Um am Markt zu bestehen und mit Innovationen zu punkten, müssen sich Unternehmen wandeln. Solche Veränderungsprozesse haben ihr Gutes: Sie können sowohl die Produktivität als auch die Motivation der Mitarbeiter steigern. Im Zuge von Veränderungen werden Probleme schneller sichtbar, und auch unwirtschaftliche Aktivitäten fallen auf und lassen sich künftig vermeiden. Ein groß angelegter Kurswechsel bringt jedoch auch Aufwände im Change Management mit sich, die Entscheider nicht unterschätzen sollten. Das betrifft finanzielle Aspekte und führt zu der Frage, welchen messbaren Erfolg ein großes Change-Vorhaben verspricht. Lohnt der Aufwand? Welche Einsparpotenziale sind greifbar?
Ein neues Berechnungsmodell liefert dafür valide Prognosezahlen, macht finanzielle Chancen erkennbar und stattet das Management mit Argumenten für die Entwicklung des Unternehmens aus. Letztlich erleichtern vorliegende Zahlen über den gesamten Prozess die individuellen Entscheidungen.
Entwickelt haben das Berechnungsmodell Fachleute aus der Unternehmensberatung Agileus Consulting GmbH & Co. KG in Bad Klosterlausnitz, die einen ihrer Branchenschwerpunkte in der Medizintechnik hat. Die im Berechnungsmodell verwendeten Kategorien, Werte und Potenziale basieren auf langjähriger Industrie- und Managementerfahrung und greifen auch auf die Ergebnisse von Studien zurück. Der Fokus richtet sich auf die Berechnung einer agilen Unternehmenstransition über alle Ebenen hinweg. Einbezogen sind also auch Faktoren wie Unternehmenskultur und Mitarbeiterzufriedenheit.
Change Management: Berechnung mit 15 Kategorien
Das Modell berücksichtigt derzeit etwa 15 Kategorien. Einzelne Faktoren lassen sich unterschiedlich gewichten oder streichen, je nachdem, welche Relevanz sie für das jeweilige Unternehmen haben. Die Daten eines spezifischen Unternehmens fließen im Rahmen eines Workshops in das Modell ein.
Was die Entscheider im Unternehmen tun wollen, spielt bei der Bewertung genauso eine Rolle wie das Wie. Sollen beispielsweise Umsatz- und Ergebniseffekte durch Einführung des Minimum-Viable-Product-Prinzips (MVP) erzielt werden? Geht es darum, den Aufwand im Bereich Entwicklung zu senken? Soll der Aufwand im Management reduziert werden, oder müssen Produkte vor allem schneller auf den Markt gebracht werden?
Mit Cycle-Up-Methode schneller zum ausgereiften Embedded System
Zum MVP-Konzept gehört, dass Kunden-Feedback schnell zu den Entwicklern gelangt. Auf der Basis dieser Rückmeldungen lässt sich das Produkt weiterentwickeln. Im Vergleich mit anderen Branchen ist das im medizintechnischen Bereich schwieriger umzusetzen: Ehe ein Medizinprodukt auf den Markt kommt, muss es klinische Studien durchlaufen und gemäß seiner Risikoklasse nach den Vorgaben der MDR zertifiziert sein. Dieser zeit- und kostenintensive Prozess setzt eine hohe Entwicklungsreife voraus.
Dennoch funktioniert MVP auch in der Medizintechnik, wenn bei gleichbleibend hoher Produktqualität lediglich der Leistungsumfang gestutzt wird. Jedes Unternehmen muss dabei entscheiden, in welchen Release-Zyklen Produkt-Updates am Markt etabliert werden. MVP gänzlich aus den Überlegungen auszuklammern, würde den Verlust mittel- und langfristiger Einsparungen bedeuten.
Das zeigt eine Beispielberechnung: Setzt ein Medizinproduktehersteller alle denkbaren Change-Maßnahmen um, so ergibt das Berechnungsmodell, dass sich die Entwicklungszeit um 20 bis 30 % reduzieren lässt. Ausgehend von einer üblichen Entwicklungszeit von mindestens 48 Monaten, wie sie für große KMU und Konzerne typisch ist, könnte der Produktlaunch dann rund zwölf Monate früher stattfinden. Das senkt Kosten an unterschiedlichen Stellen und erhöht gleichzeitig den Deckungsbeitrag des Produkts.
MVP-Prinzip umsetzen und agile Arbeitsweisen einführen
Abgesehen vom MVP-Prinzip ist auch der Wandel eines Unternehmens hin zur agilen Arbeitsweise ein interessanter Ansatz. Dabei steht Agilität für das Gegenteil der klassischen Abteilungen: Die Arbeit erledigen crossfunktionale Teams, die dezentral in einem Netzwerk tätig sind und klaren Regeln folgen. Lösen effiziente agile Events die klassische Meetingkultur ab, zeigt das Berechnungstool eine Zeitersparnis von etwa 30 % – was zugleich die Kosten senkt. Unternehmen, die Bereiche als agile Teams ins Entwicklungsprojekt integrieren, können also beachtliche Einsparpotenziale für sich erschließen.
Insbesondere in der Medizintechnik-Branche summieren sich die Ausgaben in den Bereichen rund um die Entwicklung herum. Das liegt an den hohen Personalkosten, die Abteilungen wie Clinical und Medical Scientific Affairs verursachen, die sich mit zahlreichen Mitarbeitern um Studien und Zulassungen kümmern. Auch hier sind agile Arbeitsweisen möglich und, wie die Berechnungen zeigen, von Vorteil.
Unternehmen im Wandel: Schon drei Teams verbessert
Am Beispiel eines Pharmaunternehmens, das im Bereich des Blutzuckermanagements tätig ist, lassen sich die Auswirkungen des MVP-Prinzips auf die an F&E geknüpften Bereiche konkret deutlich machen. Das Unternehmen durchläuft aktuell eine Transition hin zur agilen Entwicklungsabteilung.
Im Bereich Medical Scientific Affairs zeigten im Rahmen des Entwicklungsprogramms bereits drei Teams eine Performance-Steigerung gegenüber der herkömmlichen Arbeitsweise. Außerdem verbesserten sich Teamzusammenarbeit und -zufriedenheit.
Eine Reihe von Aspekten tragen dazu bei.
- Das Gefühl, die Arbeitszeit besser zu nutzen und weniger Zeit in Meetings zu verbringen, steigert die Motivation der Mitarbeiter.
- Ein gutes Stakeholdermanagement des Product Owner ermöglicht es, im Team rasch zu Entscheidungen zu kommen. Das verkürzt interne Wartezeiten.
- Parallelisierung von Studien und neue Wege, auf denen Evidenz generiert wird, beschleunigen den Prozess. Vom raschen Feedback profitiert die Produktentwicklung, und auch der Zulassungsweg lässt sich verkürzen.
- Eine gemeinsame Sprintplanung, Transparenz über anstehende Themen sowie Hindernisse und Unterstützung bei deren Überwindung verbessert die Motivation im Team.
- Eine abgespeckte Version des MVP-Konzepts für das Gesamtprojekt führt dazu, dass das Unternehmen 12 bis 18 Monate nach Market Launch die Einführung der ersten Weiterentwicklung nach MVP plante.
Darüber, dass solch tiefgreifende Veränderungen in einem Unternehmen Vorteile bringen können, sind sich Entscheider in der Theorie oft bewusst. Die anstehenden Kosten für einen Unternehmensumbau bei scheinbar ungewissem Outcome vereiteln aber meist den Sprung in die Praxis. Mit dem neuen Berechnungstool lässt sich dieser Schritt transparenter planen.
Über das Berechnungsmodell und die Phasen des Wandels
Das Berechnungsmodell orientiert sich an typischen Phasen, die beim Change-Prozess im Unternehmen auftreten:
- Zu Beginn der Transition entstehen vorrangig Kosten, besonders durch das Investment in die Berater und durch die kurzzeitige Verlangsamung der Entwicklungsteams.
- Während der Pilotierung treten ebenfalls noch Kosten auf, doch erste Einspareffekte sind messbar.
- Im Zuge der Rollout-Wellen über die Organisation hinweg überwiegen die Einsparungen.
In einem idealtypischen Unternehmen ist den Erfahrungen der Agileus-Berater nach ab dem ersten Jahr der Pilotierung mit einer leicht positiven Bilanz zu rechnen, vorausgesetzt die Anforderungen wurden eingehalten.
Spätestens ab dem dritten Jahr des Rollouts machen sich die Einsparpotenziale, also vermiedene Kosten, Effizienzverbesserungen und Umsatzpotenziale, sehr deutlich bemerkbar.
Unabhängig von der Berechnung können sich im Verlauf einer Transition natürlich Bedingungen ändern, sodass nicht zwingend alle geplanten Potenziale gehoben werden – aber natürlich bedeutet das auch, dass die Einsparungen höher ausfallen können als gedacht.