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3D-Messtechnik mit KI: Alle Medizintechnik-Teile schnell checken

Qualitätssicherung
Pilot-Anwendung zeigt, was 3D-Messtechnik mit KI-Support bietet

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Die Chancen von automatisierter 3D-Messtechnik mit integrierter KI haben zwei Partner in einem Pilotprojekt getestet. Losgröße 1 für die Medizintechnik mit 100-%-Kontrolle ist damit machbar, sie scheitert nicht mehr am Faktor Zeit. Und manche Entscheidungen trifft die KI auch allein.

Peggy Wandel
Fachjournalistin in Lichtenstein

In der automatisierten Fertigung medizintechnischer Komponenten zählen Tempo und Präzision. Da erweist sich die Messtechnik bislang als Flaschenhals. Zwei Partner eines Pilotprojekts ändern das nun: Bruker Alicona, Spezialist für optische Messtechnik, und Hailtec, ein ISO-13485-zertifizierter Auftragsfertiger für feinmechanische Komponenten.

„Wer weiß, wie aufwendig es ist, Messpläne für ein Multisensor-Messgerät einzulernen, kann abschätzen, welche Erleichterung die automatisierte Messtechnik für uns im Industriealltag bedeutet“, erklärt Patrick Baisch, Fertigungsleiter bei der Hailtec GmbH in Hohenstein. Das Unternehmen bietet Hochtechnologie „on Demand“: Die Mitarbeiter stellen zum Beispiel Prägestempel oder Implantate mit Oberflächengüten von Ra=0,1 µm her und nutzen dafür moderne Maschinen und Laseranlagen.

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Die Ergebnisse aus der 3D-Messung eines Prägestempels lassen sich als Falschfarbendarstellung der CAD Abweichung darstellen oder als Soll-Ist-Vergleich in Echtfarbe
(Bild: Bruker Alicona)

Auch Hersteller von Medizinprodukten profitieren von den Möglichkeiten, die Hailtec für die Muster- und Serienfertigung bietet: Mit validierten Prozessen unterstützen die Hohensteiner ihre Auftraggeber vom Rohmaterial bis zur reinraumverpackten medizintechnischen Komponente. Inklusive reproduzierbarer Qualität. „Unser Messlabor liefert Auftraggebern die Daten für ihre Qualitätssicherung“, sagt Hailtec-Geschäftsführer Alexander Renz.

Als er 2018 die Unternehmensleitung übernahm, war metallischer 3D-Druck „der große Hype“. „Also beschlossen wir, das Gegenteil zu machen und auf Laserablation zu setzen“, berichtet der Geschäftsführer. Mit ultrakurzen, kalten Pulsen ließ sich zum Beispiel in der Prägestempelfertigung die Senkerosion ablösen. Inzwischen ist die Nachfrage nach Ultrakurzpuls-Laseranwendungen groß, Hailtec arbeitet im Mehrschichtbetrieb und nutzt automatisierte Prozesse.

Neue Hightech-Verfahren: Messdaten bilden Vertrauen

Dabei hat der Auftragsfertiger weiterhin den Anspruch, eine hundertprozentige Qualitätskontrolle durchzuführen, denn neue Hightech-Verfahren brauchen Vertrauen. Um dieses aufzubauen, spielt der messtechnische Nachweis eine große Rolle.

Partnerschaft für feinste Laserschnitte

Renz hatte sich daher schon früh am Markt umgeschaut und für Messsysteme von Bruker Alicona aus dem österreichischen Raaba/Graz entschieden. Beim zeitaufwendigen Einlernen des Systems hat Bruker Alicona Hailtec von Anfang an unterstützt – und im Gegenzug hat das Hohensteiner Unternehmen als Pilotkunde die Entwicklung der Messtechnik begleitet. Fertigungsleiter Patrick Baisch erklärt: „Wirtschaftlich ab Losgröße 1 fertigen und dabei allen medizintechnischen Anforderungen gerecht werden – dabei erwies sich die Messtechnik bisher als Flaschenhals.“ Heute sagt Baisch: „Die automatisierte Stempelmessung spart uns enorm viel Zeit.“

Die bei Hailtec verwendeten Systeme von Bruker Alicona messen rein optisch und basieren auf dem Prinzip der Fokus-Variation. Das optische Verfahren ermöglicht eine zerstörungsfreie, rückführbare und wiederholgenaue Messung. Deshalb eignet sich die optische 3D Messtechnik auch sehr gut für den Einsatz an Präzisionsformwerkzeugen.

Die Herausforderung für Prägestempel-Hersteller wie Hailtec ist, dass es keine Abweichungen der formgebenden Geometrie hinsichtlich des Bezugspunktes geben darf. Der Stempel hat den größten Einfluss auf den Herstellungsprozess, seine Qualitätsmerkmale sind „spielentscheidend“.

QR-Code mit Mikrostruktur beim Spritzguss ins Produkt integriert

Und die Anforderungen an diese Bauteile und ihre Komplexität steigen von Jahr zu Jahr. Eine umfassende Qualitätskontrolle bringt dabei folgende Vorteile:

  • reduzierte Kosten,
  • reduzierten Materialeinsatz,
  • schnelle und prozesssichere Fertigung von hohen Stückzahlen sowie
  • hohe Präzision.

Viele Details machen die optische Lösung schnell

Mit traditionellen Methoden sind die Abweichungen der formgebenden Geometrie vom Bezugspunkt wie auch die engen Toleranzen, die oft im einstelligen µm-Bereich liegen, schwierig einzuhalten. Meistens wird dann in der Qualitätssicherung ein Kompromiss zwischen Genauigkeit und Auflösung geschlossen. Eine Schwäche taktiler Messtechnik im Vergleich mit optischen Lösungen ist auch die Darstellung in 2D. Ein eindeutiger Vorteil der berührungslosen Messsysteme von Bruker Alicona ist hingegen, dass sie Millionen Messpunkte in wenigen Sekunden liefern. All diese Aspekte wirken sich stark auf den Faktor Zeit aus.

Als Pilot-Anwendungsfall für die Bruker-Alicona-Messsysteme ist aber nicht nur das von Hailtec hergestellte Formwerkzeug sehr gut geeignet, sondern auch die Produkte, zu denen der Stempel in Umformverfahren führt, sind es. Dazu zählen unter anderen Steckverbinder, Schalter und Kontaktfedern, Schweiß- und Nietkontakte und Bipolarplatten. Eingesetzt werden die bei Hailtec auf verschiedenen Wegen gefertigten Präzisionsbauteile in der Medizintechnik, in der Automobilindustrie, in der Kunststoff- sowie der Elektro- und Textiltechnik.

Und so läuft die Messung ab: Ein optischer Sensor misst Maß, Lage, Form und Rauheit – völlig berührungsfrei. Steile Flanken und Bauteile mit variierenden Reflexionseigenschaften lassen sich robust und rückführbar messen. Typische Anwendungsfälle sind zum Beispiel Zahnimplantate, Knochenschrauben, Verblockungsplatten, chirurgische Instrumente, orthopädische Implantate und Zerspanungswerkzeuge.

Zahnimplantat_3D_Datensatz_Falschfarben.jpg
Das Zahnimplantat, hier als 3D-Datensatz mit Falschfarben gezeigt, ist ein typisches Beispiel aus der Medizintechnik, bei dem der Einsatz der berührungslosen Messtechnik Vorteile bieten. Weitere Anwendungen sind Knochenschrauben, Verblockungsplatten, chirurgische Instrumente oder orthopädische Implantate
(Bild: Bruker Alicona)

Mit der innovativen Bedienersoftware Metmax ist es möglich, eine automatisierte Messstrategie in vier Schritten zu erstellen:

  • CAD-Daten laden,
  • ausrichten,
  • Referenz erfassen und anschließend
  • Product Manufacturing Information (PMI)

definieren.

Ein digitaler Zwilling mit Messsimulation und Kollisionserkennung unterstützt den Bediener genauso wie die intelligente Messplanung. Das ermöglicht das vollständige Automatisieren wiederkehrender Messaufgaben.

Übergang zu automatisierten Abläufen erleichtern

Das weicht natürlich deutlich von den gewohnten Arbeitsabläufen ab, die auf 2D-Zeichnungen basieren. Den Übergang zur 3D-Modell-basierten Qualitätssicherung sollen daher ein einfaches Teach-in, One-Button-Lösungen, Pick & Place Automatisierung und die integrierbare PMI erleichtern.

Dabei trifft die Anlage selbst sinnvolle Entscheidungen. „Glänzt der Stempel zum Beispiel, so wählt die Software automatisch die entsprechende Lichteinstellung und Auflösung“, erklärt Renz aus Anwendersicht. Die in Metmax integrierte Wissensdatenbank, die so etwas ermöglicht, sei „nicht nur angesichts des Fachkräftemangels ein immenser Vorteil“.

Die Wissensdatenbank enthält das über Jahre gesammelte Know-how der optischen Messtechnik. Das entlaste das Bedienpersonal enorm und garantiere gleichbleibende Ergebnisse. Laut Urban Muraus, Geschäftsführer von Bruker Alicona, sei das Unternehmen, was KI angeht, „absolut am Puls der Zeit und bieten an, was bereits möglich ist.“

Bruker Alicona hat sowohl KI-gestützte Softwaremodule zur Oberflächenklassifizierung entwickelt als auch Daten zur Schulung der KI zusammengestellt. „Dazu braucht es ja Big Data“, sagt Muraus, „und die haben wir.“ Die Mitarbeiter programmieren KI und nutzen diese auch selbst, um die eigenen Technologien zu verbessern. „Fairerweise muss man aber sagen: In der Messtechnik beschränkt sich der Einsatz hauptsächlich auf die Bildverarbeitung“, erklärt Muraus weiter.

Zusammen haben Hailtec und Bruker Alicona ein Automatisierungslevel erreicht, das die Messaufgaben enorm erleichtert, Sicherheit gibt und das System bestmöglich auslastet. Gerade für medizinische Komponenten liegen die Vorteile so einer Lösung auf der Hand. Die Arbeit mit sensiblen Materialien oder schwer erreichbaren Stellen verlangt nach einer berührungslosen Lösung. Dass es diese nach dem Pilotprojekt gibt, heißt aber nach Auskunft der beiden Partner nicht, dass sie sich darauf in Zukunft ausruhen werden.

www.alicona.com


Über Hailtec

Hailtec-Unternehmensgründer Wilfried Hailfinger baute nach
1998 den Kuhstall im ehemaligen Bauernhof seiner Eltern zur Laserfertigung um. Als er 2016 unerwartet starb, übernahm der junge Werksleiter und Prokurist Alexander Renz das Unternehmen. Er erweitert den Betrieb auf aktuell 40 Mitarbeitende, spezialisierte sich auf neue Hightech-Verfahren und schmunzelt, wenn er die Kurzversion der Unternehmensgeschichte zusammenfasst als: „Kuh raus, Laser rein“.

Die Hailtec GmbH setzt heute auf Digitalisierung und steuert ihre Fertigung über ein modernes ERP-System mit validierten Prozessen.

www.hailtec.de

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