Sie müssen ins Krankenhaus? „Treten Sie ein. Wir werden Ihnen jetzt ein paar Fragen zu Ihrer Gesundheit stellen. Das hilft uns, Sie schneller zu der Fachabteilung zu leiten, die Ihnen am besten helfen kann. Folgen Sie einfach den Anweisungen unseres virtuellen Mitarbeiters.“ Und in einer Kabine, die Sie von der Außenwelt abschirmt, erscheint auf einem Bildschirm ein Arzt-Avatar in Lebensgröße, stellt Fragen und gibt Anweisungen. „Bitte nehmen Sie Platz.“ Während der Unterhaltung misst die in den Stuhl integrierte Sensorik schon mal Vitaldaten, ohne dass sich der Patient darüber Gedanken machten muss, und die Daten fließen sofort in seine Akte.
„Bitte stehen Sie auf und machen Sie fünf Kniebeugen.“ Puls rauf – lässt sich gleich mit messen. Leichtes Schnaufen – erfasst das Mikrofon, das auch aufnimmt, was der Patient sagt. Es dauert nur Sekunden, all die bei der Begrüßung erhobenen Daten auszuwerten. Und die Ergebnisse der automatisierten Erstuntersuchung hat der Arzt, der Sie als Patienten kurz darauf persönlich empfängt, direkt auf seinem Monitor.
Digital Health: Anamnese zunächst ohne medizinisches Personal
Noch ist diese Art der Anamnese bei der Aufnahme ins Krankenhaus Teil eines Forschungsprojektes. Daran arbeiten Forschende des Stuttgarter Fraunhofer IPA. In Kooperation mit dem Universitätsklinikum Mannheim und der medizinischen Fakultät wollen sie testen, ob und wie Routinearbeiten im Klinikalltag digitalisiert und automatisiert werden können. Das erste Reallabor soll in Mannheim bereits im Jahr 2022 in Betrieb gehen, um die beschriebene Technik zu erproben. Für Anamnese und Vitaldatenerfassung wäre die unmittelbare Anwesenheit von medizinischem Personal dann nicht mehr erforderlich.
Digitalisierung: Noch fehlt es an der IT-Infrastruktur
Projekte dieser Art bereiten in konkreten Anwendungen darauf vor, dass es eines Tages so richtig losgehen kann mit der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen. Und es tut sich ja auch schon etwas. Um beim Beispiel Krankenhäuser zu bleiben: Im Jahr 2021 wurden Fördermittel in Höhe von 4,3 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt. Im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) sollen riesige Summen es ermöglichen, eine geeignete IT-Infrastruktur in Kliniken zu schaffen, diese auszuweiten oder auch die IT-Sicherheit zu verbessern. Zahlreiche Anträge auf Fördermittel gingen ein.
Aber die Infrastruktur ist nur das Eine. Wie eine Digitalisierung im Gesundheitswesen aussehen sollte, steht noch gar nicht fest und wird heiß diskutiert. Auch die Forscher brauchten für ihr Projekt eine Strategie. Denn: Wo soll man mit der Digitalisierung des Krankenhauses anfangen? „Von den vielen möglichen Einstiegspunkten eignet sich die medizinische Patientenaufnahme am besten“, fasst Dr. Jens Langejürgen, Abteilungsleiter für Klinische Gesundheitstechnologien am Fraunhofer IPA, zusammen. Er leitet das Projekt Tedias, was als Abkürzung für „Test- und Entwicklungszentrum für digitale Patientenaufnahme-Systeme“ steht. „Viele Folgeprozesse greifen auf die bei der Patientenaufnahme gesammelten Informationen zurück, sodass eine konsequente und nachhaltige Entlastung des Klinikpersonals hier beginnen muss.“
Das Ziel bei diesem Ansatz: Wartezeiten für die Patienten reduzieren, Daten vollständig erheben und gleichzeitig das medizinische Personal entlasten. Die ersten beiden Räume zur digitalen Patientenaufnahme und Erstuntersuchung wollen die Forscher in der neurologischen Notaufnahme und in der Inneren Medizin einrichten.
Automatisierte Anamnese ist nur der Anfang
Das ist für Langejürgen nur der Beginn einer langfristigen Entwicklung. „Wir schaffen im Projekt Tedias eine Basis, auf der wir aufbauen und nach und nach ein digitales Krankenhaus entwickeln können.“ Hierdurch stünden alle jeweils relevanten Informationen den Ärzten und der Pflege von Anfang an zur Verfügung. Die Durchgängigkeit der Daten und die gleichbleibend hohe Qualität könnten helfen, den Verlauf von Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Diese Daten sind auch die Grundlage für das Training von Algorithmen, die das Potenzial haben, die medizinische Versorgung von Patienten zu verbessern.
Digital Health: Kein Erfolg ohne Akzeptanz bei den Patienten
„Das Reallabor gibt uns die Möglichkeit, verschiedene bereits verfügbare oder auch neuere Technologien unter realistischen Bedingungen zu testen und die Interaktion der Patientinnen und Patienten mit dem System zu erforschen“, sagt Langejürgen. Neben den Ärzten und der Pflege sei deren Akzeptanz letztlich ausschlaggebend für den Einsatz eines solchen Systems in der Klinik. (op)
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Jens Langejürgen
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
E-Mail: jens.langejuergen@ipa.fraunhofer.de
URL: www.ipa.fraunhofer.de
Digitalisierung im Gesundheitswesen: Was 5G in der Klinik leisten kann