Ein Hochpräzisions-3D-Drucker an der TU Wien bricht alle Geschwindigkeits-Rekorde. Dadurch ergeben sich neue Anwendungsperspektiven – unter anderem in der Medizin, wie Dr. Aleksandr Ovsianikov vom Institut für Werkstoffwissenschaften und Werkstofftechnologie der TU Wien erläutert.
Herr Dr. Ovsianikov, was ist das Neue beim 3D-Drucker an der TU Wien?
Die Idee der Zwei-Photonen-Lithographie gibt es seit etwas mehr als zehn Jahren, sie wurde bis jetzt hauptsächlich für die Photonik genutzt. Das Problem war aber bisher, dass diese Methode sehr langsam war. Man hat die Druckgeschwindigkeit in Millimetern pro Sekunde gemessen. Unser Gerät schafft in einer Sekunde fünf Meter. In der Zwei-Photonen-Lithographie ist das Weltrekord.
Wie klein sind die Strukturen, die Sie mit Ihrem Drucker herstellen können?
Das hängt natürlich auch vom Material ab, mit dem wir arbeiten. Aber unser Rekord sind Strukturen mit einer Detailauflösung von unter 100 Nanometern.
Wie lange braucht man dann, um eine Struktur aufzubauen?
Da die Werte sehr unterschiedlich sind, lässt sich das nur für ein Beispiel erläutern. Betrachten wir also eine Probe für biomedizinische Experimente, an der die Zellanheftung und das Zellwachstum getestet werden sollen. Eine geeignete Probe für die Mikrotiterplatte ist etwa 3 mal 3 Millimeter groß. Sie soll aber feinste Strukturen in definierter und reproduzierbarer Anordnung haben. So ein Teil können wir aus biokompatiblen Materialien in wenigen Stunden herstellen, wofür man mit anderen Geräten oft einige Tage gebraucht hätte.
Wie ist es Ihnen gelungen, diese Geschwindigkeit zu erreichen?
Das wurde möglich, weil mehrere neue Ideen zusammenspielen. Die eine ist eine verbesserte Steuerung der Spiegel. Diese sind während des 3D-Druckvorganges ständig in Bewegung, mit gut kontrollierten Beschleunigungs- und Abbremsphasen. Der zweite Punkt sind die Werkstoffe: Das schnelle Licht nützt uns ja nur dann etwas, wenn das Material reaktiv genug ist und die gewünschten Strukturen rasch ausbildet. Bei der Gestaltung und Auswahl der reaktiven Materialien wie auch der Photoinitiatoren hat uns Professor Robert Liska vom Institut für Angewandte Synthesechemie mit seiner Arbeitsgruppe unterstützt.
Warum ist der Werkstoff so wichtig?
Anders als konventionelle 3D-Drucktechniken arbeiten wir nicht mit Pulvern, sondern mit Harzen oder wässrigen Lösungen. So können wir das Material an jedem gewünschten Ort im Volumen aushärten lassen. Daher können wir kleinste Strukturen erzeugen, ohne die Oberfläche für das Auftragen der nächsten Schicht zu präparieren. Auch daraus ergibt sich eine erhebliche Zeitersparnis.
Welche Anwendungen haben Sie im Blick?
Grundsätzlich sind technische wie auch medizinische Anwendungen möglich. Da wir kleinste Strukturen gezielt und reproduzierbar aus CAD-Daten erzeugen, haben wir gute Voraussetzungen für die Entwicklung von Prothesen für kleine Blutgefäße. Diese sind, anders als großvolumige Gefäße, schwer mit herkömmlichen künstlichen Prothesen ersetzbar. Um aber neue Blutgefäße aus geeigneten Zellen zu züchten, ist es wichtig, dass eine Struktur vorgegeben wird, die die richtigen Eigenschaften aufweist: Größe, Struktur und Material müssen stimmen, damit sich die Zellen wieder richtig anordnen können. Mit unserem 3D-Drucker können wir viele Scaffolds für die Tests mit solchen Zellen herstellen und die Scaffolds so lange variieren, bis die Biologen die richtige Prothesenstruktur gefunden haben, die von den Zellen gut angenomen wird.
Welches Material verwenden Sie hierfür?
Wir nutzen eine Reihe von Ausgangsstoffen, für den biomedizinischen Bereich zum Beispiel denaturierte Gelatine oder Fibrin. Diese statten wir mit funktionellen, photoreaktiven Gruppen wie Acrylat oder Methacrylat aus. Damit machen wir sie photopolymerisierbar, und sie lassen sich selbst dann noch aushärten, wenn der Anteil von Wasser in der Lösung größer als 50 Prozent ist und wir mit Licht im Nahinfrarot-Bereich arbeiten. Damit können wir sogar im Umfeld lebender Zellen gewünschte Strukturen entstehen lassen. Gedacht ist da zum Beispiel an eine Polymerisation direkt in einem Kniegelenk mit Knorpelschäden, wo man auf der Basis von Hyaluronsäure arbeiten würde. Dass das prinzipiell funktioniert, haben wir mit einem Fadenwurm getestet: Um ihn herum entstand in wässriger Lösung ein Polymerkäfig, und weder das Material noch die Monomere oder das fokussierte Licht haben ihn geschädigt. Noch ist das aber im Forschungsstadium und von einer FDA-Zulassung weit entfernt.
Haben Sie industrielle Partner für die Weiterentwicklung?
Wir arbeiten an einigen Machbarkeitsstudien, sowohl in technischer wie auch in medizinischer Richtung. In nächster Zukunft werden wir uns aber vor allem mit dem Portfolio an Werkstoffen befassen.
Dr. Birgit Oppermann
Weitere Informationen zu den Forschern an der TU Wien:
http://amt.tuwien.ac.at/home/
Zwei-Photonen-Lithographie
Die 3D-Drucker, die Wiener Forscher entwickelt haben, arbeiten nach dem Prinzip der „Zwei-Photonen-Lithographie“. Ihr Ausgangsmaterial ist nicht etwa Pulver, sondern flüssiges Harz, das genau an den gewünschten Stellen durch fokussierte Laserstrahlen ausgehärtet wird. Das Harz enthält Moleküle, die vom Laserlicht aktiviert werden. Diese können an anderen Bausteinen, so genannten Monomeren, eine Kettenreaktion auslösen, was das Material fest werden lässt. Zwei Photonen müssen gleichzeitig absorbiert werden, um diese „Initiator-Moleküle“ zu aktivieren – und das geschieht genau dort, wo der Laserstrahl extrem stark fokussiert ist. Eine ausgehärtete Polymer-Linie mit einem Durchmesser von weniger als 100 nm lässt sich so erzeugen, so dass man fein strukturierte Skulpturen von der Größe eines Sandkorns anfertigen kann – oder Gefäßersatz aus biokompatiblen Werkstoffen.
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