Medtech meets Quality | Für die Qualitätssicherung in der Medizintechnik gibt es einen Rahmen – aber innerhalb dieser Vorgaben lohnt es sich für die Unternehmen durchaus, kreativ zu sein, um die Anforderungen zu erfüllen. Wie das gehen kann und welche Hilfsmittel dafür zur Verfügung stehen, zeigte das 2. Forum für Qualitätssicherung in der Medizintechnik im Dezember in Stuttgart.
Jeden Tag werden in Deutschland 218 Audits durchgeführt. Das könnte man dahingehend interpretieren, dass die Qualität eine große Rolle spielt, geachtet und gepflegt wird. Dass der Alltag dennoch oft anders aussieht, berichtete Stephan Joseph, Berater in Qualitätsfragen, in seinem Vortrag beim Forum Medtech meets Quality in Stuttgart.
Joseph hat als erster Referent gleich den Finger in die Wunde gelegt: Wieso ISO?, war der leicht provokante Titel seines Referats. Ihm ging es aber nicht um Provokation, sondern vor allem darum zu zeigen, dass der Sinn aller Anstrengungen zur Qualitätssicherung nicht „die Pappe an der Wand“ sei. Ein ausgehängtes Zertifikat sei zwar eine gute Sache, aber um wirklich etwas für die Qualität der Produkte zu tun, sei mehr zu machen als Minimalanforderungen fürs nächste Audit zu erfüllen.
Einfach sei das nicht: Schließlich sei die Produktion ein sehr komplexes System. Der Vergleich mit einem Mobile liege nahe: Jede Berührung, jede Veränderung bewirkt eine Reihe von Reaktionen. Nur welche das im Einzelnen sind, lasse sich nicht vorhersagen – und das gelte auch für Maßnahmen, die die Qualität verbessern sollen. Oft genug würden im Dienste der Qualitätssicherung Regeln in großer Zahl aufgestellt, die die Mitarbeiter dann aus Zeitdruck versuchen zu umgehen.
Die Empfehlung des Referenten: Sich ein Beispiel zu nehmen an einem der ersten Handbücher zu Fragen der Qualität. Der Autor, Benedikt, habe darin für jede Regeln für das Zusammenleben im Kloster eine Begründung mitgeliefert und die Regeln oft vorlesen lassen. Für die heutige Zeit sollte laut Joseph der gute Vorsatz lauten, sich nicht mit minimalem Aufwand durchs Audit zu quetschen, wie es manche Ratgeber nahe legten, sondern die Organisation weiterzuentwickeln. Das schließe den Chef mit ein – es sei ein gutes Zeichen, wenn dieser die Fragen beim Audit selbst beantworten könne und das nicht seinem Qualitätsmanagementbeauftragten überlassen müsse. „Und man darf auch den Auditor nach dem Warum fragen, wenn dieser das Ausfüllen einer weiteren Spalte in einer Excel-Tabelle fordert – oder sogar eigene Vorschläge machen.“ Die Norm beschreibe lediglich Anforderungen, die zu erfüllen seien. Für das „Wie“ sei Kreativität erlaubt.
Risikomanagement für alle Prozesse erweitert
Über Details der aktuellen DIN EN ISO 13485:2016 berichtete Werner Kexel, stellvertretender Zertifizierungsstellenleiter Medizinprodukte beim TÜV Hessen. Er war erfreut zu erfahren, dass der Großteil der Teilnehmer tatsächlich die geltende Version der Norm gelesen habe. Das sei eine wichtige Voraussetzung, um zu schauen, was im eigenen Unternehmen eventuell zu ändern sei. Er hob hervor, dass die neue Version das Risikomanagement für alle Prozesse erweitert habe. Das Risiko müsse definiert, sein Ausmaß beschrieben und danach die eventuell erforderlichen Maßnahmen festgelegt werden.
Wobei die internationale Norm nur eine Seite der Medaille sei: Sie gelte, wenn das Gesetz nicht ausdrücklich andere Dinge vorschreibt. Aber die Gesetze in Deutschland, China oder den USA wichen stellenweise erheblich voneinander ab. Als „Dauerbrenner“ nannte Kexel das Software-Thema, „denn die Norm fordert nicht nur, dass man sich mit der Software im Medizinprodukt selbst befasst.“ Vielmehr müsse die Software im Prozess vor Inbetriebnahme validiert werden.
Es lohne sich auch, die Rolle von Herstellern und Zuliefern genauer zu betrachten. Was ein Hersteller ist, definiere die Norm anders als das Medizinproduktegesetz – und da das Gesetz Vorrang vor der Norm hat, müsse man sich mit diesen unterschiedlichen Auslegungen im Detail befassen. Auch Mischfunktionen seien möglich, und ein Unternehmen müsse die eigene Rolle in der Lieferkette bewerten. Kexel sprach sogar von einem „Zertifikatswahn“, der sich durch die gesamte Lieferkette ziehe. Zwar verlange nicht das Gesetz von jedem ein Zertifikat, aber die Auftraggeber legten hierauf Wert.
Zu beachten ist laut Kexel, dass die neue Version der Norm klar dar legt, dass ein Hersteller zwar Aufgaben delegieren könne, nicht aber die Verantwortung für sein Produkt. „Er ist für alle Teile der Lieferkette verantwortlich, und es muss schriftliche Qualitätsvereinbarungen geben.“ Für kritische Lieferanten sei eine Auditierung unverzichtbar.
Dass Qualität für den ganzen Prozess eine Rolle spielt und auch Fragen des Labellings einschließt, betonte Guido Hammer, Senior Consultant bei GS1 Germany. Was in den USA in Sachen UDI bereits gelte und für Europa absehbar sei, biete aufgrund der durchgängigen Datensätze Vorteile beim Identifizieren und Rückverfolgen der Produkte. Alle Details zu berücksichtigen – zum Beispiel zu wissen und zu dokumentieren, welche Veränderung an einem Produkt eine neue GTIN erfordert, und welche tagesgenaue Angabe im Einzelfall das geforderte Herstelldatum repräsentiert – bringe auch Herausforderungen für die Qualitätssicherung.
Dr. Thomas Schmitz, Senior Consultant bei Plato Software, berichtete darüber, wie sich Entwicklungsprozesse in der Medizintechnik besser steuern lassen, wenn Methoden und Wissen in einem System vernetzt sind. Das könne auch als ein Schritt in Richtung Industrie 4.0 gesehen werden.
Ebenfalls im Umfeld der Vernetzung ist die Auswertungssoftware Kotem Evolve Manufacturing angesiedelt, die Christoph Bohnhof von OGP Messtechnik vorstellte. Sie setzt sich aus acht smarten Bausteinen zusammen, die für alle Messegeräte geeignet sind und die es auch ermöglichen, die Messprotokolle entlang der Zuliefererkette zu vereinheitlichen.
CT – nicht nur für die Medizin ein interessantes Verfahren
Die Unterschiede zwischen medizinischen und industriellen CT-Geräten und die Potenziale, die diese Technik für die Qualitätssicherung bietet, erläuterte Gabor Szabo von Nikon Metrology. Als Beispiel nannte er die Frage, was mit einer Dichtung beim Zudrehen einer Kunststoffflasche passiert. Durch einen Helix-Scan, bei dem das zu untersuchende Teil nicht nur in der Ebene gedreht, sondern beim Drehen auch in der Höhe verfahren wird, ließen sich Teile, die aus einem Mix Metall und Kunststoff hergestellt sind, besonders gut darstellen.
Stephan Knopf, Vertriebsmitarbeiter Industrie bei Carl Zeiss Microscopy, berichtete über die moderne Digitalmikroskopie. Diese biete zwar nicht die maximale Auflösung, sondern sei zwischen den Möglichkeiten von Stereomikroskopie und Auflichtmikroskopie angesiedelt.
Zum Abschluss kamen einige der Referenten aufs Podium, um spezielle Fragen zur Qualitätssicherung in der Medizintechnik zu diskutieren. Das Fazit der Teilnehmer war positiv – und die Teilnahme an der Folgeveranstaltung haben sich viele schon vorgemerkt. (op) ■
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