale Handprothese aus dem 3D-Drucker
2. Diese Materialien machten im Seilzug das Rennen
3. Gedruckte Handprothese soll bis zur Anwendung entwickelt werden
Frugale Handprothese aus dem 3D-Drucker
Um die Prothese selbst herzustellen, wurden additive Fertigungsverfahren, häufig als 3D-Druckverfahren bezeichnet, genutzt. Sie erlauben es, in kurzer Zeit Bauteile mit komplexen Strukturen, mit innenliegenden Hohlräumen und mit individueller Gestaltung zu erstellen. Die ist auch mit kostengünstigen 3D-Druckern möglich, die auf dem Fused-Layer-Modelling-Verfahren (FLM) basieren. Darüber hinaus sind viele frei zugängliche Datensätze für das Drucken von Handprothesen online verfügbar, die sich für den Einsatz in der dritten Welt eignen.
Zur Ansteuerung der Finger solcher Prothesen werden Seilzüge verwendet, die eine möglichst lange Lebensdauer aufweisen sollten. Und zwar trotz der rauen Oberfläche, der Hohlräume und der Aussparungen, in denen sie verlaufen. Stefan Formann, der Maschinenbau an der Hochschule Coburg studiert hat, hat in Dauerlauftests unterschiedliche Materialien untersucht und die maximal mögliche Anzahl an Bewegungszyklen dafür bestimmt.
Diese Materialien machten im Seilzug das Rennen
Auf Platz eins landet eine geflochtene Angelschnur aus Polyethylen. Sie ermöglicht bis zu 1,6 Millionen Bewegungszyklen und ist damit das einzige untersuchte Material, das die für kommerzielle Handprothesen geforderte Zyklenzahl von 500.000 Zyklen einhält. Eine untersuchte Drachenschnur aus Aramid und eine einfache Baumwollschnur erreichen 450.000 beziehungsweise 400.000 Zyklen. Das liegt zwar unter der geforderten Marke, doch wären diese Materialien prinzipiell geeignet.
Ein Drahtseil aus Edelstahl gab auf Grund der fehlenden Elastizität schon deutlich früher auf. Den letzten Platz der untersuchten Materialien belegt mit nur 60.000 Zyklen das Nähgarn aus Polyester. Als einfacher, kurzzeitiger Ersatz kann es unter den Versuchsbedingungen trotzdem angesehen werden.
Gedruckte Handprothese soll bis zur Anwendung entwickelt werden
Das Projekt wurde von Prof. Dr. Markus Stark aus der Fakultät Maschinenbau und Automobiltechnik betreut. Im Rahmen von studentischen Projekten soll die Prothese nun weiterentwickelt werden. Zum Beispiel durch die Integration einer sensorbasierten Steuerung oder die Erarbeitung und Integration einer Rückkopplung. Stark hofft darüber hinaus: „Wir möchten diese Prothese zusammen mit Kolleginnen und Kollegen und Medizinern zur Anwendung bringen.“