Würfel aus Edelstahl mit eingedruckten Zahlen, Buchstaben oder feingliedrigen Gittern: Viele Bauteile, die bei Mark Becker am Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA auf dem Schreibtisch liegen, sind bis ins Detail perfekt gearbeitet, ein paar weisen Fehler auf – und zeigen damit, wo die Grenzen des verwendeten 3D-Druck-Verfahrens liegen. Becker ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für Additive Produktion am IPA und will mit solchen Qualifikationsmustern untersuchen, für welche Anwendungen das Fused Layer Modeling (FLM) von Metallbauteilen geeignet ist.
3D-Druck von Metall? Bisher ist MIM häufiger im Einsatz
Bisher sind solche Bauteile oft per Metal Injection Moulding (MIM) hergestellt worden, also über den Metallpulverspritzguss. Das Verfahren wird vor allem in der Automobilindustrie und bei Medizintechnik-Herstellern eingesetzt und ist auch wegen der dafür benötigten teuren Anlagen und Werkzeugformen für die Großserienproduktion ausgelegt. Der Metallpulverspritzgusses führt zunächst zum Grünkörper, einem Vorprodukt mit leicht überdimensionierten Abmessungen, das im Entbinder- und Sinterofen auf die gewünschten Maße zusammenschrumpft.
Für Kleinserien und Einzelstücke ist das unwirtschaftlich. Daher haben Becker und sein Projektpartner Michael Lattner, Geschäftsführer der ML3D GmbH aus Hattenhofen bei Göppingen, nach einem anderen Verfahren Ausschau gehalten. Sie drucken Edelstahl-Bauteile mit dem Fused Layer Modeling, das bisher vor allem für den 3D-Druck mit Kunststoffen verwendet wurde.
Auch beim 3D-Druck von Metall entsteht ein Grünköper
Auch beim FLM entsteht ein Grünkörper, der in einem kostengünstigen 3D-Drucker aus einer Mischung von Metallpulver und Polymerbinder gefertigt wird. Der Kunststoffanteil wird beim anschließenden Entbindern entfernt. Erst im Sinterofen verdampfen auch die letzten Polymerreste, und die zurückbleibenden Metallpulverpartikel werden versintert.
Nun ging es unter anderm darum, die Kosten für die Herstellung von Teilen via FLM mit denen beim MIM-Verfahren zu vergleichen. Ebenfalls sollte verglichen werden, wie komplex oder klein die Körper sein können, die man mit FLM fertigen kann, und wie groß der Volumenverlust bei der thermischen Nachbehandlung im Entbinder- und Sinterofen ist. Auch Festigkeit und Dichte haben Becker und seine Mitstreiter anhand der Qualifikationsmuster untersucht.
Die Grenzen beim FLM sind denen beim MIM ähnlich
Dabei zeigte sich, dass für mit FLM produzierte Bauteile unabhängig vom Werkstoff – Kunststoff oder Metall – die gleichen Grenzen bei Größe und Komplexität gesetzt sind. Auch mit dem MIM-Verfahren sind die Ergebnisse vergleichbar. „Bei beiden Produktionsverfahren können während der thermischen Nachbehandlung Risse auftreten, wenn beispielsweise ein Bauteilelement Wandungen hat, die größer als zehn Millimeter sind. Dann ist oft auch kein wirtschaftlicher Entbinder- und Sinterprozess möglich“, sagt Becker.
Die Schrumpfung des Grünkörpers im Entbinder- und Sinterofen ist beim FLM ähnlich stark wie beim MIM-Verfahren, allerdings nicht gleichmäßig entlang aller Raumrichtungen. „Insgesamt liegen die Werte in einem ähnlichen Bereich wie beim MIM-Verfahren, wobei die Schrumpfung in Aufbaurichtung verfahrensbedingt höher ausfällt als die in der Baufläche“, fasst Becker die Ergebnisse zusammen.
Zugfestigkeit in Schichtaufbaurichtung ist geringer
Bei der Dichte nach dem Sintern kommt das FLM etwas schlechter weg als das MIM-Verfahren. Woran das liegt, ist allerdings noch nicht vollständig geklärt. Becker empfiehlt: „Belastete Bauteile sollten vor dem Einsatz spezifisch geprüft und die Druckstrategie an den Belastungsfall angepasst werden.“ Auch bei der Zugfestigkeit besonders in der Z-Richtung, was der Schichtaufbaurichtung beim FLM entspricht, fällt deutlich geringer aus als bei Bauteilen, die mit dem MIM-Verfahren gefertigt wurden. Laut Becker gebe es allerdings schon einige Ansätze, wie sich dieser Effekt verringern lasse.
Schwierig wurde es beim Vergleich der Stückkosten beim FLM- und MIM-Verfahren. Die Prozessketten sind weitestgehend dieselben, nur die Herstellung der Grünkörper ist unterschiedlich. „Für große Stückzahlen erzielt der MIM-Prozess verhältnismäßig niedrige Stückkosten, bei kleineren Losgrößen ist der FLM-Prozess vorteilhafter“, fasst der Stuttgarter Experte Becker zusammen. „Im Vergleich mit anderen additiven Fertigungsverfahren wie etwa dem selektiven Laserschmelzen ist FLM aufgrund der geringen Material- und Anlagenkosten eines der wirtschaftlichsten.“
3D-Druck von Metallen einführen, Stärken nutzen, Schwächen entgegenwirken
Michael Lattner von der ML3D GmbH will die Erkenntnisse aus dem Projekt mit dem Fraunhofer IPA voraussichtlich im zweiten Quartal 2021 umsetzen und das FLM-Verfahren einführen. „Die Herausforderung wird sein, mit dem Kunden konstruktiv die Stärken des Erforschten optimal einzusetzen und den Schwächen entgegenzuwirken“, sagt der Unternehmer.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Mark Becker
E-Mail: mark.becker@ipa.fraunhofer.de
www.ipa.fraunhofer.de