Oberfläche entscheidet über Funktion

Die Kosten für das Krankenhaus zu senken und Patienten das Leben zu erleichtern, gehört zu den Unternehmenszielen eines der größten pharmazeutischen Produzenten in der Schweiz. Der Konzern entwickelt und produziert unter anderem Medizin- und Kombinationsprodukte. Beide werden zur sicheren und zuverlässigen Verabreichung von Medikamenten durch die Patienten selbst oder durch medizinisches Personal eingesetzt. Cédric Gysel, Associate Scientist in der Pharmazeutischen Entwicklung und Experte für Metrologie sowie zerstörungsfreie Prüfung, räumt der Qualitätssicherung in diesem Bereich einen hohen Stellenwert ein. „Die berührungslose und damit zerstörungsfreie Oberflächenprüfung der zunehmend komplexen Produkte wird immer wichtiger“, lautet seine Einschätzung. Der Messtechnik-Experte, der in einem Team für die Entwicklung von Testmethoden in der Produktentwicklung verantwortlich ist, erklärt weiter: „Die Oberflächenrauheit von beispielsweise Spritzgussteilen kann signifikanten Einfluss auf die richtige Funktio- nalität unserer Kombinationsprodukte haben.“ Deshalb hat sich das Unternehmen entschieden, das Entwicklungs- und Supportlabor mit dem optischen 3D-Messsystem der Alicona Imaging GmbH, Grambach/Graz, zu erweitern und so die fehlerlose Funktion der medizinischen Produkte zu gewährleisten.

Das hochauflösende Rauheits- und Formessgerät wird aufgrund seiner vielfältigen und universellen Messmöglichkeiten für verschiedene Anwendungen in der Produktentwicklung eingesetzt. Damit sichert das Unternehmen die richtige Funktionalität seiner Produkte und beugt Kundenbeanstandungen aufgrund von Fehlfunktionen vor. Zu den häufigsten Anwendungen von InfiniteFocus zählt die flächenhafte Rauheitsmessung von Kunststoffkomponenten, die in den Kombinationsprodukten eingesetzt werden. Gysel: „Das sind Artikel, die neben der bloßen Verabreichung der Medikation noch zusätzliche Funktionen wie diverse Sicherheitsmerkmale haben.“ Dazu komme, dass diese Produkte aus verschiedenen Materialien bestehen können. Zu den Kombinationsprodukten zählen unter anderem Spritzen, die einen zusätzlichen Nadelschutz aufweisen. Dieser Nadelschutz wird nach der Injektion über die Spritze gestülpt, um Stichverletzungen mit kontaminierten Nadeln zu verhindern.

Ist die Rauheit dieser Kunststoffkomponenten zu klein, kann das zu Problemen führen. Der Messexperte erklärt die Applikation genauer: „Auf der Spitze der Nadel sitzen zwei ineinander gedrehte Kunststoffteile. Ist ihre Rauheit zu klein, hält der Kontakt nicht und die Spritze kann sich im schlechtesten Fall sogar lösen. Das bedeutet, die Verbindung ist undicht.“

Für den Pharmakonzern ist die Materialkombination im Nadelschutzsystem also ein großer Wettbewerbsvorteil, da sie die Verletzungsgefahr im Krankenhaus minimiert. Cédric Gysel erklärt: „Kontaminierte Nadeln sind ein hohes Infektionsrisiko. Unsere Kombinationsprodukte schützen das medizinische Personal.“

Das Pharmaunternehmen kontrolliert mit dem Oberflächenmessgerät aber auch zugelieferte Materialien. Bei der Frage der Überprüfung von Herstellerangaben will sich der pharmazeutische Konzern nicht ausschließlich auf externe Messungen verlassen, um die Qualität sicherzustellen. „Früher haben wir die Teile nur per Herstellerzertifikat entgegen genommen“, so der Qualitätssicherungsexperte. „Wir hatten im Haus keine Möglichkeit, diese Komponenten selbst zu prüfen. In Ausnahmefällen ließen wir von externen Labors taktile Rauheitsmessungen durchführen, was nicht nur sehr zeitintensiv sondern auch kostspielig war.“

Cédric Gysel zieht weiter Bilanz: „Mit Infinite Focus haben wir nun ein Gerät im Einsatz, das gleichzeitig zur Oberflächenrauheit noch zusätzliche Parameter liefert.“ Dazu zählen die Form oder auch die Farbe. „Durch diese Kombination sind wir jetzt in der Lage, wesentlich präzisere Aussagen zur Oberflächenbeschaffenheit eines Teiles zu treffen. Damit haben wir ein Mittel, Veränderungen der Oberfläche in unseren Teilen schnell und zuverlässig zu messen sowie eventuelle Probleme zu eruieren und zu verhindern.“ Das Messgerät habe sich aufgrund seiner Vielseitigkeit und der benutzerfreundlichen Software schnell zu einem wichtigen Instrument entwickelt.

Die Möglichkeit der flächenhaften Rauheitsmessung ist einer der größten Vorteile, die das Messsystem bietet. Früher wurde die Rauheit nur über ein Profil gemessen. „Die Ergebnisse waren entsprechend unsicher und wenig aussagekräftig, da mit der Profilrauheit nur ein kleiner Ausschnitt gemessen wird“, erklärt Gysel. Das ermögliche keine zuverlässige Aussage über die tatsächliche Oberflächenbeschaffenheit und damit auch keine verlässlichen Rückschlüsse auf die gesicherte Funktionalität eines Produktes. Dazu kommt die Möglichkeit, in Kombination mit der Rauheit einer ganzen Fläche auch deren Form messen zu können.

Die Formmessung kommt beispielsweise zum Einsatz, wenn sichergestellt werden soll, dass ein Verschluss auf einer Spritze richtig hält. Dazu muss der Glaskonus der Spritze eine gewisse Form haben: rund, inklusive einem leichten Konus und einer Vertiefung. Die richtige Geometrie wird hier mittels Profil- und Winkelmessung verifiziert.

Neben der vielseitigen Nutzbarkeit legten die Schweizer auch Wert auf die einfache Handhabung von InfiniteFocus. „Uns war wichtig, dass mehrere Mitarbeiter das Messgerät ohne langwierige Einarbeitungsphase unabhängig nutzen können“, heißt es seitens der Anwender. Trotz der vielen Funktionalitäten sei das Gerät eingängig, und die Benutzer fänden sich nach kurzer Einarbeitung schnell zurecht.

Astrid Krenn, Alicona, Grambach/Graz, Österreich