Von einem Durchbruch spricht Johannes Rudolph von der TU Chemnitz, von einem gelungenen „Machbarkeitsnachweis für unsere Technologie“: dem 3D-Druck vollständiger Elektromotoren. Entwickelt wurde das Verfahren in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Ralf Werner, der die Professur für Elektrische Energiewandlungssysteme und Antriebe innehat. Rudolph war an der Entwicklung maßgeblich beteiligt, zusammen mit seinem Kollegen Fabian Lorenz.
Sie haben dafür ein 3D-Multimaterialdruckverfahren entwickelt, das mit hochviskosen Pasten zurechtkommt, in denen – gemischt mit Bindemitteln – alle Werkstoffe enthalten sind, die für die Motorenherstellung gebraucht werden: Dazu zählen die elektrischen Leiter aus Kupfer, die zusammen mit Eisen beziehungsweise eisenhaltigen Legierungen die Bildung und Ausrichtung der magnetischen Felder bewirken, und die elektrische Isolation aus Keramik, die die Leiter untereinander und gegen die als Magnetkreis bezeichneten Teile aus Eisen isoliert.
Diese metallischen und keramischen Pasten werden durch ein Extrusionsverfahren schichtweise in Form gebracht und anschließend gesintert. Für die präzise schichtweise Extrusion der Pasten arbeiten die Wissenschaftler mit der Viscotec Pumpen- u. Dosiertechnik GmbH in Töging am Inn eng zusammen. Das Ergebnis: vollständige elektrische Motoren, die die Chemnitzer erstmals im Frühjahr 2018 anlässlich der Hannover Messe präsentierten.
Einsatztemperatur bis 700 °C wäre denkbar
Etwa zweieinhalb Jahre Arbeit stecken bisher schon in dem Projekt, in dem es darum ging, „die Grenze der Einsatztemperatur von elektrischen Maschinen deutlich nach oben zu verschieben“, wie Prof. Werner berichtet. Dies erreichen die Chemnitzer Forscher, indem sie die konventionellen, polymerbasierten Isolationsmaterialien durch spezielle Keramiken ersetzen, die eine weitaus höhere Temperaturbeständigkeit aufweisen. Die zulässige Wicklungstemperatur konventioneller Isolationssysteme liegt bei maximal 220 °C. Diese könne nun deutlich überschritten werden, wodurch die Einsatztemperatur elektrischer Maschinen nur noch durch die ferromagnetischen Eigenschaften des Eisens begrenzt wird. „Diese bleibt bis etwa 700 °C bestehen“, fügt Rudolph hinzu.
Höherer Wirkungsgrad als bei heutigen Motoren
Neben der höheren Temperaturbeständigkeit weist das keramische Isolationsmaterial auch eine höhere Wärmeleitfähigkeit auf. Dadurch kann die in den Leitern entstehende Verlustwärme schneller abtransportiert werden. Auf diese Weise erreichen die Wissenschaftler ein weiteres wichtiges Ziel ihrer Arbeit: die Erhöhung der Leistungsdichte elektrischer Maschinen. „Trotz einer prozessbedingten, etwas verminderten elektrischen Leitfähigkeit des Kupfers, ist in speziellen Anwendungsfällen eine Steigerung des Wirkungsgrades durch eine deutliche Reduzierung der Wicklungstemperatur möglich“, ergänzt Lorenz.
Das Verfahren erlaubt auch freitragende Strukturen, wodurch sich Körper mit geschlossenen und leeren Hohlräumen herstellen lassen. Solche inneren Strukturen bieten nach Angaben der Entwickler interessante Ansätze für effiziente aktive oder passive Kühlkonzepte. Kommen zusätzlich Stützstrukturen zum Einsatz, ist eine nahezu beliebige dreidimensionale Formgebung möglich. Zusätzlich zeichnet sich das Verfahren durch eine hohe Materialeffizienz aus: Nahezu das gesamte eingesetzte Material kann für den Druckprozess verwendet werden.
Rudolph und Lorenz bereiten eine Ausgründung aus der Universität heraus vor und suchen weitere Interessenten für ihr 3D-Multimaterialdruck-Verfahren. (op)
Weitere Informationen
Mehr über den 3D-Multimaterialdruck sowie Videos:
www.tu-chemnitz.de/etit/ema/AMMM/index.php