Es gäbe so viele Anwendungsmöglichkeiten für einen Roboter in der Chirurgie – von HNO über die Neurochirurgie bis zur Wirbelsäule und noch viel weiter. Aber für jeden chirurgischen Fachbereich ein eigenes System zu entwickeln, würde den Kostenrahmen sprengen. Da sich keine Klinik eine ganze Reihe solcher Systeme leisten könnte, hätte ein Anbieter kaum Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg. Mit einer modularen und skalierbaren Plattform hingegen, die spezifische Module für HNO, Neurochirurgie oder ganz andere Anwendungen trägt, könnte die Sache interessant werden. Das ist in etwa die Geschäftsidee, mit der vor rund fünf Jahren Dr. Max Krinninger und Dr. Stephan Nowatschin in München das Start-up Medineering gründeten.
Basis passt an jeden OP-Tisch und trägt Anwendungsmodule
Inzwischen haben sie ihre Idee in die Tat umgesetzt: Sie haben als Basiselement einen Positionierarm entwickelt, der sich an gängigen OP-Tischen seitlich an einer Normschiene anbringen lässt und als Plattform fungiert. Er braucht lediglich eine Stromquelle und kann über eine eigens entwickelte Schnittstelle verschiedene Module aufnehmen – zum Beispiel eines, das ein Endoskop trägt oder eines, das über einen Antrieb verfügt und beispielsweise ein Instrument auf einem vor der Operation festgelegten Pfad führt.
Zwei Trägersysteme, mit denen anwendungsspezifische Module positioniert werden können, tragen bereits das CE-Kennzeichen – ebenso zwei Module. Diese sind im Münchner Klinikum Rechts der Isar im Einsatz, im Universitätsklinikum Essen sowie in einem Klinikum im italienischen Brescia. Bisher angewendet werden sie in der Wirbelsäulenchirurgie und der HNO-Chirurgie. „Unser Ansatz soll dem Mediziner die Arbeit erleichtern“, erläutert Krinninger. „Er kann zum Beispiel weiterhin sein bevorzugtes Endoskop verwenden, aber er muss es nicht mehr selbst halten und braucht auch keinen Assistenten dafür. Das übernimmt der Roboter.“
Basismodul verbleibt in der eingestellten Position
Das Basismodul ist leichtgängig genug, um vom Arzt einfach bewegt zu werden. Damit es in der Enge des Operationsraumes nicht versehentlich verschoben wird, lässt es sich in der gewünschten Position mit elektronischen Bremsen arretieren. Sensoren überprüfen, ob sich tatsächlich nichts ändert. Sowohl der Arm als auch die Module lassen sich steril ummanteln.
Die manuelle Positionierung des Roboterarmes ist dabei zunächst als „Grobeinstellung“ gedacht. Mit einem angetriebenen Modul ließe sich ein Instrument aber auch noch weiter bewegen – für das Feintuning beim Positionieren. „Ob dafür ein Fußschalter das Beste ist oder eine andere Mensch-Maschine-Schnittstelle die richtige Lösung ist, können wir für jede Anwendung entscheiden und unser System an die Wünsche des Mediziners anpassen.“
Anwendungsspezifische Systeme für die indirekte robotische Unterstützung gibt es laut Krinninger bereits in größerer Zahl am Markt. Das Da-Vinci-System von Intuitive Surgical für die Laparoskopie sei nur ein – sehr bekanntes – Beispiel dafür. Darüber hinaus würden robotische Systeme auch für Neurochirurgie, Orthopädie, die Bauchchirurgie oder sehr spezielle Anwendungen wie die Transplantation von Haaren verwendet. Dass Robotik für die Chirurgie Vorteile bringt, hat sich aus Sicht des Geschäftsführers am Markt damit bereits gezeigt. „Natürlich gibt es unter Medizinern kontroverse Äußerungen zum Thema. Aber die Gesamtentwicklung geht zu mehr Robotik oder auch teilautomatisierten Systemen, die die Vorgaben des Mediziners präzise umsetzen.“
Weg zum robotischen System führt über eine Partnerschaft
Um das robotische System in möglichst vielfältigen Anwendungen einsetzen zu können, sucht Medineering als Partner Unternehmen aus der Medizintechnik, die zum Beispiel Endoskope herstellen, Instrumente oder auch Implantate, die präzise eingesetzt werden sollen. „Jedes Unternehmen, das mit einer robotischen Lösung am Markt auftreten will, kann das durch eine Partnerschaft mit uns erreichen“, sagt Krinninger. Medineering stellt eins der Basismodule zum Positionieren und erarbeitet als Entwicklungsdienstleister anwendungsspezifische Module für die Aufgabenbereiche eines Herstellers von Medizinprodukten. „Dafür sind die verschiedensten Möglichkeiten denkbar.“
Der erste Partner, mit dem das erprobt wurde, ist die auf die Neurochirurgie am Kopf spezialisierte Münchner Brainlab AG. „Das Anwendungsgebiet, auf das wir am Anfang vor allem geschaut haben, war der Kopf-Bereich – da gab es schon früh Kontakte, die sich in Richtung Partnerschaft entwickelten.“ Brainlab war auch der erste Anbieter, der mit Cirq ein robotisches System mit dem Positionierarm von Medineering auf den Markt brachte.
Das partnerschaftliche Verhältnis entwickelte sich weiter: Im März 2019 hat Brainlab Medineering übernommen. „Das ändert aber nichts für die Zusammenarbeit mit anderen Herstellern“, sagt Krinninger. Es gebe viele Anwendungen, für die sich mechatronische Systeme zur robotischen Unterstützung entwickeln ließen, „ob es nun darum geht, eine Biopsienadel automatisiert auszurichten oder einen definierten Bohrkanal zu setzen“. Dass der Positionierarm das CE-Kennzeichen trägt, erleichtere die Zulassung des Gesamtsystems. Das Interesse aus der Medizintechnik-Branche ist laut Krinninger groß.
Zum Start-up Medineering
Unternehmen:
Medineering GmbH, München – im März 2019 von der Brainlab AG übernommen
Gegründet: 2014
Geschäftsführung und Gründer:
Dr. Max Krinninger und Dr. Stephan Nowatschin
Mitarbeiter: 16
Angebot:
Robotische Lösungen auf der Basis einer bestehenden modularen skalierbaren Plattform, ggf. in Partnerschaft mit Medizintechnik-Unternehmen
Jüngste Auszeichnung:
2. Hauptpreis Innovation Award
Bavaria 2018
Weitere Informationen:
medineering.de