Ein neues Expositionssystem setzt lebende Zellen exakt und reproduzierbar feinstaubbelasteten Luftströmen aus. So lassen sich schnell und günstig Daten über die Schadwirkung von Feinstäuben verschiedenster Quellen sammeln.
„Feinstäube können Ruß aus Dieselmotoren, Seesalz an der Küste, natürliche Stäube oder auch Zwischenprodukte in der chemischen Industrie sein“, erklären Dr. Hanns-Rudolf Paur und Sonja Mülhopt vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Zum Feinstaub zählen alle Staubkörner kleiner als 10 µm, also kleiner als ein hundertstel Millimeter, unabhängig von ihrer chemischen Zusammensetzung. Unterhalb dieser Größenordnung passieren die Partikel leicht die oberen Atemwege des Menschen. Sie lagern sich in den Lungenbläschen (Alveolen) ein und können dort die Zellen infolge ihrer chemischen oder physikalischen Eigenschaften schädigen.
Um die Effekte detailliert zu erforschen, müssen Lungenzellen und Feinstaub in einer realistischen Umgebung zusammengebracht werden. Letztlich müssen die Vorgänge im menschlichen Körper von der Nase bis in die Lunge reproduzierbar nachgestellt werden. Die feinstaubbelastete Luft wird im Karlsruher Expositionssystem dazu auf Körpertemperatur gebracht, mit etwa 85 % Luftfeuchtigkeit versetzt und auf die Strömungsgeschwindigkeit in der Lunge reduziert. Für langanhaltende Messreihen gilt es, diese Bedingungen exakt und reproduzierbar einzuhalten. Zuletzt strömt der Partikelstrom über mit Nährmedium kultivierte Lungenzellen-Kulturen. Je nach Art des Feinstaubes zeigen diese anschließend Symptome von Entzündung, Oxidationsstress oder Membranschäden. Parallel wird über eine Präzisionswaage die deponierte Partikeldosis aufgezeichnet.
Das neue Expositionssystem ist realitätsnäher als bisherige Verfahren. Zugleich ist das System für viele Anwendungen schneller und günstiger als eine Tierversuchsstudie. Dank seiner Kompaktheit lassen sich mit ihm auch Messungen am Ort der Entstehung oder Belastung durchführen. Tobias Krebs von der Vitrocell Systems GmbH in Waldkirch, dem Industriepartner für die Entwicklung zum marktgängigen Produkt, erklärt: „Die Forschung am KIT hat die Grundlagen gelegt für ein Verfahren mit hohem Industriepotenzial. Gemeinsam wollen wir nun dieses Produkt vermarkten.“
Die Wirkung von Feinstäuben spielt in der Grundlagenforschung, aber auch in vielen Anwendungsfeldern eine Rolle. So muss die chemische Industrie im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung REACH nachweisen, in welchen Gefahrenklassen ihre Produkte einzuordnen sind. Hersteller von Lungenmedikamenten wie Asthmasprays könnten neue Wirkstoffe in Vorstudien realitätsnah testen. Auch neue und alte Biomasse-Brennstoffe können relevante Feinstaubquellen sein.
Weitere Informationen: www.kit.edu
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